Die Zeiten ändern sich. Waren Fintechs zu New-Economy-Zeiten nicht Unternehmen, die angetreten waren, mittels effizienter Technologien etablierte Großbanken das Fürchten zu lehren? Neben Paytech-Unternehmen wie Paypal, Antgroup-Alipay und Klarna ist in den vergangenen Jahren eine Reihe von Wealthtech-Unternehmen (Scalable Capital und andere) entstanden, die basierend auf KI-Technik Anlageentscheidungen treffen und auf diese Weise kostengünstig anbieten, was früher im Private Banking hohe Gebühren verschlang.
In jüngster Zeit machen allerdings FinTechs von sich reden, die unter dem Stichwort „RegTech“ als technische Antwort auf regulatorische Vorgaben im Zuge des Green Deals Banken, Fondsgesellschaften und Unternehmen darin unterstützen, die mit der EU-Taxonomie einhergehenden Datenmengen zu bewältigen, darunter Greenomy oder die norwegische Celsia, um nur zwei Unternehmensbeispiele zu nennen.
Mit Hilfe von RegTech-Lösungen werden Daten regelmäßig erhoben, verifiziert und verarbeitet. In Abhängigkeit von Branche, Zulieferern und anderen Faktoren werden dynamische Entscheidungsbäume erzeugt, die ein einfaches Navigieren durch regulatorische Vorgaben ermöglichen. Non-Financial Reporting Directive (NFRD) heißt das Zauberwort, das dazu führt, dass Pflichtangaben zu Umweltzielen in den Geschäftsbericht großer Unternehmen einfließen. Die mit den Vorgaben „einhergehenden Regulierungspakete und neuen Anforderungen an Unternehmen sind einzigartig“, frohlocken Partner der Beratungsfirma Oliver Wyman in einem Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung vom 10. August 2022. An der Schnittstelle zwischen Nachhaltigkeit und Regulierung sei ein „wahrer Start-up-Boom“ entstanden, so die Berater. Dass diese Entwicklung im Bereich Financial Services für reichlich Arbeit sorgen dürfte, scheint unmittelbar einleuchtend. Prüfungsnahe Beratungsprojekte zur Berechnung von ESG-Kennzahlen, IT- und Datenprojekte, Projekte zur korrekten Offenlegung und Berichterstattung. Ob die Projektflut geeignet ist, den Wohlstand und Schutz der Umwelt zu fördern, steht auf einem anderen Blatt.
Wie hilft die Taxonomie über den Zertifikate-Handel hinaus?
Bekanntlich gibt es bereits einen CO2-Zertifikate-Handel in der EU. Die Tonne CO2 kostet dort aktuell 87 EUR, 2018 lag der Preis noch bei unter 10 EUR. Bei der Freisetzung einer Tonne CO2 durch ein Automobil wiederum werden derzeit an der Zapfsäule bereits zwischen 700 und 800 EUR in Rechnung gestellt. Warum sollte eine Taxonomie, die lediglich verbindliche Definitionen, was als nachhaltiges Wirtschaften gilt, festlegt und die Unternehmen verpflichtet offenzulegen, inwieweit ihr Handeln an den Kriterien der Taxonomie ausgerichtet ist, darüber hinaus irgendetwas bewirken? Selbst wenn regulierte Fonds und Banken aufgrund der Taxonomie in „konforme“ Unternehmen investieren, akquirieren andere Investorengruppen (wie z.B. Beteiligungsgesellschaften und mittelständische Unternehmen) die „verschmähten“ Unternehmen und wetten darauf, sich auf diese Weise höhere Renditen zu sichern. Der Markt für lukrative Investitionen gleicht die Pegelstände aus, er lässt sich nicht selektiv und lokal trockenlegen.
In Bereichen, in denen es keine wettbewerbsfähigen ökologischen Produktalternativen gibt, treten notwendigerweise Unternehmen auf den Plan, die sich entsprechend mit Kapital versorgen, um diese nicht leicht substituierbaren Produkte herzustellen. Andernfalls wäre Saudi Aramco an der Börse nicht kürzlich zum zweitwertvollsten Unternehmen der Welt avanciert.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass Subventionen in Form von günstigen Krediten das Taxonomie-Regelwerk populär machen bzw. für dessen „Erfolg“ sorgen werden, ähnlich wie beim 9-Euro-Ticket die schiere Nachfrage nach einem stark subventionierten Produkt bereits politisch als Erfolg umgedeutet wurde.