Steuerrecht im Wandel: Restriktive Steuertrends aus M&A-Sicht
Deutschland nimmt bei der Unternehmenssteuerbelastung mit rund 30% international nach wie vor eine Spitzenposition ein. Statt grundlegender Reformen zu einem wettbewerbsfähigeren Steuerrecht und entsprechender Attraktivkraft für Fachkräfte und Investoren fokussiert sich die Steuerpolitik auf mutmaßliche Steuervermeidung. Anstatt Anreize für Investitionen und Arbeitsplätze zu schaffen (wie etwa in den USA mit dem Subventionsprogramm des Inflation Reduction Act), werden komplexe Regularien verfolgt, deren Zweck und Aufkommensertrag bestenfalls fragwürdig sind. Weitere Verschärfungen drohen aufgrund der fortschreitenden Europäisierung des Steuerrechts. Insbesondere die geplante Einführung der sogenannten „globalen Mindeststeuer“ entpuppt sich immer mehr als ein unzähmbares Regelmonster. Diese Restriktionen erfassen zunehmend auch M&A-Aktivität.
1. Einleitung
Deutschland nimmt bei der Unternehmenssteuerbelastung mit rund 30% international nach wie vor eine Spitzenposition ein. Statt grundlegender Reformen zu einem wettbewerbsfähigeren Steuerrecht und entsprechender Attraktivkraft für Fachkräfte und Investoren fokussiert sich die Steuerpolitik auf mutmaßliche Steuervermeidung. Anstatt Anreize für Investitionen und Arbeitsplätze zu schaffen (wie etwa in den USA mit dem Subventionsprogramm des Inflation Reduction Act), werden komplexe Regularien verfolgt, deren Zweck und Aufkommensertrag bestenfalls fragwürdig sind. Weitere Verschärfungen drohen aufgrund der fortschreitenden Europäisierung des Steuerrechts. Insbesondere die geplante Einführung der sogenannten „globalen Mindeststeuer“ entpuppt sich immer mehr als ein unzähmbares Regelmonster. Diese Restriktionen erfassen zunehmend auch M&A-Aktivität.
2. Globale Mindeststeuer
Nach der weltweiten Einigung zwischen rund 140 Staaten über eine globale Mindeststeuer für Unternehmensgewinne in Höhe von 15% in 2021 verabschiedete die EU im Dezember 2022 eine entsprechende Richtlinie. Andere Wirtschaftsnationen außerhalb der EU (insb. die USA) setzen die globale Mindeststeuer bisher nicht um, wodurch das Ziel eines Level Playing Fields gefährdet wird. Zur Umsetzung der Richtlinie wurde in Deutschland kürzlich ein Diskussionsentwurf veröffentlicht.
Bisher kaum absehbar sind die Auswirkungen der ab 2024 geltenden Mindeststeuer. Diese betrifft sogenannte Multinational Entities (MNEs) mit einem Gruppenumsatz von mindestens 750 Mio. EUR. Hierbei kann es etwa zu dem kuriosen Ergebnis kommen, dass eine hoch besteuerte deutsche Konzerngesellschaft für eine niedrig besteuerte ausländische Gruppengesellschaft einer zusätzlichen Ergänzungssteuer unterliegt. Zudem bestehen weitreichende Reporting-Pflichten, wonach dem deutschen Fiskus Gruppentransaktionen auf der ganzen Welt detailliert offengelegt werden müssen. Diese Pflichten gelten zusätzlich zu den bisher bereits bestehenden steuerlichen Reportingpflichten.
Für Unternehmen und Verwaltung stellt sich die Aufgabe, die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Reportingpflichten machen nur Sinn, wenn der Report auch ausgewertet wird. Die Preisgabe weltweiter Steuergeheimnisse und gegebenenfalls auch Betriebsgeheimnisse ist ein erheblicher Eingriff für Unternehmen und nicht einfach nur „nice to have“ für die Finanzbehörden. So hat der EuGH an anderer Stelle bereits die Interessen des Steuer-pflichtigen und sein Verhältnis zum Berater als besonders schutzwürdig eingestuft: Nach Ansicht des EuGH verstößt die Richtlinie zu DAC6-Reportingpflichten teilweise gegen die EU Grundrechts-Charta.
Im M&A-Kontext wird die globale Mindeststeuer insbesondere bei Reorganisationen, Anteilserwerben und Joint Ventures eine Rolle spielen.
3. Registerbesteuerung
Ein weiterer restriktiver Steuertrend stellt die sogenannte Registerbesteuerung dar. Hier geht es um die Frage, ob Deutschland Lizenzen und Veräußerungen zwischen zwei ausländischen Gesellschaften besteuern darf. Die einzige Verbindung zu Deutschland (sog. Nexus) besteht bei diesen Registerfällen darin, dass ein Teil der übertragenen IP-Rechte (Marken oder Patente) im Inland eingetragen ist. Im M&A-Kontext ist dies insbesondere bei der Übertragung von IP oder Lizenzierungen post-closing denkbar.
2020 kündigte die Finanzverwaltung an, dass seit fast 100 Jahren bestehende Regelungen erstmalig für Zeiträume ab 2013 zu einer Besteuerung führen sollten. Die betroffenen Unternehmen waren schockiert – mit einer solchen Anwendung hatte zuvor niemand gerechnet. Trotz offensichtlicher rechtlicher Bedenken gegen diese rückwirkende Anwendung war bei betroffenen Transaktionen zunächst zu überlegen, ob Steuererklärungen oder -anmeldungen oder gar ein Steuereinbehalt notwendig waren. Hilfreiche Guidance der Finanzverwaltung lag nicht vor. Wie sollte etwa in einem weltweiten IP-Portfolio der Wert der rein inländischen Marken oder Patente ermittelt werden? Sollte eine separate Purchase Price Allocation bzw. Lizenzgebühraufteilung nur für diese Rechte erfolgen? Mussten Transaktionen für alle offenen Jahre in der Vergangenheit nochmals überprüft werden?
Der Gesetzgeber hat nun reagiert und im Jahressteuergesetz 2022 den Anwendungsbereich deutlich eingeschränkt. Die Registerbesteuerung wurde hierin für alle offenen Fälle zwischen fremden Dritten für die meisten Fälle abgeschafft. Weshalb diese Kehrtwende erst nach knapp zweieinhalb Jahren und immensem Aufwand für Unternehmen möglich war, wird ein Rätsel bleiben. Im Nachhinein bestätigte sich das Setzen von Schwerpunkten unter Berücksichtigung der Ziele des Gesetzes aber auch der Rechte des Steuerpflichtigen. Sofern Unternehmen die Steuer in diesen Fällen zahlten, zahlten sie auf eine im Nachhinein abgeschaffte Steuer.
Für konzerninterne Lizenzierungen soll die Registerbesteuerung allerdings bestehen bleiben. In Fällen, in denen der Veräußerer beziehungsweise Lizenzgeber nicht in einem Staat ansässig ist, mit dem ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, soll es zu einer Quellensteuer in Höhe von 15,825% kommen.
4. Substanzanforderungen
Zunehmend in den Fokus geraten auch verschärfte Substanzanforderungen, insbesondere im Zusammen-hang mit ausländischen Holding- oder Finanzierungsgesellschaften.
Hierdurch sollen als missbräuchlich angesehene Gestaltungen verhindert werden, bei denen eine Gesellschaft aus steuerlichen Gründen einbezogen wird. Selbst in klaren Entlastungsfällen in denen Gesellschaften zahlreiche Arbeitnehmer haben, wird die Substanz hinterfragt. Regelmäßig dauert es ein bis zwei Jahre, bis Freistellungs- oder Erstattungsanträge bearbeitet werden.
Weitere Verschärfungen drohen durch eine geplante EU-Richtlinie (Unshell-Directive) zur Bekämpfung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke. Der Richtlinienvorschlag soll sicherstellen, dass in der EU ansässige Unternehmen Steuervorteile nur bei ausreichender Wirtschaftstätigkeit in Anspruch nehmen können. Der Richtlinienentwurf soll nach der Annahme durch die Mitgliedstaaten am 1.1.2024 in Kraft treten.
Gerade beim Aufsetzen einer Erwerbsstruktur sollten die Substanzerfordernisse beziehungsweise möglichen zeitlichen Verzögerungen berücksichtigt werden.
5. Fazit
Die zunehmend restriktive Steuerpolitik fokussiert sich auf Missbräuche, Verhinderung von internationalem Steuerwettbewerb und Offenlegungspflichten seitens der Steuerpflichtigen.
Der Gesetzgeber sollte das Augenmerk auf volkswirtschaftlich gewünschte Aktivitäten legen und entsprechende Attraktivkraft für ausländische Fachkräfte und Investoren zu schaffen. Denkbar wären günstigere Besteuerungskonzepte für Forschung und Entwicklung oder für bestimmte Investitionen. Die geplante steuerliche Begünstigung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen im sogenannten Zukunftsfinanzierungsgesetz ist im internationalen Vergleich nicht ausreichend.
Hierzu gehört auch ein effizientes Steuerverfahren. Deutliche Fortschritte bei der Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens und weitere Schritte zur Beschleunigung der Betriebsprüfung sind ebenso unverzichtbar.