Beitragsreihe FDI Screening-VO: One screening fits all?
Teil 2: Niederlande
I. Die Niederlande als offene Wirtschaft
Die Niederlande sind als Volkswirtschaft stark vom internationalen Handel und von Direktinvestitionen geprägt. So stuft der OECD „Foreign Direct Investment Regulatory Restrictiveness Index“ die Niederlande (ebenso wie die Schweiz) als eines der Länder mit den weltweit niedrigsten Restriktionen für FDI ein und kategorisiert die niederländische Wirtschaft als offene (Volks-)Wirtschaft (open economy). Demnach bestehen derzeit kaum Beschränkungen für Investitionen aus dem (Nicht-EU-)Ausland.
Mit der Einführung von Kontrollen tut sich die Niederlande daher schwer und es erstaunt zunächst, dass man hier – obwohl die FDI Screening-VO dazu gerade nicht verpflichtet – diverse Gesetzesentwürfe zur Schaffung eines sektorübergreifenden Investitionsprüfungsregimes auf den Weg gebracht hat. Aus parlamentarischen Dokumenten zur Umsetzung der Verordnung geht hervor, dass die Niederlande die Regelung durch weitaus unverbindlichere Leitlinien anstelle einer Verordnung bevorzugt hätte, womit sie sich allerdings nicht hat durchsetzen können. Ein anderer wichtiger Punkt für die Niederlande war, dass die Befugnisse der Mitgliedstaaten nicht zu sehr eingeengt werden, insbesondere in Bezug auf die Definition der Begriffe der „(nationalen) Sicherheit“ und der „öffentlichen Ordnung“. Es war der Niederlande wichtig, dass jeder Mitgliedstaat selbst definieren kann, was der Maßstab für Screenings wird. In diesem Punkt hat die finale Verordnung die Sorgen der Niederlande (und anderer Staaten) berücksichtigt.
2. Bestehende sektorspezifische Beschränkungen für Foreign Direct Investments (FDI)
2.1 Meldepflicht für Gas, Elektrizität und Telekommunikation
Von der Meldefreiheit ausgenommen sind mit Blick auf die Versorgungssicherheit unter anderem die Sektoren Gas, Elektrizität und Telekommunikation. Das Gasversorgungsgesetz (Gaswet) und das Stromversorgungsgesetz (Elektriciteitswet) regulieren seit Ende der neunziger Jahre die ersten beiden Sektoren. Seit Oktober 2020 gilt auch für den Bereich Telekommunikation, reguliert durch das entsprechend geänderte Telekommunikationsgesetz (Telecommunicatiewet), eine Beschränkung für Investitionen aus dem Ausland.
Für Unternehmen in diesen Sektoren besteht eine Meldepflicht an das niederländische Wirtschaftsministerium, wenn ein Kontrollwechsel in einer Gesellschaft bevorsteht, die in diesen Sektoren aktiv ist.
Aufgrund des Telekommunikationsgesetzes geht es beim Kontrollwechsel um die Definition der „vorherrschenden Kontrolle“ (overwegende zeggenschap) über eine Gesellschaft1. Der Begriff der „vorherrschenden Kontrolle“ umfasst Fälle, in denen der Erwerber nach der Transaktion:
• allein oder zusammen mit gemeinsam handelnden Personen direkt oder indirekt über mindestens 30% der Stimmen in der Hauptversammlung einer juristischen Person verfügt;
• allein oder zusammen mit gemeinsam handelnden Personen mehr als die Hälfte der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats einer juristischen Person bestellen oder abberufen kann, auch wenn alle stimmberechtigten Personen daran teilnehmen; oder
• eine oder mehrere Person(en) Aktien hält, die mit einem besonderen gesetzlichen Kontrollrecht ausgestattet sind.
Das Gasgesetz2 und das Stromversorgungsgesetz3 knüpfen bei der Definition des Kontrollwechsels dagegen an die kartellrechtliche Bestimmung an, wonach „Kontrolle“ (ähnlich wie auch bei der Fusionskontrolle in Deutschland nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB) als „die Möglichkeit, aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Umstände einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben“ verstanden wird.
Die Meldung hat für Transaktionen im Gas- und Elektrizitätssektor mindestens vier Monate und für solche im Telekommunikationssektor mindestens acht Wochen vor Kontrollwechsel (Closing) stattzufinden. Die Nichteinhaltung dieser Meldepflichten führt zur Anfechtbarkeit der gesamten Transaktion.