Mit Werten investieren – Einblicke in die Strategie von Schauenburg International
Gespräche und Interviews mit M&A-Leitern und General Counsel: Prof. Dr. Christoph Schalast im Gespräch mit Velina Allerkamp, Schauenburg International
Prof. Dr. Christoph Schalast im Interview mit Velina Allerkamp von Schauenburg International, über Family Equity, Buy-and-Build-Strategien und kulturelle Unterschiede in der internationalen Beteiligungslandschaft.
Prof. Dr. Schalast: Frau Allerkamp, Schauenburg International ist ein eher ungewöhnlicher Investor. Entstanden aus dem bekannten Bergbauzulieferer Schauenburg, wurde das Familienunternehmen im Zuge der Nachfolge in zwei Teile aufgeteilt – einer führt das Kunststoffschlauch-Geschäft weiter, der andere agiert als Industrie-Beteiligungsgesellschaft und investiert in neue Themen sowie Innovationen.
Velina Allerkamp: Genau. Das Unternehmen wurde 1954, also vor über 70 Jahren, von Hans-Georg Schauenburg gegründet, dem Vater der beiden heutigen Eigentümer von Schauenburg Technology und Schauenburg International. Das ursprüngliche Unternehmen entstand in Mülheim und hatte schon damals Industriegüter wie Industrieschläuche und -anlagen im Fokus. Über die Jahre entwickelte sich aus diesem Kern heraus eine Vielzahl unternehmerischer Aktivitäten. Viele dieser Akquisitionen resultierten nicht aus detaillierten Strategiepapieren oder langen Targetlisten – wie man das heute aus Beratung und Banking kennt –, sondern sie kamen aus dem Netzwerk, letztendlich aus unternehmerischer Intuition. So wuchs das Unternehmen weit über sein ursprüngliches Kerngeschäft hinaus und wurde schließlich in zwei eigenständige Firmen aufgeteilt: Schauenburg Technology, die das Schlauchtechnikgeschäft weiterführt, und Schauenburg International, wo ich seit eineinhalb Jahren tätig bin. Was mich hier begeistert, ist die unternehmerische Freiheit, gepaart mit einem internationalen Netzwerk. Solche Unternehmen verdienen politische und regulatorische Unterstützung – keine Überforderung. Wir sind ein kleines Holdingteam mit großem Portfolio aus kleinen und mittelständischen Unternehmen auf drei Kontinenten. ESG-Vorgaben oder Berichtspflichten – so wichtig diese auch sind – dürfen uns und unsere ausländischen Tochtergesellschaften nicht lähmen. Unsere Unternehmen sind eigenständig, arbeiten freiwillig und gern zusammen, entwickeln neue Produkte – das ist unternehmerischer Mittelstand im besten Sinne. Das sollten wir schützen.
Prof. Dr. Schalast: Spannend ist, dass bei Schauenburg die Nachfolgethematik sehr unternehmerisch gelöst wurde durch zwei eigenständige Strategien, aber gesellschaftsrechtlich und auch durch den Approach als Familienunternehmen verbunden. Das sieht man nicht häufig. Schauenburg International bezeichnet sich dabei als „Family Equity“. Wie würden Sie das von klassischem Private Equity abgrenzen?
Velina Allerkamp: Family Equity ist im Grunde eine Form von Private Equity, aber mit anderen Grundwerten. Wir haben keine Fondsstruktur mit festen Laufzeiten und müssen deshalb nicht unter Zeitdruck verkaufen. Das ermöglicht uns, über längere Zeiträume hinweg Werte gemeinsam mit unseren Partnerunternehmen zu schaffen. Wir betrachten das Management unserer Portfoliofirmen und auch unsere anderen Stakeholder als Partner. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, diskutieren offen, suchen gemeinsam nach Lösungen – auch wenn wir mal nicht einer Meinung sind. Diese Kultur zeigt sich auch in unserem Führungsstil: Wir verstehen uns als Begleiter, nicht als Kontrolleure. In manchen Fällen sind wir operativ näher dran, in anderen weniger – das hängt vom Bedarf ab. Und ganz ehrlich: Wir sind nicht die Investoren, die um jeden Preis die letzte Nachkommastelle bei der Rendite optimieren. Uns ist unternehmerisches Denken wichtiger. Wir sind flexibler, langfristiger und aus meiner Sicht oft unternehmerischer als viele klassische PE-Häuser, die stärker an Governance und monetäre Ziele gebunden sind.
Prof. Dr. Schalast: Gleichzeitig bieten Sie aber auch Managementbeteiligungen an?
Velina Allerkamp: Ja, wir bieten Management Equity an – aber auch das handhaben wir flexibler als viele Fonds. Wenn sich in unserem Portfolio ein Managementteam ergibt, das ein spannendes Unternehmen sieht oder Zugang zu einer Gelegenheit hat, dann investieren wir gemeinsam – etwa mit einem Minderheitsanteil für das Management. Aber es ist kein Muss. Manche wollen Anteile halten, andere nicht. Wir bieten auch Phantom Shares oder andere Modelle an – je nachdem, was für das Unternehmen und die Menschen passt. Es gibt keine Standardlösung, wir entscheiden situativ.
Prof. Dr. Schalast: Das ist sicher ein Unterschied zu Private Equity, wo Beteiligungen meist strukturiert und standardisiert angeboten werden. Wie schätzen Sie Ihre Position im Deal Sourcing ein – haben Sie Vorteile gegenüber klassischen Fonds?
Velina Allerkamp: Definitiv. Zwei Punkte sind für uns entscheidend: Erstens kommen viele unserer Deals über unser Netzwerk – lange bevor Unternehmen offiziell auf dem Markt sind. Unsere Managementteams sind stark vernetzt, viele sind Marktführer in Nischenmärkten. Da kennt man sich. Unternehmer sprechen mit uns, weil sie unsere Werte schätzen. Zweitens: Wir können extrem schnell Entscheidungen treffen. Unsere Eigentümerstruktur ist sehr schlank – Florian Schauenburg, unser Gesellschafter, Aline Antweiler und ich in der Geschäftsführung. Wir brauchen keine langen Abstimmungen mit Gremien oder Investment Committees. Das bringt Tempo – nicht nur im Deal, sondern auch später in der Umsetzung.
Prof. Dr. Schalast: Mir ist aufgefallen, dass viele Ihrer Transaktionen sogenannte Add-ons sind – also Erweiterungen auf Portfolioebene. Könnte man insoweit von einer Buy-and-Build-Strategie sprechen?
Velina Allerkamp: Ganz genau. Vor allem in Nischenmärkten wie dem Bereich Safety1 & Analytics sind wir Technologieführer. Unsere Portfoliounternehmen sitzen in Nordamerika, Südafrika, Großbritannien und Deutschland – wir kennen den Markt gut, haben erfahrene Teams und hohe Integrationskompetenz. Dadurch können wir gezielt wachsen. Es ist tatsächlich eine Buy-and-Build-Strategie – aber sehr fokussiert, sehr gezielt und basierend auf echtem Branchenverständnis.
Prof. Dr. Schalast: Südafrika ist sicherlich auch kulturell ein spezieller Markt. Gibt es Besonderheiten im Vergleich zu Europa oder Nordamerika?
Velina Allerkamp: Ja, absolut. Kulturell ist Südafrika natürlich anders – aber auch regulatorisch interessant. In Sachen ESG ist Südafrika in vielen Bereichen weiter als Europa – zum Beispiel bei Diversity-Anforderungen, der Mitarbeiterentwicklung oder der CO2-Kompensation. Wenn ich unser Portfolio anschaue, dann sind unsere südafrikanischen Unternehmen führend bei ESG. Gleichzeitig arbeiten wir dort sehr erfolgreich, haben großartige Teams, ein starkes Wachstum und engagieren uns auch vor Ort gesellschaftlich. Uns geht es nicht nur um wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch darum, das Land zu unterstützen und unsere Mitarbeitenden zu fördern – das prägt die Kultur.
Prof. Dr. Schalast: Das klingt, als seien Sie von diesem Markt richtig begeistert.
Velina Allerkamp: Das bin ich auch. Es ist eine sehr inspirierende Kombination aus technologischer Reife, unglaublicher Innovationskraft, unternehmerischem Denken und gesellschaftlichem Engagement. Der südafrikanische Markt ist technologisch extrem weit, nicht nur wenn es um Sicherheitslösungen geht, sondern um Innovationen im Bereich IoT oder Smart Mining. Diese Verantwortung prägt nicht nur Südafrika, sondern auch unsere Aktivitäten in Kanada und den USA.
Prof. Dr. Schalast: Unter Ihren letzten Transaktionen interessiert mich besonders die Übernahme der deconta Holding GmbH – ein führender Full-Service-Partner und innovativer Ausrüster bei der Sanierung mit Schwerpunkt Asbest.
Velina Allerkamp: Ja, das war vor meiner Zeit, wir haben deconta von einem PE-Fonds übernommen, ein sogenanntes Secondary. Das Unternehmen ist nicht nur in der klassischen Asbestsanierung tätig, sondern entwickelt auch Lösungen für den Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahrstoffen. Diese finden Anwendung beim Katastrophenschutz sowie Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen, aber auch Militär. Das ist ein wachsender Markt, weil das Risiko allgegenwärtig ist. Wir investieren weiter, führen ein neues ERP2-System ein, bauen unseren Vertrieb aus, expandieren in neue Länder und entwickeln unsere Produktpallette weiter. Außerdem kooperiert deconta inzwischen mit einer unserer anderen Beteiligungen, mtex antenna technology, was wiederum neue Chancen eröffnet. Solche Synergien entstehen bei uns oft organisch.
Prof. Dr. Schalast: Ein anderer Familieninvestor, Viessmann, legt großen Wert auf Impact Investing. Schauenburg International scheint ebenfalls wirkungsorientiert zu investieren?
Velina Allerkamp: Wir verstehen uns nicht explizit als Impact Investor – aber unsere Werte sind so ausgerichtet, dass wir durch sinnvolle Investitionen Gutes tun. Wir investieren in zukunftsträchtige Geschäfte, handeln pragmatisch, kümmern uns um Mitarbeitende und Stakeholder. Dabei verzichten wir bewusst auf plakative ESG-Rhetorik. Wir machen es einfach – und zwar gut.
Prof. Dr. Schalast: 2023 haben Sie die Schiller Apparatebau GmbH verkauft – zusammen mit dem Geschäftsführer. Ein klassischer Exit?
Velina Allerkamp: Ja, aber bei uns läuft auch das ein wenig anders. Wir analysieren regelmäßig unser Portfolio – strategisch, nicht weil ein Exit ansteht. Bei Schiller haben wir erkannt, dass das Unternehmen nicht mehr zu unserer künftigen Ausrichtung passt. Es gab über längere Zeit Gespräche mit einem passenden Käufer. Am Ende haben wir das Unternehmen in einem unkomplizierten, bilateralen Prozess übergeben – ohne Auktionsverfahren, ohne externe M&A-Beratung. Es passte einfach.
Prof. Dr. Schalast: Schauenburg Ventures ist Ihr Venture-Capital-Arm. Sie sprechen dort offen von „disruptiven“ Strategien, die Sie bei Ihren Investments verfolgen. Was bedeutet das konkret?
Velina Allerkamp: Wir investieren in Technologien, die wir verstehen – idealerweise in sehr frühen Phasen. Start-ups, deren Lösungen potenziell für unser Portfolio nützlich sind. Wir testen Produkte, bringen sie in die Praxis, nutzen Synergien. Unsere Beteiligungen profitieren von unserem Know-how, unserem Netzwerk und von unseren Unternehmen – das schafft echten Mehrwert auf beiden Seiten.
Prof. Dr. Schalast: Frau Allerkamp, herzlichen Dank für das informative und offene Gespräch.
1 Safety beinhaltet führende Technologien im Bereich Arbeitssicherheit, Gasdetektion, Luftprobenentnahme und -analyse sowie Dichtigkeitsprüfungen
2 ERP steht für Enterprise Resource Planning. Es handelt sich dabei um eine unternehmensweite Softwarelösung, mit der sich zentrale Geschäftsprozesse steuern und organisieren lassen.