Unternehmensnachfolge: Erfahrungen aus der Perspektive eines Transaktionsberaters
M&A-Transaktionen im Zusammenhang mit einer Unternehmensnachfolge sind für Unternehmer und Käufer eine besondere Herausforderung.
M&A-Transaktionen im Zusammenhang mit einer Unternehmensnachfolge sind für Unternehmer und Käufer eine besondere Herausforderung. Besonders im deutschen Mittelstand, der von familiengeführten Unternehmen geprägt ist, geht es für viele Beteiligte um mehr als „nur“ den Aktivtausch von einer Beteiligung in liquide Mittel.
1. Nachfolge – eine der größten Herausforderungen im eigentümergeführten Mittelstand
Es geht oft um den Abschied von einem Lebenswerk, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde, und um die Zukunft der Mitarbeiter und Kunden. Gleichzeitig stehen Käufer vor Hürden wie fehlender Transparenz, schwer einschätzbaren wirtschaftlichen Risiken oder unklaren Zukunftsperspektiven des Unternehmens. Gerade in kleineren Betrieben gibt es selten eine strukturierte Planung des Nachfolgeprozesses, was die Arbeit für den Transaktionsberater erschwert.
Die Bedeutung von M&A-Transaktionen im Rahmen von Nachfolgen ist nicht zu unterschätzen. Laut Analysen des IfM Bonn stehen von den rund 3,3 Millionen Familienunternehmen in Deutschland zwischen 2022 und 2026 mehr als 770.000 zur Übergabe an – etwa 190.000 davon gelten als unmittelbar übernahmereif. Besonders betroffen sind Unternehmen im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor. Auffällig ist, dass rund 80 Prozent dieser übernahmereifen Unternehmen einen Jahresumsatz von weniger als zwei Millionen Euro erzielen.
2. Die Suche nach dem passenden Nachfolger
Der erfolgreiche Abschluss einer M&A-Transaktion bei einer Unternehmensnachfolge wird zunehmend schwieriger. Während es früher für nahezu jeden nachfolgeinteressierten Unternehmer einen potenziellen Käufer gab, hat sich das Verhältnis mittlerweile drastisch verschoben. Heute gibt es deutlich mehr Unternehmen, die einen Nachfolger suchen, als Kaufinteressenten – was den Verkaufsprozess anspruchsvoller macht.
Der häufigste Anlass für eine Übergabe ist das Alter des Gründers oder geschäftsführenden Gesellschafters. Doch auch wirtschaftliche Herausforderungen oder persönliche Gründe spielen eine Rolle. Viele Unternehmer finden aber speziell bei Kleinunternehmen keinen Nachfolger und stehen vor der Entscheidung, ihren Betrieb zu schließen. Fehlende Fachkräfte, wirtschaftliche Unsicherheiten und steigende Kosten erschweren die Nachfolgesuche zusätzlich. Auch bürokratische Hürden und die Sorge um eine gesicherte Altersvorsorge belasten viele Unternehmer.
Auf Käuferseite zeigt sich ein anderes Bild: Viele Interessenten haben Schwierigkeiten, das passende Unternehmen zu finden, die Finanzierung zu sichern oder die Anforderungen eines Unternehmenskaufs realistisch einzuschätzen.
3. Der Nachfolgeprozess: Struktur statt Chaos
Käufer und Verkäufer haben oft unterschiedliche Perspektiven auf die Unternehmensnachfolge. Während der bisherige Eigentümer emotional mit dem Unternehmen verbunden ist, betrachtet der Käufer die Übernahme vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten. Ein strukturierter Prozess hilft, Erwartungen abzugleichen, Transparenz zu schaffen und Risiken zu minimieren. Dabei spielen auch die beteiligten Berater eine zentrale Rolle. Idealerweise unterstützt ein interdisziplinäres Team aus Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, Rechtsanwälten und M&A-Experten den Verkäufer, um die Übergabe professionell zu gestalten. In der Praxis greifen Unternehmer jedoch oft nur auf ihren langjährigen Steuerberater oder Anwalt zurück – nicht selten aus Skepsis gegenüber weiteren oder neuen Beratern. Auf der Käuferseite sind häufig professionelle Berater involviert, die das Unternehmen umfassend prüfen und den Kaufprozess begleiten.
Wie lange ein Nachfolgeprozess dauert, hängt von der Größe und Komplexität des Unternehmens sowie den individuellen Gegebenheiten ab. Von der Beschlussfassung bis zur Übergabe vergeht in der Regel ein Jahr, realistischer sind jedoch zwei bis fünf Jahre. Eine durchdachte Übergabe geht dabei über den reinen Verkauf hinaus. Der bisherige Eigentümer sollte dem Nachfolger idealerweise noch mindestens ein, besser zwei Jahre für eine „warme“ Übergabe zur Verfügung stehen. In dieser Phase erfolgt der Wissenstransfer, das Kennenlernen von Kunden und Lieferanten sowie die schrittweise Einführung in das Unternehmen und seine Belegschaft. Eine gut vorbereitete Nachfolge minimiert Risiken und erhöht die Erfolgschancen des Unternehmens unter neuer Führung.
4. Besonderheiten im Familienunternehmen: Warum eine Nachfolge oft komplizierter ist als gedacht
Mittelständische Unternehmen bringen spezifische Faktoren mit, die den Nachfolgeprozess sowohl für Verkäufer als auch für Käufer beeinflussen. Neben den finanziellen Aspekten spielen emotionale, strukturelle und organisatorische Themen eine entscheidende Rolle.
a. Emotionale Hürden – Das Lebenswerk übergeben
Für viele Unternehmer ist ihr Unternehmen mehr als nur ein Geschäft. Es ist ein Projekt, in das sie viel Zeit, Energie und Herzblut investiert haben. Bei der Übergabe stellt sich beispielsweise die Frage, ob der Käufer das Unternehmen genau so weiterführen wird, wie der Verkäufer es sich vorstellt. Besonders in kleineren Städten oder anderen Gruppierungen mit starker Verflechtung kann die Angst vor einem Verlust des eigenen gesellschaftlichen Status oder einer negativen Wahrnehmung durch Entlassungen oder Umstrukturierungen eine große Hürde sein. Der Verkäufer möchte oft vermeiden, dass sein Unternehmen nach der Übergabe „in den Sand gesetzt“ oder sein guter Ruf gefährdet wird.
b. Informationsasymmetrie – Wenn das Unternehmen nur im Kopf des Chefs existiert
In vielen mittelständischen Unternehmen gibt es keine klar strukturierten, zentralen Dokumentationen. Viel Wissen ist oft nicht schriftlich fixiert, sondern steckt in langjährigen Mitarbeitern oder dem Unternehmer selbst. Diese „Schwelle des Wissens“ kann den Käufer vor große Herausforderungen stellen, da er nicht nur das Unternehmen, sondern auch die relevanten Informationen für eine fundierte Entscheidung erst einmal aufbereiten muss. Die Übergabe von Informationen, die zum Teil nicht formalisiert sind, muss also aktiv angegangen werden.
c. Bauchgefühl statt Evidenz – Die unterschiedlichen Werte der Zahlen
Käufer müssen ein klares Bild von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens erhalten, um die richtige Entscheidung treffen zu können. Dazu ist eine detaillierte und transparente Aufbereitung der Zahlen unerlässlich. Für Familienunternehmer reicht häufig der Blick in die Kasse. Erfolgreich ist das Unternehmen, solange es das Wachstum finanzieren, seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen und Gewinne auszahlen kann. Der Wert der Zahlen im Hinblick auf die Steuerungs- und Kontrollfunktion wird häufig unterschätzt. Wenn z.B. mehrere Einzelgesellschaften existieren, beeinträchtigt eine fehlende Konsolidierung die Aussagekraft der Berichte. Auch eine fehlende oder unzureichende Periodenabgrenzung führt häufig zu einem verzerrten Bild der finanziellen Gesamtlage. Mitunter sind aufwendige Zahlenaufbereitungen notwendig, um den spezifischen Informationsbedürfnissen der potenziellen Käufer (und der finanzierenden Banken) gerecht zu werden.
d. Finanzielle Normalisierung – Was bleibt nach der Bereinigung?
Die Finanzzahlen eines Unternehmens spiegeln nicht immer die tatsächliche Ertragskraft wider, wenn das Unternehmen unter neuer Führung steht. In vielen Familienunternehmen gibt es spezielle Ertragsstrukturen oder Kosten, die mit der Familie oder anderen privaten Aktivitäten verbunden sind.
Dazu gehören etwa Mietverträge mit Familienmitgliedern oder überhöhte Gehälter für Gesellschafter. Hinzu kommen auch Erträge und Aufwendungen, die in ihrer Art und/oder Höhe aufgrund der Nutzung von steuerlichen Gestaltungsspielräumen in den Jahresabschluss einfließen. Diese der Art oder Höhe nach außergewöhnlichen Positionen müssen bereinigt werden, um ein realistisches Bild der Ertragslage zu erhalten. Nur so kann eine realistische Bewertung des Unternehmens erfolgen.
e. Fehlende Geschäftsplanung – Warum die Navigation auf Sicht nicht reicht
In vielen mittelständischen Unternehmen fehlt eine strukturierte, quantitative Geschäftsplanung. Prognosen zur zukünftigen Entwicklung sind oft nicht detailliert ausgearbeitet oder basieren lediglich auf Erfahrungswerten des Unternehmers. Für potenzielle Käufer bedeutet dies eine erhebliche Unsicherheit, da ohne belastbare Planungsrechnungen die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens schwer einzuschätzen ist. Dies kann nicht nur die Bewertung erschweren, sondern auch Finanzierer abschrecken, die für ihre Entscheidungen eine fundierte Basis benötigen. Eine transparente, nachvollziehbare Planung erhöht die Attraktivität des Unternehmens und erleichtert die Verhandlungen.
f. Familie und Management – Wer bleibt, wer geht
In vielen Familienunternehmen sind Familienmitglieder in wichtigen Positionen tätig. Für den Käufer stellt sich hier die Frage, wie entscheidend diese Personen für den Erfolg des Unternehmens sind und ob sie auch nach der Übergabe weiterarbeiten. Auch die zweite Führungsebene spielt eine zentrale Rolle: Der Verkäufer ist oft überzeugt, dass das Management bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen, doch potenzielle Käufer sind hier häufig skeptischer. Eine Übergabe funktioniert nur dann reibungslos, wenn das Unternehmen auch ohne den Gründer oder Eigentümer fortgeführt werden kann. In vielen Fällen wünschen sich Käufer zudem, dass der Verkäufer für eine gewisse Zeit im Unternehmen bleibt, um dadurch Vertrauen zu schaffen und einen fließenden Übergang zu gewährleisten. Diese Wünsche kollidieren in vielen Fällen mit Verkäufern, die sich kurzfristig und endgültig aus dem Unternehmen zurückziehen wollen (z.B. bei einer Erbengemeinschaft).
Diese Faktoren sind maßgeblich für die Unternehmensbewertung und den Erfolg der Transaktion und sollten frühzeitig von beiden Seiten berücksichtigt werden. Nur wenn sowohl Verkäufer als auch Käufer sich über die strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen sowie die Übergabebedingungen im Klaren sind, lässt sich der Prozess der Unternehmensnachfolge erfolgreich und ohne unnötige Hürden gestalten.
5. Handlungsempfehlungen: So gelingt die Unternehmensnachfolge
Ein erfolgreicher Nachfolgeprozess setzt auf vorausschauende Planung und gezielte Maßnahmen. Dazu sollte im Idealfall der Transaktionsberater eingebunden werden. Wer frühzeitig handelt, kann nicht nur Risiken minimieren, sondern auch die Chancen auf eine reibungslose Übergabe deutlich erhöhen.
Frühzeitig anfangen und Zeit einplanen: Eine frühzeitige Planung des Nachfolgeprozesses und ausreichend Zeit für die Übergabe sind entscheidend. Sie ermöglichen es dem Verkäufer, dem Nachfolger genügend Zeit für den Wissenstransfer und das Kennenlernen des Unternehmens zu geben. Dies verhindert Fehler, die bei einer überstürzten Übergabe entstehen könnten.
Spezialisierte Berater einbeziehen: Der Einsatz spezialisierter Berater hilft, den Nachfolgeprozess professionell zu steuern. Diese Experten übernehmen die Koordination der Informationsanforderungen und bringen ihre Erfahrung in die Strukturierung des Prozesses ein. Dabei ist nicht nur die fachliche Kompetenz entscheidend, sondern auch das zwischenmenschliche Vertrauen, das eine effektive Zusammenarbeit fördert.
Verkaufsreife (Exit Readiness) und Simulation: Die Überprüfung der Exit Readiness ist ein wesentlicher Schritt zur Vorbereitung der Übergabe. Hierbei sollte Verantwortung schrittweise abgegeben und das Wissen zentralisiert werden. Finanzielle Transparenz und die Identifikation der wesentlichen finanziellen Treiber sind ebenfalls wichtig. Eine Exit-Simulation ermöglicht es, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und die bestmögliche Übergabestrategie zu entwickeln.