Merger-Integration-Management
Jede Akquisition, jeder Merger ist einzigartig. Dennoch gibt es hilfreiche Erfahrungswerte aus großen und auch aus mittelständischen Unternehmen, die ihre Integrationsprojekte kompetent und erfolgreich managen. I
M&A-Integrationen erfolgreich planen und gestalten
Es gibt sicher kein Patentrezept, keine einfache Schablone, um Merger-Integrationen zum Erfolg zu führen. Jede Akquisition, jeder Merger ist einzigartig. Dennoch gibt es hilfreiche Erfahrungswerte aus großen und auch aus mittelständischen Unternehmen, die ihre Integrationsprojekte kompetent und erfolgreich managen. Im Folgenden stellen wir einige dieser Erfolgsfaktoren aus unserer Beratungspraxis vor.
1. Begriffe schaffen Realitäten
In vielen Akquisitionen bedeutet das „Closing“ den Höhepunkt der bisherigen M&A-Anstrengungen und gleichsam eine Erlösung und Belohnung: Die Transaktion ist vollzogen, rechtlich verbindlich, das Ziel erreicht! Oder in der Sprache des „deal fever“: Das „target“ ist gekauft, quasi „erlegt“. In der unternehmerischen Wirklichkeit ist jedoch – außer der Überweisung des Kaufbetrags – noch nichts passiert: Die eigentlichen Akquisitionsziele wie Synergierealisierung, Wertsteigerung, Markt-eintritt, Innovationsstärkung oder Portfolioerweiterung werden erst in den mühsamen Ebenen der Merger-Integration erreicht werden.
Somit ist das Closing aus Integrationssicht besser als „Opening“ zu bezeichnen, als Startschuss für eine längere, hochdynamische Periode des Lernens und Annäherns, des Ausprobierens, der möglichen Irrwege aufgrund von Missverständnissen und nicht mehr haltbaren Annahmen aus einem Business Case, der weit vor dem Closing geschrieben wurde.
2. „Kapa, Kapa, Kapa“
Managementkapazitäten – hier kurz „Kapa“ genannt – zur Produktion von Entscheidungen sind für die Bewältigung des Tagesgeschäfts bemessen. Oft jedoch wird der enorme zusätzliche Bedarf an Klärungen und Entscheidungen unterschätzt, die im Zusammenwachsen zweier vormals eigenständiger Organisationen entstehen und adressiert werden wollen.
Nicht selten verläuft die Kurve der „management attention“ genau umgekehrt: Höchste Managementaufmerksamkeit und Priorität während der Anbahnungs- und Verhandlungsphasen und oft schlagartiger Abfall des Interesses mit dem Closing. Nach dem Motto „Business does the integra-tion“ wird die Integrationsarbeit dann einer Geschäftseinheit übertragen.
Aus unserer Erfahrung bedarf es jedoch gerade in den fragilen Integrationsphasen der kontinuierlichen Begleitung und der sichtbaren Unterstützung durch das (Top-)Management, um ausreichend Orientierung, Unterstützung und Weichenstellung für die Integration geben zu können.
Abb. 1 Integration Excellence als Meta-Kompetenz
Quelle: frankfurter gruppe
3. Organisationale Integrationskompetenz frühzeitig aufbauen
Mit Merger-Integration-Exzellenz wird die Fähigkeit von Käuferunter-nehmen bezeichnet, Integrationsprojekte frühzeitig und vorausschauend zu planen, aufzusetzen und umzusetzen und dabei die dynamischen sozialen Integrationsphänomene und -prozesse, beispielsweise das „wir“ gegen „ihr“, mit hoher Einbindung, Allparteilichkeit und Akzeptanz und mit klarem Blick auf die Realisierung der eigentlichen Synergieziele zu gestalten.
Idealerweise beginnen Käuferunter-nehmen bereits weit vor einer möglichen Akquisition damit, diese Integrationskompetenz aufzubauen: Mit Integrationstrainings für die künftigen Arbeitspaket- und Projekt-leitenden sowie mit dem Aufbau der gesamtorganisationalen Integrationskompetenz.
Nach wie vor gilt, dass statistisch betrachtet etwa die Hälfte aller Merger scheitert – gemessen an den gesteckten Zielen. Die andere, erfolgreiche Hälfte ist gut vorbereitet gewesen!
4. Die Integration frühzeitig planen
Aus unserer Sicht ist der Begriff „Post Merger“ irreführend, denn die Integrationsarbeit beginnt nicht nach dem Closing, sondern viel früher, idealerweise bereits nach dem Letter of Intent, in jedem Fall spätestens mit dem Beginn der Due-Diligence-Phase.
Während das Transaktionsteam beginnt, den Business Case zu strukturieren und zu verfeinern sowie die Due-Diligence-Aktivitäten und die Verhandlungsstrategie vorzubereiten, bedarf es bereits jetzt eines designierten Integrations-Verantwortlichen, der diese frühe Phase mit dem Transaktionsteam aus der Perspektive der späteren Integration begleitet.
Dadurch entstehen einerseits wertvolle Hinweise für die Schwerpunkte der Due Diligence. Denn auch ein vermeintlicher „perfect fit“ mit Blick auf Marktposition und Umsatzsynergie kann organisationskulturell ein schwieriges Unterfangen werden. Wenn Käuferunternehmen und Zielunternehmen vormals Wettbewerber waren, wird der Umgang mit der neuen, integrierten Situation sicher nicht einfach.
Andererseits kann durch das Miterleben der Entstehungsgeschichte des Business Case die für eine erfolgreiche Integration entscheidenden Einsichten und Verständnisse gewonnen werden, um die Integrationsstrategie nach dem Closing wirksam und zielgerichtet aufzusetzen.
Aber auch der „Day 1“ braucht eine vorauslaufende Vorbereitung, damit das herzliche Willkommen auch tatsächlich so wahrgenommen wird: Als guter erster Eindruck vom Käufer-unternehmen, der anzeigt, ob es den richtigen Ton trifft, einen Plan hat und Vertrauen erwecken kann, den anstehenden Integrationsweg gemeinsam erfolgreich zu gehen.
5. Ein Merger ist immer ein Projekt
Integrationen haben im Wettbewerb zum Tagesgeschäft keine Chance: Wenn der Kunde anruft, das Produkt einen Mangel hat, wird der Integrationsworkshop verschoben oder fällt ganz aus. Damit der Mehraufwand, den eine Integration bedeutet, realistisch geleistet werden kann und die Synergieziele tatsächlich mit hoher Priorität und Ausdauer verfolgt werden, bedarf es einer eigenen, temporären Managementumgebung genau für diesen Zweck: Ein formales Integrationsprojekt – ausgestattet mit einer entscheidungsbereiten Lenkung, einer kompetenten Integrationsleitung sowie klug formatierten Arbeitspaketen, die nicht nur die funktionalen Integrationen adressieren, sondern auch auf die Realisierung der Synergieziele ausgerichtet sind.
Idealerweise sind diese wesentlichen Projektrollen doppelt besetzt, also mit Personen aus dem Käufer- sowie aus dem gekauften Unternehmen. Damit ist sichergestellt, dass die unterschiedlichen Perspektiven auf das Integrationsgeschehen gleichermaßen Berücksichtigung finden und in ein gemeinsam akzeptiertes Vorgehen münden.
6. Das Thema „Kultur“: Unternehmen sind nicht für Merger geschaffen
In Integrationsprojekten steht häufig die technische Integration im Vordergrund: Das Integrieren der Systeme und Strukturen in IT, HR oder im Vertrieb, das Anpassen der wesentlichen Leistungsprozesse und die Übernahme wichtiger Betriebsvereinbarungen und Unternehmensstandards. Die technischen Integrationsschritte sind notwendig, aber auch nicht mehr als das. Sie schaffen noch kein neues „Wir“, noch keine gemeinsame Identität.
Dennoch fahren viele Integrationsprojekte ihre Aktivitäten mit dem Erreichen der ersten technischen Meilensteine und Systemintegrationen bereits herunter. Aus unserer Sicht ist dies zu früh, denn der organisationskulturelle Merger verläuft langsamer. Unternehmenskäufe zerreißen die bisherigen Sinnzusammenhänge im Target, diese müssen erst wieder neu und gemeinsam konstruiert werden, damit Vertrauen, Leistungsbereitschaft und Zielorientierung entstehen. Damit die neuen Teams tatsächlich „aus einem Kopf“ denken und gemeinsam handeln, bedarf es vielfältiger Integrationsformate, die die Herzen, die Einstellungen und unterschiedlichen Erfahrungen thematisieren und auf neue, gemeinsame Ziele hin ausrichten.
Zusammenfassend ist unsere Botschaft an die mittelständischen M&A-Entscheider: Merger-Integrationen sind die Königsdisziplin anspruchsvoller organisationaler Veränderungsprojekte. Und mit entsprechend professioneller Vorbereitung können sie – trotz aller Herausforderungen und Risiken – gut gelingen!