M&A und die EU Foreign Subsidies Regulation
Die EU Foreign Subsidies Regulation (FSR) ist seit über einem Jahr vollumfänglich anwendbar. Nachdem dieses „new kid on the block“ und die damit verbundenen Auswirkungen anfangs nicht abschätzbar waren, bestehen mittlerweile erste zentrale Erfahrungswerte aus der Praxis. Dieser Beitrag gibt mit Blick auf M&A einen Überblick über die Grundlagen der FSR und stellt die wichtigsten Erkenntnisse aus der Praxis dar.
1. Einleitung
Die EU Foreign Subsidies Regulation (FSR) ist seit über einem Jahr vollumfänglich anwendbar. Nachdem dieses „new kid on the block“ und die damit verbundenen Auswirkungen anfangs nicht abschätzbar waren, bestehen mittlerweile erste zentrale Erfahrungswerte aus der Praxis. Dieser Beitrag gibt mit Blick auf M&A einen Überblick über die Grundlagen der FSR und stellt die wichtigsten Erkenntnisse aus der Praxis dar.
2. Grundlagen
2.1 Hintergrund der FSR
Die FSR ist vor über zwei Jahren, am 12. Januar 2023, in Kraft getreten. Seit dem 12. Oktober 2023 greifen die zusätzlichen regulatorischen Anmeldeerfordernisse für M&A-Transaktionen. Die FSR stellt im Kern die politische Antwort der Europäischen Union (EU) auf Subventionen von Nicht-EU-Ländern für in der EU tätige Unternehmen dar. Nach Ansicht der Europäischen Kommission gab es bis zur Einführung der FSR kein wirksames Instrument zur Kontrolle solcher drittstaatlichen Subventionen. Mit den bestehenden Instrumenten, insbesondere dem EU-Beihilferecht, sei keine angemessene Kontrolle drittstaatlicher Subventionen möglich gewesen. Das EU-Beihilferecht wiederum verbietet EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich die Subventionierung von Unternehmen. Dieses Ungleichgewicht zwischen den strengen Regeln für EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten soll durch die FSR ausgeglichen werden, um ein „level playing field“ zu schaffen. Somit hat die FSR auch eine starke (industrie-)politische Dimension im Kontext von protektionistischen Entwicklungen der Globalwirtschaft. Von Beginn an standen dabei auch Subventionen aus China mit im Fokus.
2.2 Dogmatische Abgrenzung zur Fusionskontrolle
Die FSR enthält eine zusätzliche Anmeldepflicht – mit Vollzugsverbot – für bestimmte M&A-Transaktionen. Diese neue FSR-Anmeldepflicht ergänzt die bestehenden regulatorischen Anmeldepflichten, wie die Fusionskontrolle. Dogmatisch ist sie damit trotzdem nicht dem kartellrechtlichen Fusionskontrollrecht zuzuordnen – und darf auch nicht als „Add-on“ dazu eingeordnet werden. Der materielle Prüfmaßstab ist eigenständig, Orientierungshilfe lässt sich in zentralen Punkten dem EU-Beihilferecht entnehmen. Die in Art. 5 FSR gelisteten Arten von besonders kritischen Subventionen (siehe dazu auch unten 3.1) gleichen beispielsweise denjenigen, die auch im EU-Beihilferecht besonders problematisch sind. Im Vergleich zur Fusionskontrolle verfolgt die FSR andere Ziele. Während die Europäische Kommission bei der Fusionskontrolle die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb in den relevanten Märkten prüft, untersucht sie nach der FSR die durch die ausländische Subvention verursachten Verzerrungen auf dem Binnenmarkt. Eine M&A-Transaktion kann also nach einem der beiden Regelungsregime unbedenklich sein und nach dem anderen trotzdem untersagt werden.
3. Regelungsinhalte der FSR
Der folgende Abschnitt stellt die Regelungsinhalte der FSR dar. Dabei richtet sich der Blick spezifisch auf die für M&A relevanten Elemente.
3.1 Anwendungsbereich und Instrumente der FSR im Überblick
Das Herz der FSR bilden drei Instrumente für die Prüfung drittstaatlicher Subventionen: Das M&A-Instrument, das Vergaberechtsinstrument und das Ex-Officio-Instrument. Voraussetzung für jedes dieser Instrumente ist die Anwendbarkeit der FSR. Die Anwendbarkeit bestimmt sich nach Art. 3 FSR und setzt zunächst das Vorliegen einer drittstaatlichen Subvention voraus. Eine drittstaatliche Subvention ist die Gewährung einer direkten oder indirekten finanziellen Zuwendung durch einen Drittstaat an ein Unternehmen, das eine wirtschaftliche Tätigkeit auf dem EU-Binnenmarkt ausübt. Der Begriff der „finanziellen Zuwendung“ ist dabei gemäß Art. 3 (2) FSR äußerst weit und erfasst finanzielle Leistungen durch den Drittstaat oder dem Drittstaat zurechenbare Einrichtungen auch dann, wenn diese zu marktüblichen Konditionen erfolgten. Wenn also beispielsweise ein Drittstaat Waren von einem Unternehmen zu marktüblichen Konditionen erworben hat oder eine drittstaatlich kontrollierte Bank ein Darlehen zu marktüblichen Konditionen gewährt hat, liegt eine finanzielle Zuwendung vor, und der Anwendungsbereich der FSR ist prinzipiell eröffnet. Für die materielle Prüfung kommt es dann gemäß Art. 4 FSR darauf an, ob die drittstaatliche Subvention geeignet ist, den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt zu verzerren. Dabei enthält Art. 5 FSR einen Katalog besonders kritischer drittstaatlicher Subventionen, bei welchen eine Verzerrung des Binnenmarktes sehr wahrscheinlich ist. Dazu zählen zum Beispiel drittstaatliche Subventionen, die einem notleidenden Unternehmen gewährt werden, oder drittstaatliche Subventionen in Form von unbegrenzten Garantien.
3.2 M&A-Instrument im Besonderen
(1) Gegenstand und Voraussetzungen
Das M&A-Instrument ist eine der drei Säulen der FSR. Bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte besteht gemäß Art. 21 (1) FSR eine Anmeldepflicht von M&A-Transaktionen bei der Europäischen Kommission. Die Schwellenwerte für die Anmeldepflicht erfordern gemäß Art. 20 (3) FSR einen Gesamtumsatz eines der fusionierenden Unternehmen, des erworbenen Unternehmens oder des Gemeinschaftsunternehmens (GU) in der EU von mindestens 500 Mio. EUR. Zudem muss je nach Typ der Transaktion der Erwerber und das erworbene Unternehmen beziehungsweise die fusionierenden Unternehmen beziehungsweise die Unternehmen, die das GU gründen, und das GU in den letzten drei Jahren finanzielle Zuwendungen von Drittstaaten in Höhe von insgesamt mehr als 50 Mio. EUR erhalten haben. Wie bereits unter 3.1 klargestellt, ist der Begriff der finanziellen Zuwendung äußerst weit. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die Schwelle von 50 Mio. EUR schnell erreicht ist, weil eben nicht nur echte Subventionen, sondern jegliche drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen relevant sind. Es können beispielsweise schon mehrere Bankdarlehen mit drittstaatlichen Banken oder Energieversorgungsverträge mit drittstaatlich gehaltenen privaten Unternehmen genügen.
Die Beachtung dessen ist auch vor dem Hintergrund der Konsequenzen bedeutsam. Wie aus dem Fusionskontrollrecht und dem EU-Beihilferecht bekannt, besteht auch im Rahmen der FSR ein Vollzugsverbot nach Art. 24 (1) FSR. Das Vollzugsverbot ist nicht nur bußgeldbewehrt (bis zu 10% des im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes), sondern die Europäische Kommission kann sogar die Parteien verpflichten, einen Zusammenschluss, der unter Verstoß gegen das Verbot vollzogen wurde, rückgängig zu machen, vgl. Art. 25 (6) lit. a) FSR.
(2) Verfahrensablauf
Der Verfahrensablauf der Anmeldung ähnelt dem der kartellrechtlichen Fusionskontrolle. Der Anmeldung geht zunächst ein Prä-Notifizierungsverfahren voraus. Nach der Anmeldung hat das zuständige Case Team der Europäischen Kommission 25 Arbeitstage Zeit, um im Rahmen einer Phase-1-Prüfung das Vorliegen drittstaatlicher Subventionen und das Risiko einer materiellen Binnenmarktverzerrung zu beurteilen. Wenn nach Einschätzung der Europäischen Kommission hinreichende Anhaltspunkte für eine drittstaatliche, den Binnenmarkt verzerrende Subvention vorliegen, leitet sie eine eingehende Prüfung ein (Phase-2-Prüfung). Innerhalb der Europäischen Kommission wurde für die FSR in der Generaldirektion Wettbewerb (DG Comp) eigens eine „Direktion K“ eingerichtet, die abgegrenzt ist von dem für Fusionskontrolle zuständigen Direktorat. Materiellrechtlich prüft die Europäische Kommission gemäß Art. 19 i.V.m. Art. 4, 5 FSR, ob die drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt verzerrt. Im Rahmen dieser Prüfung sollen mögliche positive Effekte berücksichtigt und diese dann mit den negativen, wettbewerbsverzerrenden Effekten abgewogen werden (Balancing Test). Dabei listet Art. 5 FSR drittstaatliche Subventionen auf, bei welchen die Wahrscheinlichkeit einer Verzerrung auf dem Binnenmarkt am größten ist.
(3) Möglicher Verfahrensausgang
Die Prüfung der Europäischen Kommission kann unterschiedliche Ausgänge haben. Wie bereits angedeutet, kann die Phase-1-Prüfung mit dem Ausgang enden, dass keine Phase-2-Prüfung eingeleitet wird, sondern der Zusammenschluss freigegeben wird. Ist aber eine Phase-2-Prüfung eingeleitet, so kann diese in einer Freigabe oder Untersagung des Zusammenschlusses münden, vgl. Art. 25 (3) FSR. Ebenfalls ist möglich, dass die Transaktion – wie im Fall des Verfahrens der Emirates Telecommunications Group Company PJSC (e&) betreffend den Erwerb der PPF Telecom Group B.V. (mit Ausnahme der tschechischen Geschäfte) – mit verpflichtenden Abhilfemaßnahmen freigegeben wird.
(4) Besonderheit: Ex-Officio-Einleitung von Verfahren
Die FSR sieht überdies ein Ex-Officio-Instrument vor. Dieses befähigt die Europäische Kommission gemäß Art. 9 FSR, von Amts wegen Prüfungen von unter anderem M&A-Transaktionen einzuleiten und die ganze Palette der ihr zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen zu gebrauchen. Dabei ist die Europäische Kommission nicht auf Fälle beschränkt, in welchen die Schwellenwerte gemäß Art. 20 (3) FSR überschritten sind. Sie kann auch unterhalb dieser Schwellenwerte Ex-Officio-Verfahren einleiten.
4. Bisherige Erfahrungswerte
4.1 Erfahrungswerte aus FSR-Verfahren/Entscheidungen
Bisher gab es bereits mehr als 150 M&A-Transaktionsanmeldungen nach der FSR. Diese Zahlen überstiegen die ursprünglich vermuteten circa 30 Anmeldungen pro Jahr deutlich. Um die Transparenz zu erhöhen, veröffentlicht die Europäische Kommission seit Oktober 2024 alle eingehenden Anmeldungen auf ihrer Website.
Ein zeitlicher Unsicherheitsfaktor für M&A-Transaktionen ergibt sich aus der nicht begrenzten Dauer der Prä-Notifizierungsverfahren mit der DG Comp. Die Case Teams der DG Comp sind teils noch unerfahren im Umgang mit der FSR, was zu einem zusätzlichen Abstimmungsbedarf mit dem Legal Service führt. Diese internen Konsultationen verlängern das Verfahren zusätzlich, sodass sich die Dauer der Prä-Notifizierung nur schwer vorhersagen lässt. Trotz der Bemühungen der DG Comp um eine zügige Bearbeitung bleibt dies ein wesentlicher Aspekt, der insbesondere bei der Festlegung eines Long-Stop Dates in M&A-Transaktionen berücksichtigt werden sollte.
Die Europäische Kommission leitete auch bereits nach dem M&A-Instrument eine Phase-2-Prüfung ein. Aus der Analyse der bisherigen Verfahren lassen sich bereits weitreichende Erkenntnisse gewinnen: Die FSR ist ein neues Regelwerk, das von Unternehmen nicht unterschätzt werden darf. Die Europäische Kommission macht von ihren Befugnissen nämlich umfassend Gebrauch, inklusive der Ex-Officio-Einleitung von Verfahren und Dawn Raids. Im jüngst veröffentlichten Competitiveness Compass der Europäischen Union wird eine rigorose Durchsetzung der FSR explizit als Schutzmechanismus für den EU-Binnenmarkt erwähnt. Nichts anderes ist daher für die Zukunft zu erwarten. Aber die Dimension der FSR erstreckt sich nicht nur auf die anmeldepflichtigen Unternehmen. Vielmehr ist bei den Verfahren ein – nicht ausschließlicher – Schwerpunkt auf chinesische Unternehmen zu erkennen. Als Reaktion hierauf führte das chinesische Handelsministerium eine „trade barriere investigation“ durch und kam in dem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass die FSR ungleich stark gegen chinesische Unternehmen durchgesetzt werde. Die FSR hat folglich eine sehr starke politische Dimension und könnte den derzeit schwelenden geopolitischen Konflikt mit China weiter anfachen. Gerade M&A-Transaktionen mit Beteiligung chinesischer Unternehmen müssen sich aufgrund des erhöhten Interesses folglich auf langwierige Anmeldeverfahren einstellen. Eine weitere Erkenntnis für Unternehmen ist, dass die FSR nicht nur behördenseitig genutzt wird, sondern dass auch Unternehmen die FSR als Beschwerdeinstrument verwenden, indem sie sich proaktiv an die Europäische Kommission wenden. In der Vergangenheit machten etwa Unternehmen aus dem Windkraftbereich, der französische Energiekonzern Electricité de France und jüngst der Wirtschaftsverband der europäischen Eisen- und Stahlindustrie EUROFER hiervon Gebrauch.
Bei allen Erkenntnissen bleibt jedoch auch noch ein wesentlicher Bereich undurchsichtig. Die materiellen Prüfkriterien der Europäischen Kommission hinsichtlich der Verzerrung des Binnenmarktes sind weiterhin sehr unklar. Zwar gibt es ein Q&A auf der Webseite der Europäischen Kommission, und auch ein Policy Brief wurde veröffentlicht. Trotzdem fehlt noch eine verlässliche Entscheidungspraxis. Immerhin deckte die Entscheidung im Verfahren von e& auf, dass die Europäische Kommission nicht nur prüft, ob die drittstaatlichen Subventionen zu einer Verzerrung des Binnenmarktes zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses führen, sondern auch den Blick auf die Zeit danach richtet. Denn in diesem Verfahren bezogen sich die Bedenken der Europäischen Kommission auf die Zeit nach der Übernahme. Für dieses Jahr werden aber weitere Publikationen der Europäischen Kommission erwartet, die mehr Verlässlichkeit im Hinblick auf den materiellen Prüfungsmaßstab bringen sollen.
4.2 Erfahrungswerte aus der rechtsberatenden Praxis
Die Erfahrungen aus der Praxis machen deutlich, wie wichtig es für Unternehmen ist, die M&A-Transaktionen oder auch die Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren planen, sich sorgfältig auf eine FSR-Meldung vorzubereiten.
Es wurde in der rechtsberatenden Praxis schnell deutlich, welch große faktische Auswirkung die FSR auf M&A-Transaktionen haben wird. Die Anmeldeverfahren sind sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht sehr aufwendig. Das liegt zum einen daran, dass die Unternehmen noch nicht ausreichend vorbereitet sind und erforderliche Informationen nur mit Mühe bereitstellen können. Es genügt angesichts des weiten Begriffs der finanziellen Zuwendung gerade nicht, sich auf den Standpunkt zu stellen, man habe keine Subventionen erhalten und falle daher nicht unter die FSR. M&A-Readiness im Rahmen der FSR bedeutet auf der einen Seite, Informationen über drittstaatliche finanzielle Zuwendungen niedrigschwellig verfügbar zu haben und diese auch aktuell zu halten. Auf der anderen Seite werden Bieter aussortiert, deren FSR-Visibilität zu gering erscheint. Die Erfahrung aus der Praxis zeigt außerdem, dass die sehr detaillierten und teils spezifischen Rückfragen der Europäischen Kommission den Aufwand nochmal erhöhen. Die hinzutretende mangelnde materielle Anleitung der Europäischen Kommission sorgt überdies ebenfalls nicht für Effizienzgewinne.
5. Bedeutung für Unternehmen
Für Unternehmen sollte der Takeaway eindeutig sein: Sie müssen sich für künftige Zusammenschlüsse wappnen. Das bedeutet insbesondere, dass sie die erforderlichen Daten frühzeitig vorbereiten und parat haben, wenn sie benötigt werden. Darüber hinaus muss die zeitliche Dimension der FSR-Anmeldung im Zeitplan der M&A-Transaktion berücksichtigt werden, um keine ungewollten Verzögerungen zu riskieren. Schließlich ist eine frühzeitige und enge Abstimmung mit der Europäischen Kommission ein Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Transaktion.