03.05.2022 | Friederike Henke

FDI Screening-Verordnung und die Regelungen in den Niederlanden

In der Beitragsreihe zur FDI-Screening-Verordnung unter dem Titel „One screening fits all?“ wird die Umsetzung der Verordnung in verschiedenen europäischen Ländern näher betrachtet. Die Unterschiede und Anpassungsbedarfe des bisherigen Vorgehens werden je nach Land von versierten Rechtsanwälten aus den betroffenen Staaten dargestellt. Fokus: Niederlanden!

optional, Recht & Steuern

Beitragsreihe FDI Screening-VO: One screening fits all?
Teil 2: Niederlande

I. Die Niederlande als offene Wirtschaft

Die Niederlande sind als Volkswirtschaft stark vom internationalen Handel und von Direktinvestitionen geprägt. So stuft der OECD „Foreign Direct Investment Regulatory Restrictiveness Index“ die Niederlande (ebenso wie die Schweiz) als eines der Länder mit den weltweit niedrigsten Restriktionen für FDI ein und kategorisiert die niederländische Wirtschaft als offene (Volks-)Wirtschaft (open economy). Demnach bestehen derzeit kaum Beschränkungen für Investitionen aus dem (Nicht-EU-)Ausland.

Mit der Einführung von Kontrollen tut sich die Niederlande daher schwer und es erstaunt zunächst, dass man hier – obwohl die FDI Screening-VO dazu gerade nicht verpflichtet – diverse Gesetzesentwürfe zur Schaffung eines sektorübergreifenden Investitionsprüfungsregimes auf den Weg gebracht hat. Aus parlamentarischen Dokumenten zur Umsetzung der Verordnung geht hervor, dass die Niederlande die Regelung durch weitaus unverbindlichere Leitlinien anstelle einer Verordnung bevorzugt hätte, womit sie sich allerdings nicht hat durchsetzen können. Ein anderer wichtiger Punkt für die Niederlande war, dass die Befugnisse der Mitgliedstaaten nicht zu sehr eingeengt werden, insbesondere in Bezug auf die Definition der Begriffe der „(nationalen) Sicherheit“ und der „öffentlichen Ordnung“. Es war der Niederlande wichtig, dass jeder Mitgliedstaat selbst definieren kann, was der Maßstab für Screenings wird. In diesem Punkt hat die finale Verordnung die Sorgen der Niederlande (und anderer Staaten) berücksichtigt.

2. Bestehende sektorspezifische Beschränkungen für Foreign Direct Investments (FDI)
2.1 Meldepflicht für Gas, Elektrizität und Telekommunikation

Von der Meldefreiheit ausgenommen sind mit Blick auf die Versorgungssicherheit unter anderem die Sektoren Gas, Elektrizität und Telekommunikation. Das Gasversorgungsgesetz (Gaswet) und das Stromversorgungsgesetz (Elektriciteitswet) regulieren seit Ende der neunziger Jahre die ersten beiden Sektoren. Seit Oktober 2020 gilt auch für den Bereich Telekommunikation, reguliert durch das entsprechend geänderte Telekommunikationsgesetz (Telecommunicatiewet), eine Beschränkung für Investitionen aus dem Ausland.

Für Unternehmen in diesen Sektoren besteht eine Meldepflicht an das niederländische Wirtschaftsministerium, wenn ein Kontrollwechsel in einer Gesellschaft bevorsteht, die in diesen Sektoren aktiv ist.

Aufgrund des Telekommunikationsgesetzes geht es beim Kontrollwechsel um die Definition der „vorherrschenden Kontrolle“ (overwegende zeggenschap) über eine Gesellschaft1. Der Begriff der „vorherrschenden Kontrolle“ umfasst Fälle, in denen der Erwerber nach der Transaktion:

• allein oder zusammen mit gemeinsam handelnden Personen direkt oder indirekt über mindestens 30% der Stimmen in der Hauptversammlung einer juristischen Person verfügt;

• allein oder zusammen mit gemeinsam handelnden Personen mehr als die Hälfte der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats einer juristischen Person bestellen oder abberufen kann, auch wenn alle stimmberechtigten Personen daran teilnehmen; oder

• eine oder mehrere Person(en) Aktien hält, die mit einem besonderen gesetzlichen Kontrollrecht ausgestattet sind.

Das Gasgesetz2 und das Stromversorgungsgesetz3 knüpfen bei der Definition des Kontrollwechsels dagegen an die kartellrechtliche Bestimmung an, wonach „Kontrolle“ (ähnlich wie auch bei der Fusionskontrolle in Deutschland nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB) als „die Möglichkeit, aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Umstände einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben“ verstanden wird.

Die Meldung hat für Transaktionen im Gas- und Elektrizitätssektor mindestens vier Monate und für solche im Telekommunikationssektor mindestens acht Wochen vor Kontrollwechsel (Closing) stattzufinden. Die Nichteinhaltung dieser Meldepflichten führt zur Anfechtbarkeit der gesamten Transaktion.

2.2 Privatisierungsverbot für vitale (kritische) Infrastrukturen

Zudem gilt für viele „vitale“ (in Deutschland vergleichbar mit „kritischen“) Infrastrukturen wie zum Beispiel Trinkwasserunternehmen die gesetzliche Vorgabe, dass diese durch niederländische juristische Personen des öffentlichen Rechts (sprich: den niederländischen Staat) kontrolliert werden müssen. Durch dieses Privatisierungsverbot ist ein Übergang der Kontrolle auf ausländische Investoren nicht möglich.

3. Änderungen der Investitionskontrolle infolge der FDI Screening-VO
3.1 NL-Umsetzungsgesetz

Die FDI Screening-VO wurde mit dem Umsetzungsgesetz FDI Screening-VO (Uitvoeringswet screeningsverordening buitenlandse directe investeringen) vom 18. November 2020, das am 4. Dezember 2020 in Kraft trat (NL-Umsetzungsgesetz), in den Niederlanden umgesetzt.

Das NL-Umsetzungsgesetz diente zum einen der Implementierung der Elemente, die für eine effektive Wirkung der FDI Screening-VO erforderlich waren, zum anderen der Erfüllung der Verpflichtungen, die auf den Mitgliedstaaten ruhen. Dass ausnahmsweise, obwohl Verordnungen grundsätzlich unmittelbar gelten, eine Umsetzung durch Gesetz erfolgt ist, beruht darauf, dass die Verordnung nur minimale Pflichtvorgaben macht und den Mitgliedstaaten insoweit Raum zur Präzisierung lässt, von dem auch viele Mitgliedstaaten, die bereits über ein Investitionsprüfungsregime verfügen (insbesondere Deutschland), Gebrauch gemacht haben.

Mit dem NL-Umsetzungsgesetz werden im Kern nur drei Aspekte geregelt:

• Einrichtung einer Kontaktstelle im Sinne von Art. 11 Abs. 1 der FDI Screening-VO; diese ist das Wirtschaftsministerium und innerhalb des Ministeriums das Büro zur Investitionskontrolle (Bureau Toetsing Investering, BTI);

• Das für den Kooperationsmechanismus nach Art. 6 bis 8 der FDI Screening-VO verantwortliche Ministerium bestimmt sich über den jeweiligen Screening-Mechanismus – da, wo in den Niederlanden kein Screening-Mechanismus vorherrscht, ist der Wirtschaftsminister – in Abstimmung mit dem Justizminister und dem Außenminister – für die Kontrolle verantwortlich;

• Die Minister, die für die Erfüllung der Verpflichtungen zur Bearbeitung von Informationsrechten nach Arti. 9 der FDI Screening-VO verantwortlich sein sollen.

Das NL-Umsetzungsgesetz gilt für die bestehenden Screening-Mechanismen und für eventuelle zukünftige – etwa einen allgemeinen sektorübergreifenden Kontrollmechanismus, der derzeit noch nicht gilt.

3.2 Gesetzesentwurf zum sektorübergreifenden Kontrollmechanismus (Vifo-Gesetz)

Ob neben den bestehenden sektorspezifischen Screening-Mechanismen auch ein allgemein gültiger sektorübergreifender Kontrollmechanismus in den Niederlanden eingeführt wird, bleibt umstritten. Der erste Anlauf im Jahr 2020, einen solchen einzuführen, wurde nach kritischen Äußerungen des niederländischen Staatsrates (Raad van State) vom Februar 20214 unmittelbar wieder verworfen. Der Staatsrat hatte insbesondere kritisiert, dass mitunter das Legalitätsprinzip sowie die Grundsätze der Sorgfalt, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit vom ersten Gesetzentwurf nicht berücksichtigt wurden.

Überblick Gesetzentwurf Vifo-Gesetz
Der zweite Versuch einer allgemeinen gesetzlichen Regelung folgte 2021 nach, als im Juli der erste Entwurf für das Gesetz für Sicherheitstests für Investitionen, Fusionen und Übernahmen (Wet veiligheidstoets investeringen, fusies en overnames) (Vifo-Gesetz) vorgelegt wurde. Das geplante Vifo-Gesetz sollte alle Unternehmen betreffen, die ihren Sitz in den Niederlanden haben; bei der Frage, ob ein Unternehmen in den Niederlanden ansässig ist, ist entscheidend, wo die Unternehmensaktivitäten und -führung entfaltet werden, nicht der Satzungssitz.

Im Falle einer vorgenommenen Änderung der Kontrolle innerhalb eines Unternehmens in einer betroffenen Industrie haben Unternehmen und Investor (oder Erwerber der Kontrolle) die Transaktion dem BTI zu melden. Das Herkunftsland des Investors hat dabei keinen Einfluss auf die Meldepflicht; dies ist ein entscheidender Unterschied zur deutschen Regelung. Die Meldung einer Transaktion erfolgt über Formulare, die auf der Website des BTI abrufbar sind5 und mit einer anschaulichen Infografik illustriert wurden.

Das BTI prüft, ob der Erwerb des Unternehmens durch den Investor eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen würde. Im Rahmen eines solchen Screenings werden Faktoren wie die Transparenz und die Eigentümerstruktur der investierenden Partei berücksichtigt sowie deren finanzielle Stabilität und Beweggründe für die Transaktion selbst. Überprüft wird auch, ob die investierende Partei vorbestraft ist, ob sie staatlicher Kontrolle unterliegt und aus welchem Staat die Investition stammt. Wenn die Investition eine sensible Technologie (siehe hierzu Punkt (3)) betrifft, untersucht das BTI zudem die bisherigen Leistungen des Investors im Bereich der Informationssicherheit.

Die Nichteinhaltung dieser Meldepflicht durch Investor und Zielunternehmen kann zu einer Aussetzung aller Stimmrechte des Investors führen. Außerdem kann das BTI eine Geldstrafe in Höhe von maximal 10% des Unternehmensumsatzes verhängen – unklar ist, ob es sich um den weltweiten oder (nur) den in den Niederlanden erwirtschafteten Umsatz handelt. Wird die Transaktion ohne Zustimmung des BTI abgeschlossen, ist die gesamte Übernahme nichtig.

Vitale Infrastrukturen
Der Kontrollmechanismus wird für Unternehmen gelten, die „vitale Anbieter“ (vitale aanbieders) sind oder an sensiblen Technologien beteiligt sind. Dabei sieht der Gesetzesentwurf entscheidende Unterschiede zwischen der Kategorie der „vitalen Anbieter“ einerseits und der der „sensiblen Technologien“ andererseits vor. Der Begriff „vitale Anbieter“ ist gesetzlich definiert, der Begriff „sensible Technologie“ in separaten Durchführungsverordnungen der Regierung, Amvbs (algemene maatregelen van bestuur). Hintergrund hierfür ist, dass die Kategorie „sensible Technologie“ mehr Veränderungen unterworfen sein wird als die Kategorie der vitalen Anbieter, weshalb bei sensiblen Technologien die flexiblere Option der Amvbs gewählt wurde. Am 13. April 2022 wurde in einer parlamentarischen Debatte mitgeteilt6, dass Entwürfe für die Amvbs vor dem Sommer veröffentlicht werden sollen.

Der Begriff „vitale Anbieter“ wurde gemeinsam mit dem nationalen Koordinator für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit (NCTV) formuliert, der eine Liste der vitalen Infrastrukturen führt7. Als solche gelten unter anderem die Sektoren Internet, Gasspeicherung und Flugverkehr sowie (Kern-)Energie und Bankenwesen – hierzu zählt (noch) nicht das Gesundheitswesen. Bei der Formulierung des Begriffs der „vitalen Anbieter“ wurde auf der Liste des niederländischen Gesetzes über die Sicherheit der Netzwerke und Informationssysteme8, die die NIS-Richtlinie der EU9 in den Niederlanden umsetzte, aufgesetzt. Die gesetzliche Definition eines „vitalen Anbieters“ lautet: „ein Unternehmen, das einen Dienst betreibt, verwaltet oder zur Verfügung stellt, dessen Kontinuität für die niederländische Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist“. Als Anbieter vitaler Infrastrukturen werden konkret vor allem der Flughafen Amsterdam Schiphol, der Hafen Rotterdam und die niederländische Zentralbank namentlich festgelegt. Die Liste der Sektoren und Anbieter ist nicht abschließend und kann erweitert werden. Derzeit wird auch untersucht, ob innerhalb des Gesundheitswesens, des Straßennetzes oder Schienennetzes zusätzliche vitale Anbieter bestehen. Ob diese in das finale Vifo-Gesetz aufgenommen werden, war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Sensible Technologien
Der Begriff „sensible Technologien“ umfasst in erster Linie militärische Produkte und Güter mit doppeltem Verwendungszweck, welche unter anderem im Wassenaar-Abkommen10 und in der EU-Dual-Use-Verordnung11 definiert sind. Einige dieser Technologien können durch die bereits angesprochenen Durchführungsverordnungen (Amvbs) von der Kontrolle ausgenommen werden. Weitere Technologien können aufgrund von Artikel 8 Absatz 3 des Vifo-Gesetzes als „sensibel“ ergänzt werden, sofern:

a) diese beispielsweise für die Verteidigungs- oder Sicherheitsdienste essenziell sein können;

b) die Verfügbarkeit und Anwesenheit einer Technologie innerhalb der Niederlande oder ihrer Verbündeten unerlässlich ist, um inakzeptable Risiken für die Verfügbarkeit wesentlicher Produkte oder Einrichtungen zu verhindern; oder

c) diese in vitalen Prozessen oder Prozessen der nationalen Sicherheit breit eingesetzt werden.

Anders als bei vitalen Anbietern unterliegen Unternehmen im Bereich der sensiblen Technologien auch dann einem Screening, wenn eine Änderung des maßgeblichen Einflusses (significante invloed) auf das Unternehmen ansteht. Fälle, in denen sich der „maßgebliche Einfluss“ ändert, sind jene, in denen eine Minderheitsbeteiligung von mindestens 10%, 20% oder 25% erworben wird, je nach Einstufung der sensiblen Technologie in unterschiedliche Kategorien, was wiederum durch Amvbs erfolgen soll. Dies gilt auch dann, wenn sich das Recht, ein Vorstandsmitglied zu bestellen oder abzuberufen, ändert. Es gelten insoweit für Investitionen in Unternehmen mit sensiblen Technologien ähnlich verringerte Prüfschwellenwerte wie in Deutschland bei der sektorspezifischen Kontrolle respektive in Sektoren, die in § 55a AWV als besonders relevant für die deutsche Bevölkerung identifiziert wurden.

Mittelbare Beteiligungen
Wenn ein Unternehmen nicht unmittelbar in vitalen Infrastrukturen oder sensiblen Technologien involviert ist, greift der Screening-Mechanismus, wenn das Unternehmen, das verkauft beziehungsweise gekauft wird, die Kontrolle oder maßgeblichen Einfluss auf ein niederländisches Unternehmen hat, welches in einem dieser Sektoren tätig ist (indirekte Kontrolle).

Rückwirkende Anwendung des Vifo-Gesetzes zum 8. September 2020
Nach Mitteilung der zuständigen Ministerin vom 13. April 2022 anlässlich einer Debatte im niederländischen Parlament12 wird erwartet, dass das Vifo-Gesetz zum Jahresende eingeführt wird.

Zu beachten und für die M&A-Praxis problematisch ist, dass das Vifo-Gesetz nach Verabschiedung rückwirkend auf den 8. September 2020 Anwendung findet und damit für zahlreiche bereits vollzogene Transaktionen gelten würde. Wie damit umzugehen sein wird, ist bislang noch unklar. Betroffene Unternehmen müssen das BTI aber nur dann rückwirkend über Transaktionen informieren, wenn sie aus Gründen der nationalen Sicherheit dazu aufgerufen werden.

Verteidigungsindustrie
Abgesehen vom Vifo-Gesetz(entwurf) ist derzeit eine separate Investitionskontrolle für die Verteidigungsindustrie vorgesehen (Wetsvoorstel investeringstoets voor de defensie-industrie). Da die Besprechung dieses Gesetzesentwurfs den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde, sei dies nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

4. Auswirkungen auf die M&A-Praxis – Niederlande

Derzeit hält sich die Auswirkung der FDI Screening-VO auf niederländische M&A-Transaktionen noch in Grenzen.

Bei der Umsetzung der Verordnung wurde in der niederländischen Gesetzeserläuterung geschätzt, dass jährlich europaweit etwa 250 Transaktionen von den Kooperationsmechanismus erfasst werden würden. Aus dem ersten Report der EU-Kommission vom letzten Herbst13 geht hervor, dass es sich um weitaus mehr Transaktionen handelte, nämlich 1.793 Transaktionen.

Aus dem Jahresbericht des BTI14 geht hervor, dass im ersten Jahr nach Gründung des BTI insgesamt sechs Transaktionen aus dem Telekommunikationsbereich und eine aus dem Gas- und Elektrizitätssektor gemeldet und kontrolliert wurden und dass neun Transaktionen aus der Telekommunikationsbranche auf Anfrage des BTI rückwirkend kontrolliert wurden. Keine der 16 Kontrollen führte allerdings zu Verboten oder anderen Maßnahmen bezüglich der ihr zugrunde liegenden Transaktion.

Zudem teilt das BTI auf seiner Website mit, dass Investitionskontrollen keine Wartezeit haben, sodass angenommen werden kann, dass die gesetzlichen Fristen auch tatsächlich eingehalten werden – sofern denn auch die Beteiligten alle erforderlichen Unterlagen einreichen.

5. Rechtsvergleich und Auswirkungen auf die M&A-Praxis – Deutschland & Niederlande

Rückblickend auf den Beitrag von Dr. Milena Charnitzky zu den deutschen Regelungen schließt dieser Beitrag mit einem knappen Rechtsvergleich. Vor dem Hintergrund, dass die deutschen außenwirtschaftsrechtlichen Regelungen schon sehr lange bestehen, kann ein Vergleich mit den Niederlanden bislang nur bedingt erfolgen.

Auffällig ist, dass die Niederlande sich, anders als Deutschland, im Vifo-Gesetzes(entwurf) dafür entschieden hat, alle Investoren unabhängig von ihrer Herkunft dem Screening zu unterwerfen, wenn die relevanten Sektoren betroffen sind. Die deutschen Regelungen (wie die Erwägungsgründe der FDI Screening-VO) zielen hingegen vornehmlich auf Investoren aus dem Nicht-EU-Ausland ab.

Es ist nicht auszuschließen, dass die niederländische Regelung im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens noch weiter präzisiert oder durch Durchführungsverordnungen der Regierung (die angesprochenen Amvbs) sukzessive erweitert wird, ähnlich wie in Deutschland mit den AWV-Novellen.

Die Fristenregelungen scheinen derzeit im niederländischen Verfahren kürzer als im deutschen Verfahren auszufallen, und das niederländische Verfahren scheint durch die Bereitstellung von Formularen (ähnlich wie auch in Frankreich, dazu in der Juni-Ausgabe 2022 der M&A REVIEW mehr) anwenderfreundlicher als das deutsche. Wie sich die Fristen und das Verfahren im sektorübergreifenden Kontrollmechanismus in der Praxis auswirken werden, werden die kommenden Jahre zeigen, wenn das BTI mehr Transaktionen zu prüfen haben wird.

Problematisch bleibt, dass das Vifo-Gesetz durch seine Rückwirkung Einfluss auf bereits abgeschlossene Transaktionen haben kann. Darauf sollten Beteiligte von Transaktionen bedacht sein. Wie damit umgegangen werden soll, ist bislang unklar. Der Gesetzgeber verhält sich dazu nicht im Detail. Es ist insoweit zu empfehlen, eine entsprechende Klausel in die Kaufverträge aufzunehmen, die den Fall einer zukünftigen Meldepflicht ebenso einbezieht wie den absoluten Worst Case: die rückwirkende Prüfung und Rückabwicklung der Transaktion.

Mehr zu den Auswirkungen der FDI Screening-VO folgt in den Beiträgen der Kollegen aus Österreich, Polen, Frankreich und der Schweiz, die in den nächsten beiden Ausgaben der M&A REVIEW erscheinen werden.

1 Artikel 14a.3 Telecommunicatiewet.
2 Artikel 66e Gaswet.
3 Artikel 86f Elektriciteitswet.
4 Kamerstukken II 2020/21, 35880, nr. 4, www.raadvanstate.nl/@123818/w18-20-0499-iv/
5 www.bureautoetsinginvesteringen.nl/het-stelsel-van-toetsen/melding-doen.
6 www.tweedekamer.nl/kamerstukken/detail?id=2022D15005&did=2022D15005, zuletzt abgerufen am 25.04.2022.
7 www.nctv.nl/onderwerpen/vitale-infrastructuur/overzicht-vitale-processen, zuletzt abgerufen am 25.04.2022.
8 Wet beveiliging netwerk- en informatiesystemen (Gesetz über die Sicherheit der Netzwerke und Informationssysteme)
9 Richtlinie (EU) 2016/1148 – Cybersicherheit von Netz- und Informationssystemen
10 The Wassenaar Arrangement on Export Controls for Conventional Arms and Dual-Use Goods and Technologies
11 Verordnung (EG) 428/2009 – Dual-Use-Verordnung
12 www.tweedekamer.nl/kamerstukken/detail?id=2022D15005&did=2022D15005
13 https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2021/november/tradoc_159935.pdf, zuletzt abgerufen am 25.04.2022.
14 www.tweedekamer.nl/downloads/document?id=4bf0414d-3625-4d05-be0a-366bd4f99980&title=Rapportage%20toepassing%20Wet%20ongewenste%20zeggenschap%20telecommunicatie.docx, zuletzt abgerufen am 25.04.2022.

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Autor
Friederike Henke

Friederike Henke, als Advocaat in Amsterdam und Rechtsanwältin in Köln zugelassen, ist Leiterin des German Desk der internationalen Wirtschaftskanzlei BUREN in Amsterdam, Niederlande. Nach Abschluss ihres Jurastudiums an den Universitäten von Maastricht und Saarbrücken hat sie mehr als 15 Jahre Erfahrung im Gesellschafts- und Handelsrecht und berät zahlreiche internationale Mandanten, insbesondere aus dem deutschsprachigen Raum, bei M&A-Transaktionen. Zusätzlich zu ihrer anwaltlichen Tätigkeit fungiert sie unter anderem als Präsidentin der SCILL-Kommission des internationalen Anwaltverbands AIJA und als Schatzmeisterin des Deutschen Anwaltvereins in den Niederlanden. Für wertvolle Hinweise dankt die Autorin Herrn Martin Stumpf.

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