M&A als Schlüsselfaktor im Wasserstoffmarkt
Gespräche und Interviews mit M&A-Leitern und General Counsel - Im Interview zwischen Prof. Dr. Christoph Schalast, M&A REVIEW, und Maximilian Rose, Senior Manager bei thyssenkrupp nucera, wird die Bedeutung von M&A in der wachsenden Wasserstoffbranche und insbesondere für thyssenkrupp nucera beleuchtet.
Prof. Dr. Christoph Schalast: thyssenkrupp nucera ist seit dem 07. Juli 2023 an der Börse. Ausweislich des Geschäftsberichts 2023/2024 verfolgt das Unternehmen dabei eine Wachstumsstrategie. Welche Rolle spielt dabei M&A?
Maximilian Rose: Wir verfügen durch unseren IPO über gut gefüllte Kassen, was uns in die Lage versetzt, schnell und unabhängig zu agieren. Das bedeutet, dass wir bei attraktiven Opportunitäten unmittelbar handeln können, ohne auf Fremdfinanzierung angewiesen zu sein. Mit dieser finanziellen Flexibilität sind wir gut aufgestellt, um gezielt im Markt weiter aktiv zu sein und Synergien effektiv zu realisieren. Das gibt uns eine starke Ausgangsposition für zukünftige M&A-Aktivitäten.
Prof. Dr. Christoph Schalast: Eines Ihrer erklärten Ziele – sowohl beim Börsengang als auch darüber hinaus – ist es, führender Technologieanbieter im Bereich der alkalischen Wasserelektrolyse1 zu bleiben. Wenn Sie den Markt und seine aktuelle Konsolidierung betrachten, welche Wachstumschancen sehen Sie für Ihr Unternehmen?
Maximilian Rose: Der Markt ist gekennzeichnet durch kontinuierliche Innovationen, die Wettbewerbsvorteile in verschiedenen Bereichen liefern, und die Technologie von thyssenkrupp nucera ergänzen könnten. Wir verfolgen und aktualisieren diese kontinuierlich in unserem Technologie-Radar.
Wir haben derzeit zwei Technologien in unserem Produktportfolio: die alkalische Wasserelektrolyse auf dem höchsten TRL-Niveau2 und die Festoxid-Elektrolyse3. Damit sind wir technologisch breit aufgestellt und können zukünftig komplementäre Lösungen auf dem Markt anbieten, ohne unser eigenes Portfolio zu kannibalisieren.
Unser Fokus liegt darauf, durch unsere Technologie- und Serviceangebote die größten Marktpotenziale zu erschließen. Gleichzeitig behalten wir auch andere Technologien im Blick. Wir analysieren diese kontinuierlich und werden strategisch entscheiden, ob und in welchem Umfang wir uns in diesen Bereichen engagieren wollen.
Prof. Dr. Christoph Schalast: Wenn Sie aktuell auf Ihren Schreibtisch schauen – welche Themen beschäftigen Sie derzeit besonders? Gibt es spannende Projekte oder Entwicklungen, die Sie mit uns teilen können und die für Ihr Unternehmen aktuell von besonderer Relevanz sind?
Maximilian Rose: Natürlich kann ich keine konkreten Details verraten, aber wie bereits erwähnt, beschäftigen wir uns intensiv mit der Marktanalyse, insbesondere mit Konsolidierungswellen und neuen Potenzialen. Ein wesentliches Problem im Markt ist nach wie vor die Preisgestaltung von Wasserstoff. Um dieses zu lösen, braucht es Skalierungseffekte sowie strukturelle Optimierungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Unser Ziel ist es, mögliche Engpässe zu identifizieren und zu vermeiden, indem wir unsere Position innerhalb der Lieferkette strategisch stärken.
Insgesamt prüfen wir eine breite Palette an Marktchancen – von gezielten Investitionen bis hin zu strategischen Unternehmensbeteiligungen. Entscheidend dafür ist, dass eine Investition strategisch sinnvoll für unser Unternehmen ist.
Prof. Dr. Christoph Schalast: Spielt das Thema Venture Capital ebenfalls eine Rolle in Ihrem Bereich oder gibt es dafür eine eigene Abteilung in Ihrem Unternehmen – ähnlich wie es viele innovationsgetriebene Unternehmen handhaben?
Maximilian Rose: Das Thema Venture Capital fällt ebenfalls in meinen Verantwortungsbereich. Ich arbeite dabei eng mit Teams aus den Bereichen Produktentwicklung und Forschung & Entwicklung zusammen. Zudem verfügen wir über einen eigenen Technologieradar, der es uns ermöglicht, potenzielle VC-Investments gemeinsam mit unseren Experten detailliert zu analysieren.
Wenn wir ein Investment als wertstiftend erachten, sind wir bereit, in diesen Bereich einzusteigen. Allerdings sind wir uns der Risiken bewusst. Daher prüfen wir genau, welche Technologien und mögliche Nebenprodukte tatsächlich Potenzial haben. Dennoch verschließen wir uns diesem Markt keineswegs.
1 Die alkalische Wasserelektrolyse ist ein Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff aus Wasser. Dabei wird elektrischer Strom genutzt, um Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten.
2 Das TRL-Niveau steht für Technology Readiness Level (Technologiereifegrad) und beschreibt, wie weit eine Technologie in ihrer Entwicklung fortgeschritten ist – von der ersten Idee bis zur Marktreife.
3 Die Festoxid-Elektrolyse (SOEC – Solid Oxide Electrolysis Cell) ist eine noch relativ neue Technologie zur Wasserstoffproduktion. Sie nutzt feste keramische Elektrolyte und arbeitet bei sehr hohen Temperaturen (700–1000 °C).