Beitragsreihe FDI Screening-VO: One screening fits all?
Teil 1: Deutschland
1. Einführung
Der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland ist grundsätzlich frei. So heißt es in § 1 Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Dennoch hat das deutsche Außenwirtschaftsrecht in den vergangenen fünf Jahren zahlreiche Verschärfungen erfahren – allen voran im Bereich der Investitionskontrolle. Schon vor den Gesetzesänderungen war allerdings ein deutlicher Anstieg der Prüfzahlen in Deutschland zu verzeichnen (siehe Abb. 1)1

Abb. 1 • Anzahl der Prüfverfahren Quelle: BMWi, Im Fokus: Eine Frage der nationalen Sicherheit, 01.07.2021
Die letzten Änderungen durch die 1. AWG-Novelle und die Novellen der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) in den Jahren 2020 und 2021 waren sowohl Reaktionen auf die Lehren aus der Covid-Pandemie als auch
auf die Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union („FDI Screening-VO“). Anders als etwa Polen und Frankreich hat sich Deutschland insbesondere mit Blick auf die Covid-Pandemie für auf unbestimmte Zeit geltende (und nicht nur temporäre) Verschärfungen des Investitionsprüfungsregimes entschieden.
Aufgrund der Verschärfungen in Deutschland und auf EU-Ebene durch die FDI Screening-VO rechnet das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (vormals: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) angeblich mit einem erhöhten Fallaufkommen von mindestens 500 neuen meldepflichtigen Erwerben pro Jahr. Davon würden die Fälle, die durch den neuen EU-Kooperationsmechanismus geprüft werden müssen, konservativ geschätzt mehr als ein Drittel ausmachen.
2. Änderungen infolge der FDI Screening-VO
Rechtsgrundlage für die Überprüfung ausländischer Beteiligungserwerbe bilden in Deutschland das AWG2, die AWV und die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erlassene Allgemeinver-fügung.3 Das BMWK fungiert auch als Kontaktstelle, die für den mitgliedstaatsübergreifenden Kooperations-mechanismus nach der FDI Screening-VO einzuführen ist.
Das deutsche Investitionsprüfungsregime unterscheidet inhaltlich zwischen solchen Erwerben, die (i) geprüft werden können und solchen die (ii) geprüft (und damit auch angemeldet) werden müssen. Bei den prüf- und anmeldepflichtigen Erwerbsvorgängen wird zwischen der sektorübergreifenden Prüfung und der verschärften sektorspezifischen Prüfung unterschieden. Zeitlich gliedert sich die Investitionsprüfung in zwei Phasen, die Fristen in Gang setzen: (i) In der ersten Phase entscheidet das BMWK, ob es das Prüfverfahren überhaupt eröffnet; (ii) in einer zweiten Phase (so das BMWK sich für die Eröffnung des Prüfverfahrens entscheidet) teilt das BMWK den Parteien mit, dass die Transaktion geprüft wird, und fordert Unterlagen an. Die erste Phase kann durch die Meldung der Transaktion, proaktiv durch die Behörde oder – in bestimmten Fällen – proaktiv durch Erwerberseite mittels Beantragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung initiiert werden.