18.06.2024

Unternehmen auf die Reise mitnehmen

In Zeiten multipler Herausforderungen sind auch die Finanzierungsprozesse für Unternehmen anspruchsvoller
geworden. Worauf es ankommt, dass Finanzierung und damit Investitionen Fahrt aufnehmen, darum ging es bei
einer Diskussionsrunde beim diesjährigen BM&A Mittelstandstag.

Special Topic

In Zeiten multipler Herausforderungen sind auch die Finanzierungsprozesse für Unternehmen anspruchsvoller
geworden. Worauf es ankommt, dass Finanzierung und damit Investitionen Fahrt aufnehmen, darum ging es bei
einer Diskussionsrunde beim diesjährigen BM&A Mittelstandstag.

Mittelständische Unternehmen müssen sich derzeit mit so vielen Herausforderungen auseinandersetzen wie selten zuvor. Von daher lag es nahe, beim diesjährigen BM&A Mittelstandstag das Thema Zukunftssicherung des deutschen Mittelstands in den Blick zu rücken. Die Besucher der Veranstaltung „Shift & Change 2024“ tagten in den Konferenzräumen der Stadtsparkasse Düsseldorf. Der Bundesverband Mergers & Acquisitions (BM&A) konnte hochkarätige Diskussionsteilnehmer und Keynote Speaker gewinnen, unter ihnen der Digitalunternehmer Sascha Lobo. In den Panels ging es um Themen wie Automatisierung & Digitalisierung, Innovation sowie Wachstum & Finanzierung – letzteres ein Thema, das natürlich bei der gastgebenden Stadtsparkasse Düsseldorf einen hohen Stellenwert hat.

Im einführenden Statement zu dem Panel fasste Thorsten Schneider, Bereichsleiter Debt Advisory & Treasury Services beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Grant Thornton, die aktuellen Herausforderungen für den Mittelstand in prägnanten Worten zusammen: schwache Konjunktur, Folgen der Corona-Krise, hohe Energiepreise, Zulieferer-Krise, zunehmende Zahl von Insolvenzen, hohes Zinsniveau, verhaltene Investitionen und ein zurückhaltender M&A-Markt. Einen aus all dem folgenden Rückgang des Kreditneugeschäfts zeigte Schneider anhand aktueller Zahlen auf.

Sind Banken bei der Kreditvergabe restriktiver geworden? Diese Frage des Moderators Karl-Christian Bay beantwortete Henrietta Six, Vorstandsmitglied der Stadtsparkasse Düsseldorf, eindeutig: „Das kann ich für uns so nicht bestätigen. Wir vergeben weiterhin Kredite.“ Es gehöre zum „genetischen Fingerabdruck der Sparkassen, den Mittelstand zu fördern“. Trotz der veränderten Rahmenbedingungen passe die Sparkasse ihre Risikostrategie nur geringfügig an. So müsse sie in Folge des gestiegenen Zinsniveaus mit höheren Zinssätzen zur Prüfung der Kapitaldienstfähigkeit kalkulieren.

Unter den gegebenen Bedingungen spiele die richtige Finanzierung von Investitionen wieder eine größere Rolle als zu den Null-Zins-Zeiten, betonte die Firmenkundenexpertin der Sparkasse. Es komme nun wieder stärker auf ein gutes Zusammenspiel von Wirtschaft, Finanzökonomie und Politik an. „Hier haben wir allesamt tatsächlich noch Potenzial; einander zuzuhören, Verständnis für die jeweils andere Seite zu haben und gemeinschaftlich an einem Strang zu ziehen.“ Wenn das gelinge, „werden wir Wohlstand in Deutschland auch halten und Mauern zwischen Politik, Wirtschaftsunternehmen und Arbeitnehmern einreißen können“.

Finanzierung wird durchaus komplexer. Bei Spezialsituationen arbeiten Banken auch mit Kreditfonds-Gesellschaften wie der ELF Capital Group zusammen, wie Gründungspartner Christian Fritsch beim Panel beschrieb. In diesem Zu-sammenspiel kommt auch der staatlichen Förderung eine wichtige Rolle zu. Die Stadtsparkasse Düsseldorf wirke hier vermittelnd, erklärt Henrietta Six: „Unser Anspruch ist es, den bestmöglichen Finanzierungsmix für die jeweilige Investition unserer Kunden zu strukturieren und anzubieten.“ Dabei spielen auch Zuschüsse und Fördermittel eine Rolle. „Das notwendige Fach-Know-how hierfür stellen unsere Spezialisten für Investitionsfinanzierungen aus der

Abteilung Strukturierte Finanzierungen heraus sicher“, betont Six. Die Komplexität habe allerdings zugenommen; die Firmenkundenexpertin nimmt einen „dichter werdenden Förderdschungel an Kreditprogrammen und Zuschüssen“ wahr. So komme es manchmal zu Komplikationen, oder Fördertöpfe seien innerhalb kürzester Zeit ausgeschöpft. „Deshalb versuchen wir immer, einen Plan B in der Hinterhand zu haben.“

Christoph Büth, Bereichsleiter Eigenkapitalfinanzierungen beim Förderinstitut NRW.BANK, ermunterte Unternehmen zu mehr Mut, Förderungen in Anspruch zu nehmen. Bei den Banken erkennt er die Bereitschaft, Kredite zu vergeben, aber aus den Unternehmen fehlten die Anträge dafür. Es werde derzeit weniger investiert, etwa in die Transformation in Richtung Klimaneutralität. Die notwendigen Mehrinvestitionen in Klimaschutz werden auf bis zu 55 Milliarden Euro im Jahr geschätzt. Die Unternehmen würden derzeit aber nur die Hälfte dessen umsetzen, sagte Büth.

Über den Klimaschutz hinaus ist das Thema ESG ja derzeit für Wirtschaft und Industrie von entscheidender Bedeutung. Dass hieraus durchaus auch Wachstumsimpulse entstehen, zeigte Niklas Herting, Group CFO bei der STI Group, anhand der Unternehmensentwicklung auf. STI stellt nachhaltige, innovative Verpackungen und Displays aus Karton und Wellpappe her. Nachhaltigkeit stelle für die Unternehmensgruppe die größte Chance dar, nachhaltig wachsen zu können. Das Wachstum könne sich sogar verdoppeln.

Henrietta Six sieht den Mittelstand insgesamt bereits auf gutem Nachhaltigkeitsweg – „Unternehmen zu finden, die nachhaltig wirtschaften, ist einfach.“ Es gehe nun auch darum, „alle Mittelständler auf die Reise mitzunehmen“. Für die Sparkassen erkennt die Vorständin hier einmal mehr einen öffentlichen Auftrag. Six bietet eine „langfristige Partnerschaft“ mit den Unternehmen an, auch aus der Erkenntnis: „Unser Geschäftsmodell funktioniert, wenn die Geschäftsmodelle unserer Kunden funktionieren.“

Die Stadtsparkasse Düsseldorf hat daher ein umfangreiches Programm entwickelt, um die Unternehmen und die Transformation der Wirtschaft zu begleiten. Im Rahmen dieses „Nachhaltigkeits-Chancen-Programms“ beschäftigen sich die Experten des Instituts mit der Frage, was der Mittelstand im Raum Düsseldorf benötigt. „Losgelöst von der strategischen Fragestellung, mit welchen Produkten, Services und Dienstleistungen welche Kunden in welchen Märkten über welche Vertriebskanäle begleitet werden, sind die Daten und deren Erhebung eine wichtige Basis“, erklärt Six. Digitalisierung und Erhebung von Daten sei dabei ein zentrales Element, um Kunden mit Netzwerkpartnern zusammenzubringen. Die Finanzierung von nachhaltigen Investitionen sei dann eine Folge daraus, „sofern sich unsere Kunden von uns richtig beraten fühlen“.

Stichwort Digitalisierung: Ob es um Nachhaltigkeit geht oder um Wachstumschancen insgesamt – die aktuellen Entwicklungen hier sind auch eng mit Finanzierungsthemen verknüpft. „Digitalisierung und Automatisierung bringen für uns alle erhebliche Chancen. Sie sind Grundlage für die systematische Erhebung von Daten“, betont Henrietta Six. „Und Daten werden ein immer wichtigeres Gut; sei es, um für Lieferanten, Kunden und das eigene Unternehmen die richtigen Schlüsse und Angebote zu ziehen, oder auch, um den zunehmenden Datenappetit von Stakeholdern zu stillen, der aus gesetzlichen oder regulatorischen Anforderungen resultiert wie beispielsweise aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder der Nachhaltigkeitsberichterstattung heraus.“

Digitalisierung und insbesondere künstliche Intelligenz helfen, Prozesse zu beschleunigen und effizienter abzuwickeln. Auswertung von Bilanzen oder Unterstützung beim Erkennen von Kundenbedürfnissen – für all dies müsse man heute mit KI-Tools arbeiten, zumal auch bei Banken die Fachkräfte knapper werden. „Wir müssen die Kapazitäten bestmöglich und nutzenstiftend einsetzen“, sagte Six.

Digitalisierung könne so auch Wachstumsimpulse setzen. Es gehe darum, „Kapital zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu platzieren“. Digitale Hilfsmittel werden nach ihrer Überzeugung aber nicht den persönlichen Einsatz der Berater ersetzen: „Das People Business wird bleiben.“ Und es gehe Hand in Hand mit der Digitalisierung. Die Stadtsparkasse Düsseldorf nehme Unternehmen mit auf Customer Journeys. Bei diesen Kundenreisen teste man zum Beispiel auch Liquiditätstools; „mit Kunden für Kunden“.

Henriette Fotos © MIKE KÖNIG Photography

Seit gut einem Jahr trägt Henrietta Six nun das Trikot der Stadtsparkasse Düsseldorf. Als ehemalige Leistungssportlerin im Handball von Kindheit an ist sie absolute Teamplayerin. Vor ihrem Wechsel war sie drei Jahre lang Bereichsleiterin Unternehmen und Kommunen/Firmenkundencenter bei der Stadtsparkasse Krefeld. Zu ihren Aufgaben zählten neben den Firmenkunden und -kundinnen auch Immobilien, Kommunen und Spezialfinanzierungen. Henrietta Six wurde 1974 in Tatabánya in Ungarn geboren. Ihr Großvater väterlicherseits war Donau-schwabe.Sie absolvierte eine Ausbildung zur Bankkauffrau und danach zur Bankfachwirtin und Sparkassenbetriebswirtin. Es folgte ein Lehrgang zur Diplombankbetriebswirtin an der Frankfurt School of Finance & Management. Der Sparkasse KölnBonn blieb Henrietta Six 24 Jahre lang verbunden. Sie war dort lange in leitender Funktion, bevor sie nach Krefeld und letztendlich zur Stadtsparkasse Düsseldorf wechselte.

Text: Jürgen Grosch

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