30.06.2022 | Christian Sauer

FDI Screening-VO und die Regelungen in Frankreich

In der Beitragsreihe zur FDI-Screening-Verordnung unter dem Titel „One screening fits all?“ wird die Umsetzung der Verordnung in verschiedenen europäischen Ländern näher betrachtet. Die Unterschiede und Anpassungsbedarfe des bisherigen Vorgehens werden je nach Land von versierten Rechtsanwälten aus den betroffenen Staaten dargestellt. Fokus in diesem Artikel: Frankreich.

optional, Recht & Steuern

Beitragsreihe FDI Screening-VO: One screening fits all?

Teil 5: Frankreich

Dieser Beitrag ist Teil einer Beitragsreihe zur FDI Screening-Verordnung, deren Umsetzung in den EU-Staaten und ihrem Einfluss auf M&A-Transaktionen. Nachstehend wird ein Überblick über die französischen Regelungen und Praxis der Investitionskontrolle gegeben sowie die Anpassung der nationalen Regelungen an die FDI Screening-Verordnung.

In den letzten Jahren wurde der französische Markt für ausländische Investoren (sowohl aus Europa als auch von außerhalb Europas) zunehmend interessanter: 2021 wurde ein neuer Rekord mit 1.600 in Frankreich getätigten ausländischen Investitionen erreicht, davon auf dem ersten Platz 18% von deutschen Investoren vor Investoren aus den USA (15%) und dem Vereinigten Königreich (9%)1; dabei wurden 328 Anträge auf Genehmigung im Rahmen der Investitionskontrolle gestellt, 31% mehr als 2020.2

Ausländische Investitionen werden von staatlicher Seite generell gefördert und als Chance wahrgenommen, wie zum Beispiel mit dem Programm „Choose France“ von Präsident Emmanuel Macron, das darauf abzielt, ausländische Investitionen nach Frankreich zu bringen3.

Die Öffnung für ausländisches Kapital geht aus französischer Sicht jedoch mit dem Risiko einher, dass für Frankreich strategische Vermögenswerte von ausländischen Dritten kontrolliert werden. Um wichtige Industrien und Vermögenswerte zu schützen, hat Frankreich bereits 2005 eine Investitionskontrolle eingeführt, die bestimmte Investitionen einer vorherigen Genehmigung durch den Wirtschaftsminister (Ministre de l’Economie et des Finances) unterwirft. Von Natur aus politisch und auf Protektionismus ausgerichtet, war das französische System der Investitionskontrolle seither anpassungsfähig. Das Gesetz vom 22. Mai 2019 betreffs Wachstum und Umwandlung der Unter-nehmen (Loi du 22 mai 2019 relative à la croissance et à la transformation des entreprises – „Loi PACTE“ / „PACTE- Gesetz“) und die Durchführungsverordnung vom 31. De-zember 2019 (die „Verordnung“)4 haben weitreichende Veränderungen an der Investitionskontrolle vorgenommen, insbesondere wurde der Anwendungsbereich der Genehmigungspflicht deutlich ausgeweitet und das Genehmigungsverfahren geändert. Das PACTE-Gesetz und die Verordnung wurden in den französischen Code monétaire et financier („CMF“) übernommen.

Getreu seiner frühen protektionistischen Ausrichtung war Frankreich dann seit 2017 aktiv an der Ausarbeitung der Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmes für die Überprüfung aus-ländischer Direktinvestitionen in der Union (FDI Screening VO) mit den anderen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission beteiligt. Das von der Loi Pacte 2019 geänderte Genehmigungsverfahren ist mit den Vorgaben der FDI Screening-VO bereits voll kompatibel. Somit waren bei Inkrafttreten der FDI Screening-VO 2020 keine weitreichenden Änderungen des Regelwerks notwendig, und die Bestimmungen der FDI Screening-VO haben somit nur begrenzt Eingang in den Code monétaire et financier gefunden.

Im Rahmen der Covid-19-Pandemie ist Frankreich den Empfehlungen der Europäischen Kommission gefolgt und hat die von seinem Kontrollsystem betroffenen Sektoren par Erlass ausgeweitet5, um zu verhindern, dass die Corona-Krise ausländischen Investoren erlaubt, die Kontrolle von strategischen französischen Unternehmen zu übernehmen, die durch die Krise in finanzielle Schieflage geraten sind6.

1. Anwendungsbereich

Zusammengefasst besteht eine Genehmigungspflicht, wenn (i) „Investoren“ im Sinne des CMF (ii) eine Transaktion ausführen, die als „Investition“ im Sinne des CMF gilt und dies (iii) in einem der als „kritisch“ (sensible) geltenden Sektoren.

1.1 „Investor“ und „Investition“

Seit Inkrafttreten der Verordnung gelten als „Investoren“ im Sinne des CMF (i) natürliche Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, (ii) natürliche Personen, die ihren Hauptwohnsitz nicht in Frankreich haben, (iii) ausländische (i.e. nicht französische) juristische Personen sowie (iv) französische juristische Personen, die von einer ausländischen natürlichen oder juristischen Person kontrolliert werden.

Für die Bewertung der „Kontrolle“ ist hierfür die französische Standarddefinition des Artikels L.233-3 des Code de commerce anwendbar oder anderweitig die Definition zur Möglichkeit einer „ausschlaggebenden Einflussnahme“ im Sinne des Artikels L.430-1 III des Code de commerce bezüglich der kartellrechtlichen Regelungen zu Zusammenschlüssen von Unternehmen.

Laut Artikel L.233-3 des Code de commerce hält die Kontrolle einer Gesellschaft, wer:

a) direkt oder indirekt die Mehrheit der Stimmrechte hält;
b) Aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern allein die Mehrheit der Stimmrechte hält;
c) durch seine Stimmrechte tatsächlich die Entscheidungen der Hauptversammlung bestimmt;
d) das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane zu ernennen oder abzuberufen;

Des Weiteren wird wer direkt oder indirekt mehr als 40% der Stimmrechte hält und soweit kein anderer Gesellschafter direkt oder indirekt einen größeren Anteil hält, vom Code de commerce als „kontrollierend“ vermutet.

Schließlich gilt als „kontrollierend“, wenn zwei oder mehr Personen durch konzertiertes Handeln tatsächlich die Entscheidungen der Hauptversammlung bestimmen.

Die Verordnung hat zudem klargestellt, dass alle Personen (ob natürlich oder juristisch), die direkt oder indirekt von einem ausländischen Investor laut (iii) oder (iv) der Definition in Absatz 1 kontrolliert werden (sog. Kontrollkette), ebenfalls als Investoren im Sinne des CMF gelten7.

Der Begriff der „Investition“ betrifft laut Artikel R.151-2 des CMF (i) den Kontrollerwerb im obigen Sinne, (ii) den teilweisen oder vollständigen Erwerb eines Geschäftszweigs (branche d’activité) oder (iii) die Überschreitung des Schwellenwertes von 25% der Stimmrechtsanteile einer französischen juristischen Person (der Schwellenwert lag vor der Reform von 2019 bei 33%). Die Überschreitung des Schwellenwertes der Stimmanteile nach (iii) gilt jedoch nicht als Investition im Sinne des CMF für Investoren aus Ländern der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelszone, die mit Frankreich eine Kooperationsvereinbarung zur Vermeidung von Steuerflucht abgeschlossen haben, oder, im Falle einer Kontrollkette, wenn alle Personen der Kontrollkette in den dortigen Ländern ansässig sind und deren Staatsbürgerschaft haben.

Neugründungen oder der Kauf einzelner Vermögenswerte gelten somit nicht als Investition im Sinne der Verordnung.

Als Folge der Corona-Krise hat Frankreich den Schwellenwert unter (iii) am 22. Juli 2020 für börsennotierte Unternehmen von 25% auf 10% abgesenkt, unter Verweis auf die geltenden deutschen und spanischen Regelungen. Damit sollen börsennotierte Unternehmen mit breiter Eigentumsstreuung vor einer möglichen Einflussnahme durch Minderheitsbeteiligungen geschützt werden.

Die Absenkung war ursprünglich befristet bis 31. Dezember 2020, wurde aber seitdem wiederholt verlängert und gilt jetzt aktuell bis zum 31. Dezember 2022.

1.2 Kritische Sektoren

Die Verordnung von 2019 hat die Liste der als kritisch geltenden Sektoren für alle Investoren vereinheitlicht, während vor der Reform verschiedene Sektorenlisten je nach Investorentyp (unionsfremd, EU-Investor oder französisch) zur Anwendung kamen.

Des Weiteren hat die Verordnung die Liste um folgende Sektoren erweitert: Printmedien, Produktion, Nahrungsmittelsicherheit beziehungsweise Umwandlung oder Vertrieb von Agrarprodukten sowie Forschungsaktivitäten im Bereich von Schlüsseltechnologien (dazu zählen u.a. Cybersecurity, künstliche Intelligenz, Robotik, Hableiter- und Quantentechnologie). Dabei wurden die Bereiche Printmedien und Nahrungsmittelsicherheit im Rahmen der Umsetzung der FDI Screening-VO hinzugefügt.

Prüfmaßstab für den jeweiligen Wirtschaftsbereich ist ein möglicher Verstoß gegen nationale Verteidigungsinteressen, eine mögliche Beteiligung an Aktivitäten, die mit der staatlichen Ausübung der öffentlichen Gewalt oder der staatlichen Wahrung der öffentlichen Ordnung in Verbindung stehen, oder ein möglicher Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit.

Die Wirtschaftsbereiche der Sektorenliste des CMF, die die obigen Gefährdungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit betreffen können, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

i. Sektoren des Artikels R.151-3, I des CMF, die von Natur aus als „kritisch“ oder „sensibel“ gelten (insbesondere in den Bereichen Waffen, Munition, Sprengstoff, Kryptologie oder im Rahmen geheimer Verteidigungstätigkeiten);

ii. Tätigkeiten betreffend Infrastrukturen, Güter oder Dienstleistungen, die zur Wahrung nationaler Interessen ausschlaggebend sind in den Bereichen: Energie, Trinkwasser, Transportwesen, Raumfahrt, elektronische Kommunikation, Ordnungskräfte, Betrieb von Einrichtungen von „vitalem Interesse“ im Sinne des Code de la défense, Gesundheitswesen, Nahrungsmittelsicherheit und Presse (Artikel R151-3, II des CMF);

iii. Forschung und Entwicklung in den Bereichen (i) der Schlüsseltechnologien und (ii) Güter und Techno-logien mit doppeltem Verwendungszweck (zivil und militärisch), jeweils für Anwendungen in einem der kritischen Sektoren (Artikel R151-3, III des CMF).

Zur Liste der Schlüsseltechnologien wurde per Erlass (Arrêté) vom 27. April 2020 im Rahmen der Corona-Krise der Bereich „Biotechnologien“ hinzugefügt sowie per Arrêté vom 10. September 2021 die Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien.

Laut CMF sind, im Gegensatz zur Fusionskontrolle, wirtschaftliche Daten des Zielunternehmens oder des Investors, wie Jahresumsatz oder Marktanteil, für die Investitionskontrolle nicht ausschlaggebend. Die wirtschaftlichen Daten zum Zielunternehmen, die dem Ministerium im Rahmen eines Antrags mitgeteilt werden, fließen aber in die Bewertung einer Investition durch den Wirtschaftsminister ein.

1.3 Ausnahmen

Eine Genehmigungspflicht besteht laut Artikel R.151-7 des CMF nicht (i) für gruppeninterne Investitionen, wenn alle juristischen Personen der Gruppe zu mehr als 50% direkt oder indirekt vom selben Aktionär kontrolliert werden, (ii) bei der Überschreitung der Schwelle von 25% der Stimmrechtsanteile, wenn der Investor bereits im Vorfeld mit Genehmigung die Kontrolle erworben hatte, (iii) für den Kontrollerwerb, wenn der Investor im Vorfeld bereits 25% der Stimmrechtsanteile mit Genehmigung erworben hatte. Im letzten Fall muss der Investor den Kontrollerwerb dem Wirtschaftsminister vor Vollzug mitteilen. Sollte der Wirtschaftsminister binnen 30 Tagen keinen Widerspruch einlegen, gilt der angezeigte Kontrollerwerb als genehmigt.

Die Ausnahmen gelten insbesondere nicht, wenn die Investition zum Ziel hat, einen der kritischen Geschäftszweige ins Ausland zu verlegen.

2. Genehmigungsverfahren

2.1 Ablauf

Seit Einführung der Loi Pacte, die den Verfahrensablauf transparenter gestaltet hat, gliedert sich das Verfahren in zwei Phasen, ähnlich dem Verfahren der Fusionskontrolle. Zudem wurde die Möglichkeit einer Vorabanfrage erweitert.

Vorabanfrage
Laut Artikel R.151-4 des CMF kann der Investor, aber neuerdings auch das Zielunternehmen, eine Vorab-anfrage an das Wirtschaftsministerium richten, um feststellen zu lassen, ob die Tätigkeit des Zielunternehmens (oder des Geschäftszweiges) teilweise oder vollständig als „kritisch“ im Sinne des CMF gilt. Das Wirtschaftsministerium beantwortet eine solche An-frage innerhalb von zwei Monaten. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit von dieser Möglichkeit in der Praxis Gebrauch gemacht werden wird, da im Falle einer positiven Antwort des Ministeriums (d.h. das Unternehmen ist in einem der kritischen Bereiche tätig) dann noch das gesamte Genehmigungsverfahren durchlaufen werden muss.

2021 wurden laut Wirtschaftsministerium 41 Vorab-anfragen gestellt und davon wurden 76% der Anfragen für die Investitionskontrolle als unkritisch eingestuft.8

Genehmigungsverfahren
Das Genehmigungsverfahren beginnt mit dem Ein-reichen des Antrags bei der Direction Général du Trésor und gliedert sich anschließend in zwei Phasen (Artikel R.151-6 des CMF) :

(i) Der Wirtschaftsminister muss innerhalb von 30 Werktagen ab Erhalt des Antrags entscheiden, (i) den Antrag abzulehnen, da er die Investition als nicht genehmigungspflichtig einstuft, (ii) den Antrag anzunehmen und die Genehmigung ohne Auflagen zu erteilen oder (iii) ein weitergehende Prüfung anzuordnen. Im Rahmen einer weitergehenden Prüfung kann das Ministerium zusätzliche Informationen zu Investition, Zielunternehmen und/oder Inverstor einfordern.

(ii) Wird eine weitergehende Prüfung angeordnet, hat das Ministerium 45 Werktage, um die Genehmigung zu verweigern oder, gegebenenfalls unter Auflagen (siehe unten 2.2), zu erteilen.

Vor Inkrafttreten der Loi Pacte war das Verfahren nur in eine Phase mit einer Frist von zwei Monaten gegliedert. Die Frist begann jedoch erst ab Bestätigung der Vollständigkeit des Antrags durch das Ministerium, was ihm in der Praxis regelmäßig die Möglichkeit gab, den Fristbeginn hinauszuzögern.

Hinsichtlich des im Rahmen der Corona-Pandemie neu geregelten Falles der Überschreitung des Schwellenwerts von 10% bei börsennotierten Unternehmen wurde ein vereinfachtes Schnellverfahren eingeführt, in dem das Wirtschaftsministerium innerhalb von zehn Tagen entscheiden muss, die Transaktion zu genehmigen oder einer weiteren Prüfung zu unterziehen.

Im Falle einer geplanten Investition durch ein oder mehrere Mitglieder einer Kontrollkette kann der Antrag von einem Mitglied der Kontrollkette im Namen aller beteiligten Investoren gestellt werden9.

Der CMF enthält die Liste der einzureichenden Unter-lagen und Informationen10. Der Investor muss insbesondere seine Kapitalverflechtungen oder finanzielle Unterstützung seitens eines Drittstaates oder einer öffentlichen Einrichtung außerhalb der Europäischen Union während der letzten fünf Jahre offenlegen.

Seit dem 1. Januar 2022 wurde per Erlass die Liste um die Informationen zur Umsetzung der europäischen FDI Screening VO erweitert, insbesondere um ein englischsprachiges Formular, in dem unter anderem die Tätigkeit des Zielunternehmens in der Europäischen Union und die Strategie des Investors in der EU dargelegt werden müssen.11 Das Formular ist auf der Internetseite des Ministeriums abrufbar.

Die Reform von 2019 hat klargestellt, dass das Schweigen des Ministeriums oder eine fehlende Antwort innerhalb der obigen Fristen bei jeglicher Phase des Verfahrens oder einer Vorabfrage als Ablehnung gilt, einzige Ausnahme hierzu ist das Schnellverfahren bei Überschreiten der 10%-Schwelle bei börsennotierten Unternehmen.

Die Loi Pacte verpflichtet die französische Regierung, die statistischen Daten zur Investitionskontrolle jährlich zu veröffentlichen und dem Parlament jährlich Bericht zu erstatten.

Im Gegensatz zur Fusionskontrolle werden die einzelnen Entscheidungen des Wirtschaftsministers zur Investitionskontrolle jedoch nicht veröffentlicht und können somit in der Praxis nicht als Präzedenzfall dienen.

2021 wurden laut Bericht des Wirtschaftsministeriums von den 328 gestellten Anträgen 124 genehmigt, davon 67 unter Auflagen12. Aus dem Jahresbericht des Wirtschaftsministeriums zur Investitionskontrolle 2021 geht jedoch nicht hervor, wie der Stand der restlichen gestellten Anträge ist und ob es sich hierbei um abgelehnte Anträge oder noch laufende Prüfung handelt oder ob die Anträge von den Investoren zurückgezogen wurden.

2.2 Mögliche Auflagen

Die Loi Pacte hat die bereits bestehende Praxis, die Genehmigung einer Investition unter Auflagen zu erteilen, nun im Gesetz verankert. Damit soll sichergestellt werden, dass das Vorhaben, insbesondere bei seiner Ausführung, nicht gegen die geschützten nationalen Interessen im Bereich der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung oder Verteidigung verstößt (Artikel L.151-3 des CMF).

Die möglichen Auflagen haben laut CMF (Artikel R. 151-8) zur Zielsetzung, den Fortbestand und die Sicherheit von kritischen Tätigkeiten zu gewährleisten (insbesondere bei einer eventuellen Unterwerfung unter fremdes Recht), die Aufrechterhaltung von spezifischem Wissen und Know-how sicherzustellen, die interne Organisation des Zielunternehmens anzupassen (einschließlich der Ausübung der erworbenen Rechte) oder festzulegen, in welcher Form der Investor die mit der Aufsicht der Investition betreute Behörde zu informieren hat.

Der Minister kann insbesondere zur Auflage machen, dass ein Teil der erworbenen Anteile oder ein Geschäftszweig des Zielunternehmens an einen vom Ministerium genehmigten Dritten veräußert wird13. Wenn sich bei einem Genehmigungsverfahren oder im Rahmen der Voranalyse der Transaktion die Möglichkeit einer dahingehenden Auflage seitens des Ministeriums abzeichnet, sollte im Interesse des Transaktion frühzeitig mit der Suche nach einem geeigneten Drittkäufer begonnen werden.

In der Praxis werden die Auflagen generell per ein-seitiger Verpflichtung des Investors gegenüber dem französischen Staat festgesetzt. In seiner anschließenden Genehmigungsentscheidung nimmt der Minister dann Bezug auf die vom Investor eingegangenen Verpflichtungen.

Es ist jedoch äußerst selten, dass der Minister formell eine Genehmigung verweigert (und diese würde, wie ausgeführt, nicht veröffentlicht), da die Investoren im Regelfall von ihrem Projekt Abstand nehmen, wenn die geforderten Auflagen zu umfangreich werden.

In der M&A-Praxis wird regelmäßig im Share Purchase Agreement die Risikoverteilung zur Investitionskontrolle festgelegt und bestimmt, welches Maß an Auflagen der Investor zu akzeptieren hat, damit diese aufschiebende Bedingung hierzu als erfüllt beziehungsweise nicht erfüllt gilt, ähnlich wie bei der Fusionskontrolle.

3. Sanktionen und Ausführungskontrolle

Die Loi PACTE hat den Sanktionskatalog des Wirtschaftsministeriums deutlich ausgeweitet, und die Investoren setzen sich somit erheblichen Strafen, inklusive Geldstrafen, aus, sollten sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.

(1) Wird eine genehmigungspflichtige Investition ohne Genehmigung durchgeführt, hat der Minister die Möglichkeit:

• zu verfügen, dass der Investor die Transaktion nicht fortsetzt, sie ändert oder den vorherigen Zustand wiederherstellt, sowie anzuordnen, dass ein Antrag auf Genehmigung der Transaktion gestellt wird14;
• seine Verfügungen mit einem Zwangsgeld von maximal 50.000 EUR pro Tag zu belegen15 ;
• tiefgreifende Schutzmaßnahmen anzuordnen16, wie die Aussetzung der erworbenen Stimmrechte des Investors, das Verbot, Dividenden oder Ausschüttungen an die erworbenen Anteile des Investors auszuzahlen oder die Verfügung von Vermögenswerten zeitweise auszusetzen;

(2) Sollten bei einer genehmigten Investition die Auflagen oder Bedingungen nicht beachtet werden, kann der Wirtschaftsminister die Genehmigung widerrufen, verfügen, dass der Investor seinen Verpflichtungen nachkommt, gegebenenfalls unter Verhängung eines Zwangsgeldes, oder andere Auflagen festsetzen, einschließlich der Wiederherstellung des vorherigen Zustandes oder die Veräußerung von Vermögenswerten aus den kritischen Sektoren.

In beiden Fällen kann der Wirtschaftsminister zudem Geldstrafen verhängen17 von maximal dem Höchsten der folgenden Beträge : (i) die doppelte Investitions-summe der Transaktion, (ii) 10% des weltweiten Jahresumsatzes vor Steuern des Zielunternehmens oder (iii) 5 Mio. EUR für juristische Personen und 1 Mio. EUR für natürliche Personen.

Zudem ist laut Artikel L.151-4 des CMF jegliche Vereinbarung, eine genehmigungspflichtige Transaktion ohne erteilte Genehmigung durchzuführen, nichtig.

4. Auswirkungen auf die M&A-Praxis

Die Reform von 2019 hat die französische Investitionskontrolle hinsichtlich Genehmigungsverfahren, Fristen und einzureichende Unterlagen transparenter gestaltet und die vorherige Praxis der Erteilung von Genehmigungen unter Auflagen in den CMF aufgenommen.

Im Vorfeld einer M&A-Transaktion bleibt es jedoch regelmäßig schwer zu bestimmen, ob ein bestimmtes Unternehmen in einem der kritischen Sektoren tätig ist, da die Sektoren offen definiert sind und, anders als bei der Fusionskontrolle, Entscheidungen nicht veröffentlicht werden. Wie bereits ausgeführt, ist die Investitionskontrolle bewusst als ein protektionistisches Instrument der französischen Wirtschaftspolitik angelegt.

In der Praxis sollte die Frage der Genehmigungspflicht einer Transaktion frühzeitig in die Überlegungen und Planung aufgenommen und eventuell auch informell der Austausch mit dem Wirtschaftsministerium gesucht werden. Bei potenziell genehmigungspflichtigen Transaktionen sollte sich der Investor zudem Gedanken über das für ihn akzeptable Ausmaß möglicher Auflagen machen und diese in seine Analyse der Transaktion einbeziehen. Denn hinsichtlich der möglichen Auflagen müssen sich Investoren darauf einstellen, dass das Ministerium sich immer wieder als sehr kreativ erwiesen hat und versucht, auf verschiedenen Wegen die nationalen französischen Interessen im Bereich der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung oder Verteidigung zu schützen, auch über den Abschluss einer Transaktion hinaus. So fordert das Ministerium regelmäßig, dass der Investor ihm jährlich über die Entwicklung seiner Investition und des Zielunternehmens Bericht erstattet. Im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens werden die geforderten Auflagen im Austausch mit dem Ministerium in einem gewissen Umfang häufig noch ausgearbeitet oder verhandelt.

5. Das europäische Kooperationssystem – eine zusätzliche Hürde?

In den ersten zwölf Monaten nach Inkrafttreten der FDI Screening-VO wurden im Rahmen des europäischen Kooperationssystems 265 Transaktionen an die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission gemeldet, davon 108 von französischer Seite18. Für Frankreich ist das System von strategischem Interesse, und das Wirtschaftsministerium war in den für den Informationsaustausch geschaffenen Gremien sehr aktiv. Laut Wirtschaftsministerium konnten durch den Informationsaustausch Transaktionen identifiziert werden, die der französischen Investitionskontrolle unterliegen. Der Informationsaustausch hat dem Ministerium laut eigener Aussage ebenfalls erlaubt, seine Risikoanalyse zu verfeinern, insbesondere wenn das Zielunternehmen in mehreren Ländern der Europäischen Union tätig war.19

Laut Wirtschaftsministerium ist es Frankreich jedoch ein Anliegen, die Parteien im Rahmen des europäischen Informationsaustausches zu begleiten und sicherzustellen, dass durch die Umsetzung der FDI Screening- VO keine zusätzliche, disproportionierte Belastung oder Hürde für Investoren geschaffen wird. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Anliegen langfristig den Praxistest besteht.

Angesichts der fortschreitenden Ausweitung der Investitionskontrolle, der zusätzlichen Anforderungen durch das europäische Kooperationssystem und der gängigen Antragspraxis sollten sich somit auch Investoren aus EU-Ländern im Vorfeld rechtzeitig mit dem Thema Investitionskontrolle in Frankreich beschäftigen, um Verzögerungen beim Genehmigungsverfahren oder eventuelle Sanktionen zu vermeiden.

1 Les Echos „L’attractivité de la France pousse les investissements étrangers à un niveau record“, 14. März 2022 2 Direction général du Trésor „Le contrôle des investissements étrangers en France en 2021“ März 2022. 3 www.elysee.fr/emmanuel-macron/choose-france#beginning 4 Arrêté vom 31. Dezember 2019: Relatif aux investissements étrangers en France. 5 Arrêté vom 27 April 2020 6 Les Echos, „Coronavirus : la France va renforcer le contrôle des investissements étrangers“, 29. April 2020. 7 Art. R.151-1 CMF. 8 Siehe Fn. 2. 9 Art. R.151-5 CMF. 10 Art. R. 151-16 du CMF und Art. 1 des Arrêté vom 31. Dezember 2019: Relatif aux investissements étrangers. 11 Arrêté vom 10. September 2021 12 Siehe Fn. 2. 13 Art. R.151-8 CMF. 14 Art. L.151-3-1 CMF. 15 Art. R.151-14 CMF. 16 Art. L.151-3-1 CMF. 17 Art. L.151-3-2 CMF. 18 Siehe Fn. 2. 19 Siehe Fn. 2.
Autor
Christian Sauer

Christian Sauer, LL.M., ist Partner im Corporate/M&A-Team von Bryan Cave Leighton Paisner – BCLP in Paris. Er ist spezialisiert auf grenzüberschreitende und inländische M&A-Transaktionen und Joint Ventures und allgemeine französische gesellschafts- und unternehmensrechtliche Angelegenheiten. Nach Studium in Saarbrücken, Freiburg, Paris und Washington D.C. ist er als französischer Avocat in Paris und als Attorney at Law in New York zugelassen. Zusätzlich zu seiner anwaltlichen Tätigkeit ist er aktiv in den internationalen Anwaltsvereinigungen AIJA und IBA sowie dem Club économique franco-allemand in Paris.

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