01.12.2004 | Schulze Wehninck, Rembert Bucerius, Matthias

Post-Merger-Integration: Typische Gestaltungsformen und ihre Erfolgsauswirkungen

Strategien & Visionen

Fusionen und Akquisitionen, bzw. Mergers and Acquisitions (M&A) sind im heutigen Wirtschaftsleben allgegenwärtig und stellen eine populäre Wachstumsstrategie für Unternehmen als Alternative zu einem Wachstum aus interner Entwicklung dar. Dabei sind horizontale Transaktionen branchenübergreifend die bedeutendste Gruppe der Unternehmenszusammenschlüsse.

Die mit einem Unternehmenszusammenschluss angestrebten Kosten- und Umsatzsynergien werden in der Unternehmenspraxis aber häufig nicht erreicht. Stattdessen weisen zahlreiche Veröffentlichungen und Praxisbeispiele darauf hin, dass ein Großteil aller M&A scheitert.[1] Zur zentralen Problemstellung der Unternehmenspraxis sowie der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Unternehmenszusammenschlüssen wird somit die Frage, mit Hilfe welcher Stellhebel Unternehmen den M&A-Erfolg positiv beeinflussen können.

In den mittlerweile zahlreichen Untersuchungen zum Erfolg von M&A hat sich weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Ausgestaltung des Integrationsprozesses nach Abschluss des formal-juristischen Zusammenschlusses der Schlüssel zum Erfolg des Unternehmenszusammenschlusses ist. Bisherige Studien haben gezeigt, dass diese sog. Post-Merger-Integration (PMI) oftmals durch eine stark interne Orientierung der beteiligten Unternehmen gekennzeichnet ist. So konzentrieren sich die Transaktionspartner zumeist primär auf eine Angleichung der internen Abläufe und Prozesse und vernachlässigen kundenbezogene Auswirkungen der Fusion oder Akquisition.[2] Dieser Mangel verwundert insbesondere deshalb, weil Praxiserfahrungen immer wieder darauf hinweisen, dass an einer Fusion oder Akquisition beteiligte Unternehmen Gefahr laufen, Kunden und damit Umsatzerlöse zu verlieren.

Es ergibt sich die Frage, ob in der Unternehmenspraxis typischerweise auftretende Formen der Integrationsgestaltung existieren und ob sich diese bezüglich des jeweiligen Ausmaßes an realisierten Kosten- und Umsatzsynergien unterscheiden. Um diese Frage zu beantworten, haben wir 232 horizontale M&A, die im deutschsprachigen Raum zwischen 1996 und 1999 durchgeführt wurden, untersucht.[3] Mit Hilfe einer Cluster-Analyse können wir insgesamt vier typische Gestaltungsformen der PMI identifizieren (minimale, funktionale, kundenbezogene und maximale Integration). Der Erfolgsbeitrag (also der Umfang der realisierten Umsatzund Kostensynergien) schwankt deutlich zwischen den einzelnen Gestaltungsformen.

1. Gestaltungsvariablen der

Post-Merger-Integration 1.1 Umfang der Integration

Grundsätzlich sieht sich das Management bei der Durchführung der PMI einer Vielzahl von Gestaltungsoptionen gegenüber, die das Ausmaß der durch die Fusion oder Akquisition realisierten Kosten- und Umsatzsynergien und somit den Erfolg des gesamten Unternehmenszusammenschlusses bestimmen (vgl. Abb.

1).

In einem ersten Schritt hat das Management der an der Fusion oder Akquisition beteiligten Unternehmen über den Umfang der Integration, also das Ausmaß der Angleichung von Aktivitäten, Strukturen, Prozessen und Systemen zu entscheiden.[4] Grundsätzlich können zwei Arten von Angleichungsmaßnahmen unterschieden werden. Die interne Angleichung betrifft Aktivitäten, Strukturen, Prozesse und Systeme, die für Kunden nicht direkt wahrnehmbar sind. Die externe Angleichung bezieht sich auf die Gestaltung der gemeinsamen Marktbearbeitung und ist somit für die Kunden unmittelbar sichtbar.

Bei der internen Angleichung bedarf es Integrationsentscheidungen des Managements bezüglich interner Prozesse (z.B. interne Informationsprozesse), Systeme (z.B. Informationssysteme), der Personalführung (z.B. Anreiz- und Vergütungssysteme), der Aufbauorganisation (z.B. Ansiedlung des Key-Account-Managements) und der verfolgten Strategie (z.B. Vertriebsstrategie). Eine typische Fragestellung in diesem Zusammenhang lautet beispielsweise, inwieweit es zu einer Integration der Kundendaten kommt.

Im Unterschied dazu muss das Management bei der externen Angleichung eine Vielzahl von Integrationsentscheidungen in den Bereichen Produktprogramm, Serviceangebot, Marken-, Preis- und Kommunikationspolitik treffen. So ist beispielsweise festzulegen, ob es zu einer Zusammenfassung der Leistungsangebote der beteiligten Unternehmen kommt. Ferner geht es etwa darum, unter welcher Marke/welchen Marken die Leistungen vertrieben werden.

1.2 Kundenorientierung der Integration

In der Fusions-/Akquisitionsliteratur wird immer wieder auf das Risiko einer ausgeprägten internen Orientierung während der Integrationsphase hingewiesen.[5] Als Konsequenz dieses internen Fokus sind Entscheidungen im Zuge der Angleichung ausschließlich an Unternehmensinterna (wie z.B. der Machtverteilung zwischen den Unternehmen) ausgerichtet. In der Folge laufen Unternehmen Gefahr, kundenbezogene Auswirkungen von Entscheidungen während der Integrationsphase zu vernachlässigen mit letztlich negativen Folgen für die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung.

Vor diesem Hintergrund betrachten wir als weitere Gestaltungsvariable die Kundenorientierung der Integration. Diese bezeichnet das Ausmaß, in dem kundenbezogene Überlegungen maßgeblich für Entscheidungen sowohl der internen als auch der externen Angleichung sind. Kundenbedürfnisse sind beispielsweise dann berücksichtigt, wenn Entscheidungen an dem Ziel orientiert sind, zusätzlichen Kundennutzen zu schaffen und weniger daran, die Kosten der Kundenbetreuung zu reduzieren. Eine ausgeprägte Kundenorientierung der Integration kann beispielsweise dazu führen, dass eine Harmonisierung der Produktprogramme der beteiligten Unternehmen nicht in dem Maße durchgeführt wird, wie es eine maximale Kostensynergierealisierung verlangen würde.

1.3 Einbindung der Mitarbeiter

Nachdem wir uns bisher mit der internen und externen Angleichung sowie der Kundenorientierung der Angleichung befasst haben, geht es im folgenden um die Gestaltung von Mitarbeiterbeziehungen während der PMI. Zahlreiche Studien belegen, dass es im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen zur Entstehung von Unsicherheit bei Mitarbeitern aller Hierarchieebenen hinsichtlich möglicher organisatorischer und persönlicher Veränderungen kommt. Diese Verunsicherung ist Ursache für eine ganze Reihe negativer Mitarbeiterreaktionen auf M&A wie z.B. Produktivitätsrückgänge, Anstieg von Abwesenheitszeiten und Fluktuationsraten und somit ein maßgeblicher Grund für das Scheitern zahlreicher Transaktionen.

Die von den negativen Mitarbeiterreaktionen ausgehenden Gefahren für den Fusions-/Akquisitionserfolg sind dabei im Marketing- und Vertriebsbereich besonders ausgeprägt, da sich durch den direkten Kundenkontakt einzelner Mitarbeiter die interne Unsicherheit negativ auf die Kundenbeziehung auswirken kann.5

Die Einbindung der Mitarbeiter in den Integrationsprozess gilt als primäres Mittel um der Verunsicherung und den damit verbundenen negativen Reaktionen entgegenzuwirken. Das Management der beteiligten Unternehmen hat demnach darüber zu entscheiden, in welchem Ausmaß die Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen mit Aufgaben im Rahmen des Prozesses der Integrationsgestaltung betraut werden sollen. Von der Mitarbeitereinbindung kann dabei neben der unsicherheitsreduzierenden auch eine motivierende Wirkung ausgehen, die sich wiederum positiv auf die Akzeptanz der Angleichungsentscheidungen und damit vorteilhaft auf deren Umsetzungseffizienz auswirkt.

1.4 Umfang der Kundenkommunikation

Ebenso wie der Gestaltung von Mitarbeiterbeziehungen bedarf es im Zuge der PMI einer aktiven Gestaltung von Kundenbeziehungen. Analog zu Mitarbeitern, führen M&A auch bei Kunden zu einer Verunsicherung. Diese Unsicherheit resultiert dabei vor allem aus der mangelnden Information der Kunden im Hinblick auf mögliche Veränderungen der Produkte/Serviceleistungen, der Preise sowie der Kundenbetreuung. Häufige Kundenreaktionen auf die Verunsicherung sind Kaufzurückhaltung und/oder Abwanderung mit letztlich negativen Auswirkungen auf den M&A-Erfolg.

Diese negativen Auswirkungen werden noch verstärkt, wenn Wettbewerber die Kundenunsicherheit während der Integrationsphase dazu nutzen, Kunden abzuwerben. Prominentestes Beispiel hierfür ist sicherlich die letztlich gescheiterte Fusion zwischen der Deutschen Bank und der Dresdner Bank.

Zwischen Ankündigung der Fusion und der Entscheidung, diese nicht durchzuführen, hatten Wettbewerber bereits zahlreiche Kunden abgeworben.

Eine zentrale Möglichkeit der Unsicherheitsreduktion ist die Kundenkommunikation. Das Integrationsmanagement sieht sich folglich der Entscheidung gegenüber, wie intensiv mit den Kunden über etwaige Veränderungen hinsichtlich der Leistungs-, Preis- und Betreuungsgestal tung im Zuge der Fusion oder Akquisition kommuniziert werden soll.

2. Variablen des Fusions-/Akquisitionserfolgs

Nachdem wir im vorherigen Abschnitt auf die Gestaltungsvariablen der PMI eingegangen sind, geht es nun um die Variablen, anhand derer der Fusions-/Akquisitionserfolg beurteilt werden kann. Wir greifen in diesem Zusammenhang auf zwei in der Fusions-/Akquisitionsforschung weit verbreitete Größen zurück, die auch in der Unternehmenspraxis zumeist zur Beurteilung des Erfolgs einer Transaktion herangezogen werden: Kosten- und Umsatzsynergien (vgl. Abb. 1).

Kostensynergien entstehen im Zuge der Fusion oder Akquisition aufgrund von Skaleneffekten (Economies of Scale) und Verbundeffekten (Economies of Scope). Der Umfang der Kostensynergien wäre gleich Null, wenn die Kosten des Gesamtunternehmens nach der Fusion bzw. Akquisition der Summe der Kosten beider Unternehmen vor der Transaktion entsprechen würden.

Umsatzsynergien ergeben sich durch Cross-Selling oder Bundling-Angebote auf Basis eines breiteren Produkt-/ Serviceangebots.[6] Umsatzsynergien durch Cross-Selling können beispielsweise erreicht werden, wenn die Außendienstmitarbeiter nach der Fusion jeweils die Produkte beider Fusionspartner vertreiben. Umsatzsynergien durch Bundling lassen sich erreichen, wenn im Zuge der PMI Einzelleistungen beider Unternehmen zu Leistungspaketen kombiniert werden. In unserer Untersuchung messen wir die Umsatzsynergien als das Ausmaß der Veränderung des Marktanteils der beiden beteiligten Unternehmen nach der Fusion bzw. Akquisition gegenüber der Summe der jeweiligen Einzelmarktanteile vor dem Zusammenschluss.

3. Gestaltungsformen der Post-Merger-Integration in der Praxis

Zur Identifikation typischer Gestaltungsformen der PMI in der Unternehmenspraxis wurde im Jahr 2002 eine schriftliche Befragung bei insgesamt 232 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. Die Stichprobe setzt sich etwa zu gleichen Teilen aus M&A zwischen produzierenden Unternehmen (Maschinenbauindustrie, Lebensmittelindustrie, Pharmaindustrie und Chemieindustrie) sowie M&A zwischen Dienstleistern (Finanzdienstleister und Verlagsdienstleister) zusammen.

Diese empirische Studie bildet die Basis für die Durchführung einer Clusteranalyse anhand derer die in der Praxis typischerweise auftretenden Integrationsgestaltungsformen identifiziert werden konnten.

Insgesamt zeigen die empirischen Ergebnisse, dass in der Unternehmenspraxis vier eindeutig abgrenzbare, typische Formen der Integrationsgestaltung existieren (vgl. Abb. 2). Die beschriebenen Gestaltungsvariablen der Integration werden somit nicht isoliert eingesetzt, sondern treten in typischen Gestaltungsformen kombiniert auf.

Dieses Resultat bestätigt Gerpott, der auf Basis seiner empirischen Studie schlussfolgert, dass "Unternehmen bestimmte Integrationsgestaltungs-Verhaltensmuster aufweisen"[7].

Die vier Gestaltungsformen unterscheiden sich dabei auf den fünf Gestaltungsdimensionen signifikant voneinander. Lediglich bei der Gestaltungsvariable "Einbindung der Mitarbeiter" zeigt sich, dass bei allen Gestaltungsformen (mit Ausnahme der minimalen Integration) zu einem gewissen Maße Mitarbeiter in den Prozess der Integrationsgestaltung einbezogen werden. Dieses empirische Ergebnis zeigt, dass der in der Literatur ausführlich beschriebenen Problematik der Mitarbeiterunsicherheit im Rahmen der PMI auch in der Praxis eine besondere Bedeutung beigemessen wird.

Im Folgenden wollen wir die vier verschiedenen Gestaltungsformen der Integration kurz einzeln beschreiben und im Anschluss hinsichtlich ihres Erfolgsbeitrags analysieren.

3.1 Gestaltungsform 1: Minimale Integration

Die Gestaltungsform minimale Integration ist dadurch gekennzeichnet, dass das Management nur sehr wenige Zusammenführungsaktivitäten durchführt.

Eine leistungswirtschaftliche Verflechtung der beiden Unternehmen findet weder im internen noch im externen Bereich statt. Die beteiligten Unternehmen bleiben demnach weitgehend unverändert bestehen. Aspekte der Unsicherheitsreduktion von Mitarbeitern und Kunden bleiben im Wesentlichen unberücksichtigt, was sich in der geringen Intensität der Kundenkommunikation und einem eher geringen Ausmaß der Mitarbeitereinbindung zeigt.

3.2 Gestaltungsform 2: Funktionale Integration

Die Gestaltungsform der funktionalen Integration ist gekennzeichnet durch eine starke Fokussierung des Managements auf die Angleichung der internen Aktivitäten, Strukturen, Prozesse und Systeme sowie der externen Marktbearbeitung. Mitarbeiter werden dabei intensiv in den Angleichungsprozess eingebunden. Auf eine Kommunikation mit den Kunden über fusions- bzw. akquisitionsbedingte Veränderungen wird demgegenüber allerdings weitgehend verzichtet. Auch eine Berücksichtigung von potenziellem Kundennutzen oder Schaden der Integrationsaktivitäten findet im Rahmen der Integrationsgestaltung kaum statt. Dies zeigt sich an dem eher geringen Ausmaß der Kundenorientierung während der Integration.

3.3 Gestaltungsform 3: Kundenbezogene Integration

Die Integrationsentscheidungen des Managements von Unternehmenszusammenschlüssen der Gestaltungsform kundenbezogene Integration orientieren sich in hohem Maße an den Kundenbedürfnissen. Im Unterschied zur funktionalen Integration werden die Entscheidungen über die externe und interne Angleichung von dem Ziel der Schaffung zusätzlichen Kundennutzens geleitet und interessanterweise führt dies lediglich zu einem mittleren Umfang der internen und einem eher geringen Umfang der externen Angleichung. Offensichtlich gehen Unternehmen dieser Gestaltungsform davon aus, dass eine zu starke Verzahnung der Produkt- und Serviceprogramme, der Marken-, Preis- und Kommunikationspolitik aber auch der internen Prozesse und Strategien langfristig keinen zusätzlichen Kundennutzen schafft, sondern stattdessen sogar negative Reaktionen der Kunden erwarten lässt. Die starke Kundenorientierung äußert sich auch darin, dass das Management während der PMI intensiv mit den Kunden über für sie relevante Fragestellungen kommuniziert.

3.4 Gestaltungsform 4: Maximale Integration

Die vierte typische Gestaltungsform der Integration, die maximale Integration, ist dadurch gekennzeichnet, dass für alle Gestaltungsvariablen die höchsten Werte erreicht werden. Ähnlich den beiden zuvor beschriebenen Gestaltungsformen sind auch bei der maximalen Integration eine Vielzahl von Mitarbeitern in den Angleichungsprozess involviert. Darüber hinaus wird mit den Kunden der beteiligten Unternehmen im Verlauf des Integrationsprozesses intensiv kommuniziert.

Bemerkenswertes Charakteristikum dieser Gestaltungsform ist, dass die beteiligten Unternehmen trotz einer starken Orientierung der Integrationsentscheidungen an den Kundenbedürfnissen ihre Marktbearbeitung sowie ihre internen Aktivitäten, Prozesse, Systeme und Strukturen nahezu vollständig harmonisieren.

4. Erfolgsbeitrag der verschiedenen Gestaltungsformen

Zur Bewertung der vier identifizierten Formen der Integrationsgestaltung vergleichen wir den Erfolg, also das Ausmaß der realisierten Kosten- und Umsatzsynergien, der einzelnen Gestaltungsformen (vgl. Abb. 3).

Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass signifikante Erfolgsunterschiede zwischen den identifizierten Integrationsgestaltungsformen existieren. Das Management der beteiligten Unternehmen kann somit durch seine Entscheidung für eine bestimmte Form der Integrationsgestaltung den Erfolg des gesamten Unternehmenszusammenschlusses beeinflussen. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass sich die gleichzeitige Realisierung von Kosten- und Umsatzsynergien durch M&A nicht grundsätzlich ausschließen. So gelingt es bei der kundenbezogenen und der maximalen Integration, sowohl Kostenals auch Umsatzsynergien in einem erheblichen Umfang zu realisieren. Im Folgenden wollen wir auf den Erfolg der einzelnen Gestaltungsformen eingehen.

4.1 Gestaltungsform 1: Minimale Integration

Als Konsequenz des nahezu vollständigen Verzichts des Managements auf Zusammenführungsaktivitäten gelingt es den beteiligten Unternehmen weder, die Kosten deutlich zu senken, noch den Marktanteil gegenüber der Situation vor dem Zusammenschluss zu steigern. Hinsichtlich des Marktanteils ist sogar ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Die alleinige Existenz von Synergiepotenzialen bei M&A reicht somit zur Realisierung von Wertsteigerungen offensichtlich nicht aus. Vielmehr verlangt deren Nutzung aktive Zusammenführungsaktivitäten des Managements. Dieses Ergebnis bestätigt unsere eingangs erwähnte Erkenntnis, dass der Erfolg eines Unternehmenszusammenschlusses in hohem Maße von der Gestaltung der PMI abhängt.

4.2 Gestaltungsform 2: Funktionale Integration

Aufgrund der starken internen und externen Angleichung kommt es bei der funktionalen Integrationsgestaltung zu Redundanzen zwischen den beteiligten Unternehmen, die vom Management bewusst zur Reduktion der betrieblichen Ressourcen (wie z.B. der Anzahl von Produkten, Marken, Vertriebsstandorten und/oder Mitarbeitern) und damit zur Kostenreduktion genutzt werden. Im Vergleich zur Gestaltungsform minimale Integration können wir feststellen, dass Kostensynergien vor allem durch die Angleichung der externen und internen Aktivitäten, Strukturen und Prozesse der beteiligten Unternehmen erzeugt werden. Jedoch gelingt es den M&A, die funktional integrieren, nicht, ihren Marktanteil gegenüber der Ausgangssituation zu erhöhen. Auch in diesem Fall ist ein leichter Marktanteilsrückgang zu verzeichnen. Das Management dieser Gestaltungsform verzichtet auf eine intensive Kundenkommunikation ebenso wie auf eine ausgeprägte Kundenorientierung. Damit können wir zeigen, dass für die Realisierung von Umsatzsynergien eine rein kostenfokussierte, interne Integrationsgestaltung, die keinen klaren und dauerhaften Zusatznutzen für die Kunden generiert, offensichtlich nicht ausreicht.

4.3 Gestaltungsform 3: Kundenbezogene Integration

Die vom Management dieser Gestaltungsform bewusst erzeugte geringe leistungswirtschaftliche Verflechtung der beteiligten Unternehmen spiegelt sich unmittelbar in dem niedrigen Umfang der realisierten Kostensynergien wieder. Gleichzeitig gelingt es diesen M&A aber, ihren Marktanteil im Vergleich zu den anderen Gestaltungsformen am deutlichsten zu steigern.

Dieses empirische Ergebnis erlaubt zwei Schlussfolgerungen: Zum einen kann eine an den Kundenbedürfnissen ausgerichtete, maßvolle Angleichung der Marktbearbeitung und der internen Prozesse zu einer gleichzeitigen Erzie lung von Kosten- und Umsatzsynergien beitragen. Zum anderen reduziert eine intensive Kommunikation mit den Kunden während der Integration die bestehende Kundenunsicherheit und hat in der Folge einen positiven Effekt auf die Kundenbindung. Dieses Ergebnis zeigt, welch große Bedeutung der Kundenorientierung der Integration sowie der Kundenkommunikation während der Integration für den Fusions- bzw. Akquisitionserfolg zukommt.

4.4 Gestaltungsform 4: Maximale Integration

Die nahezu vollständige Harmonisierung der Marktbearbeitung sowie der internen Aktivitäten, Prozesse, Systeme und Strukturen führt im Vergleich zu den anderen Gestaltungsformen zu den höchsten realisierten Kostensynergien. Erstaunlich ist, dass die Steigerung des Marktanteils trotz der stärkeren Kundenorientierung und trotz der ebenso intensiven Kundenkommunikation hinter der Marktanteilsentwicklung der Gestaltungsform kundenbezogene Integration zurückbleibt. Offensichtlich hat eine starke externe und interne Angleichung der beteiligten Unternehmen auch negative Effekte auf das Ausmaß der realisierten Umsatzsynergien.

Ursächlich hierfür könnte sein, dass die starke Angleichung der beteiligten Unternehmen oftmals zu einer insgesamt reduzierten Anzahl an Marken, Produktvarianten, Serviceleistungen und/oder Vertriebskanälen führt. Aus Unternehmenssicht verringert sich dadurch die Anzahl der Kunden/Kundensegmente, auf deren spezielle Bedürfnisse das Leistungsangebot ausgerichtet ist. Dies wiederum kann in der Konsequenz dazu führen, dass das Angebot für einige Kunden nicht mehr "attraktiv" ist, was letztlich zu einem Verlust von Kunden und damit zu einer Reduktion des Marktanteils führt.

Anders als bei der Gestaltungsform funktionale Integration fallen die Marktanteilsveränderungen bei der maximalen Integration bedingt durch eine intensive Kundenkommunikation und eine hohe Kundenorientierung der Integration insgesamt noch positiv aus.

5. Zusammenfassung

Insgesamt haben wir auf Basis der empirischen Untersuchung von 232 horizontalen M&A vier grundlegende Gestaltungsformen der PMI abgeleitet.

Diese Gestaltungsformen unterscheiden sich dabei signifikant in ihren Auswirkungen auf den Fusions-/Akquisitionserfolg. Zusammenfassend lässt sich somit konstatieren, dass das Management der sich zusammenschließenden Unternehmen durch die Gestaltung der PMI einen großen Einfluss auf den Erfolg des gesamten Unternehmenszusammenschlusses hat.

Unsere empirischen Ergebnisse zeigen, dass neben den bislang zumeist im Vordergrund stehenden unternehmensinternen Gestaltungsvariablen der Integration vor allem auch markt- und kundenbezogene Faktoren einen erheblichen Einfluss auf den Fusions- bzw. Akquisitionserfolg haben.

Kostensynergien werden im Rahmen von M&A vor allem über eine starke Angleichung der internen Aktivitäten, Strukturen, Prozesse und Systeme sowie der Marktbearbeitung der beteiligten Unternehmen realisiert.

Umsatzsynergien ergeben sich vor allem durch die Schaffung zusätzlichen Kundennutzens und durch die Vermeidung negativer Kundenreaktionen auf den Unternehmenszusammenschluss. Unternehmen, deren zentrales Motiv für die Fusion bzw. Akquisition die Realisierung von Kostensynergien ist, sollten sich bewusst sein, dass eine starke Angleichung auch zu negativen Kundenreaktionen führen kann. Dies kann sich in rückläufigen Marktanteilen niederschlagen, die den Vorteil der Kostenersparnis ggf. sogar überkompensieren. Die gleichzeitige Realisierung von Markt- und Kostensynergien ist dabei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern kann über eine differenzierte, an den Kundenbedürfnissen orientierte Integrationsgestaltung realisiert werden.

Unzweifelhaft ergeben unsere empirischen Ergebnisse, dass das Management eines Unternehmenszusammenschlusses, auch bei starker Fokussierung auf die Realisierung von Kostensynergien, im Verlauf des Integrationsprozesses intensiv mit den Kunden über deren relevante Fragestellungen kommunizieren sollte. Weiterhin sollten Integrationsentscheidungen verstärkt auf den mit ihnen verbundenen Kundennutzen bzw. -schaden hinterfragt werden. Durch eine verstärkte Berücksichtigung von markt- und kundenbezogenen Aspekten im Zuge der PMI-Gestaltung können Unternehmen die Erfolgsquote von M&A deutlich steigern.

(Fußnoten:)

* Autorenkontakt: matthias.bucerius@merck.de

[1] Vgl. u.a. Picot, G. (2000), Gestaltung von Mergers & Acquisitions. In: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 4, S. 348.

[2] Vgl. Homburg, Ch., Bucerius, M. (2004), Marktorientierte Post Merger Integration, M&A Review, S. 153 ff.

[3] Die empirische Studie wurde im Jahr 2002 am Institut für Marktorientierte Unternehmensführung der Universität Mannheim durchgeführt.

[4] Vgl. Homburg, Ch., Bucerius, M. (2000), Kundenbindung bei Fusionen und Akquisitionen: Gefahren und Erfolgsfaktoren, Arbeitspapier Nr. M 51, Reihe Management Know-How, Institut für Marktorientierte Unternehmensführung, Universität Mannheim.

[5] Vgl. Bucerius, M. (2004), Marketing-Integration nach Fusionen und Akquisitionen, Wiesbaden.

[6] Vgl. Homburg, Ch./Schäfer, H. (2002), Die Erschließung von Kundenpotenzialen durch Cross-Selling: Konzeptionelle Grundlagen und empirische Ergebnisse. In: Marketing - Zeitschrift für Forschung und Praxis, 24.

[7] Gerpott, T. (1993), Integrationsgestaltung und Erfolg von Unternehmensakquisitionen, Stuttgart 1993, S. 501.

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