01.06.2022 | Anna Wojciechowska

FDI Screening-VO und die Regelungen in Polen

In der Beitragsreihe zur FDI-Screening-Verordnung unter dem Titel „One screening fits all?“ wird die Umsetzung der Verordnung in verschiedenen europäischen Ländern näher betrachtet. Die Unterschiede und Anpassungsbedarfe des bisherigen Vorgehens werden je nach Land von versierten Rechtsanwälten aus den betroffenen Staaten dargestellt. Fokusland: Polen!

optional, Recht & Steuern

Beitragsreihe FDI Screening-VO: One screening fits all?

Teil 4: Polen

Der Beitrag ist Teil einer Reihe zur FDI Screening-Verordnung, deren Umsetzung in den EU-Staaten und ihrem Einfluss auf M&A-Transaktionen. Nachstehend wird ein Überblick über die polnischen Regelungen infolge des Inkrafttretens der Novelle des Gesetzes über die Kontrolle mancher Investitionen gegeben, die unter anderem der Anpassung der nationalen Regelungen an die FDI Screening-Verordnung galt.

1. Bisherige Rechtslage – Gesetz aus dem Jahr 2015 über die Kontrolle bestimmter Investitionen

In Polen bestand eine Regelung zur Kontrolle direkter ausländischer Investitionen lange vor dem Erlass der Verordnung (EU) 2019/452 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union („FDI Screening-VO“). Grundlage hierfür war das Gesetz vom 24. Juli 2015 über die Kontrolle mancher Investitionen1, welche auf einzelne strategische Sektoren wie Energiewirtschaft, Sprengstoffherstellung, chemische Industrie und Telekommunikation beschränkt war.

Die geschützten Unternehmen sind mit Firmennamen in den jeweiligen Umsetzungsbestimmungen genannt, das heißt in der Verordnung des Ministerrates, die regelmäßig aktualisiert wird. Der 2015 geschaffene Kontrollmechanismus besteht weiterhin fort. Momentan befinden sich 15 Unternehmen auf der Liste des Ministerrates2. Die Liste ist nicht auf staatliche Unter-nehmen beschränkt und umfasst sowohl staatseigene Unternehmen als auch Firmen aus dem Privatsektor. Das jeweilige in der Auflistung genannte Staatsorgan, grundsätzlich der Minister für Staatsvermögen beziehungsweise der Verteidigungsminister, kann Investitionen widersprechen, die unter anderem zur Übernahme von 20% oder mehr Anteilen am Stammkapital des geschützten Unternehmens führen würden. Anders als im Falle der FDI Screening-VO ist die Kontrolle auf alle Investoren anwendbar, unabhängig von der Nationalität des jeweiligen Investors. Des Weiteren sind für die Kontrolle nicht der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz3, sondern ausschließlich die jeweiligen in der Verordnung des Ministerrates genannten Staatsorgane zuständig.

Dem Gesetz nach hat der Investor sein Investitions-vorhaben dem zuständigen Staatsorgan in der vorgeschriebenen Form anzuzeigen. Dieses ist dann berechtigt, binnen 90 Tagen einen Widerspruch gegen das Investitionsvorhaben zu erklären. Der Widerspruch kann in den gesetzlich zugelassenen Fällen ausgesprochen werden, insbesondere zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung oder der Sicherheit.

Eine Transaktion ohne die erforderliche Anmeldung beziehungsweise entgegen dem Widerspruch des jeweiligen Ministers ist nichtig.

2. Neue FDI Screening-Regelungen ab 24. Juli 2020 in Kraft

Im Rahmen des sogenannten „Anti-Krisen-Schutzschildes 4.0“4 wurde das oben erwähnte Gesetz über die Kontrolle direkter ausländischer Investitionen wesentlich erweitert. Die Novelle ist am 24. Juli 2020 in Kraft getreten, und ihre Geltungsdauer wurde erstmal auf 60 Monate ab dem Inkrafttreten beschränkt5. Mit der Novelle wurde ein weiterer Kontrollmechanismus von M&A-Transaktionen in bestimmten strategischen Wirtschaftssektoren eingeführt. Im Vergleich zu der bisherigen Rechtslage wurde eine separate Liste der strategischen Sektoren aufgestellt. Wichtig ist, dass durch diese Regelung der bestehende Kontrollmechanismus aus dem Jahr 2015 nicht ersetzt, sondern eine weitere Investitionskontrolle eingeführt wird, welche parallel funktionieren soll.

Nach den Richtlinien, die durch das Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz zur Erläuterung der neuen Regelung veröffentlicht wurden6, soll dadurch die polnische Industrie vor „feindlichen Übernahmen“ seitens Investoren von außerhalb der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development – OECD) geschützt werden. Die Freistellung der OECD-Investoren wurde in der Schlussphase der Gesetzgebungsarbeit hinzugefügt und mildert die Auswirkungen der neuen Regeln erheblich, da nicht nur Investoren aus der EU und aus EWR-Staaten, sondern auch die aus den der OECD angehörenden Staaten, wie unter anderem aus den USA, Kanada, Australien, Israel sowie Japan, davon profitieren können.

Die bisherige Praxis zeigt, dass das polnische Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz nach dem In-krafttreten der neuen Regelungen sehr selten tätig war und nur wenige Fälle prüfte. Im Jahre 2020 gingen bei dem Amt lediglich vier Anträge ein7. In zwei Fällen wurde kein Verfahren eigeleitet, da die Vorprüfung ergab, dass die angemeldete Transaktion keiner Kontrollpflicht unterliegt. Ein weiterer Fall wurde positiv entschieden, das heißt gegen die Transaktion wurde kein Widerspruch erhoben. Im letzten Fall wurde das Ver-fahren eingeleitet und im folgenden Jahr fortgesetzt. Im Jahre 2021 wurden insgesamt acht Verfahren eingeleitet, davon drei positiv entschieden und eines eingestellt8.

Aus diesem Grund ist die neue FDI Screening-Regelung auf starke Kritik gestoßen9. Man wirft dem Gesetzgeber vor, dass die Befürchtungen, die durch Covid-19-Pandemie geschwächten Lokalunternehmen würden ein leichtes Ziel von „feindlichen Übernahmen“, übertrieben gewesen seien. Es ist daher unklar, ob die

Geltungsdauer der FDI Screening-Regelungen in Polen angesichts der niedrigen Aktivität des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz im Bereich der Investitionskontrolle verlängert wird. Ohne Verlängerungsgesetz endet ihre Geltungsdauer am 24. Juli 2025.

2.1 Anwendungsbereich – betroffene Wirtschaftssektoren und niedrige Wesentlichkeitsschwelle

Das neue Gesetz wirkt sich auf M&A-Transaktionen erheblich aus, da der gegenständliche Anwendungsbereich des Gesetzes sehr weit ist und viele in Polen ansässige Unternehmen umfasst, wobei der Wesentlichkeitsschwellenwert niedrig gesetzt wurde.

In erster Linie sind alle börsennotierten Gesellschaften, ungeachtet ihres Wirtschaftssektors, durch die neuen Regelungen geschützt. Des Weiteren fallen in den Anwendungsbereich der neuen Regelung auch alle Unternehmen, welche sogenannte kritische Infrastruktur im Sinne der einschlägigen Rechtsvorschriften besitzen. Nach dem Gesetz vom 26. April 2007 über Krisenbewältigung10 werden darunter unter anderem Bauwerke, Ausrüstungen, Anlagen und Dienstleistungen verstanden, die für die Sicherheit des Staates und der Bürger von wesentlicher Bedeutung sind und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung sowie der Institutionen und Unternehmer gewährleisten.

Als letztes fallen in den Anwendungsbereich des Gesetzes alle Unternehmen, welche in den neu aufgelisteten Wirtschaftssektoren tätig sind. Hierzu zählen insbesondere Hersteller von Software für bestimmte Sektoren, Stromerzeuger und -verteiler (sowohl konventionelle als auch erneuerbare Energien), Unter-nehmen, die Treibstoffe transportieren und lagern, Tele-kommunikationsunternehmen sowie medizinische Industrie und Pharmaindustrie (Herstellung von medizinischen Geräten, Instrumenten und Apparaten sowie von Arzneimitteln und anderen pharmazeutischen Produkten usw.), Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Wärme sowie Verarbeitung von Fleisch, Milch, Getreide, Obst und Gemüse.

Anzeigepflichtig sind allerdings nur Investitionen in einem in Polen ansässigen Unternehmen, das in mindestens einem der letzten beiden Geschäftsjahre einen Umsatz von mehr als 10 Mio. EUR in der Republik Polen erzielt hat.

Die neue Regelung gilt nicht für Investitionen in kleinere Unternehmen, das heißt Target-Unternehmen, welche die genannte Umsatzschwelle nicht überschreiten. Im Übrigen sieht das Gesetz eine Ermächtigung für den Ministerrat vor, im Wege einer Verordnung weitere Freistellungen vom Kontrollmechanismus zu bestimmen, wobei durch Covid-19 verursachte Umstände sowie allgemeine Ziele der Regelung berücksichtigt werden sollen.

2.2 Kontrollpflichtige Transaktionen

Kontrollpflichtig sind Investitionen, die durch Investoren von außerhalb der EU-, der EWR- und der OECD-Staaten getätigt werden und zum Erwerb beziehungsweise Erlangung einer beherrschenden Stellung oder einer bedeutenden Beteiligung im Sinne des Gesetzes führen können. Der Begriff der beherrschenden Stellung entspricht grundsätzlich dem Begriff der Kontrollübernahme im Sinne der Rechtsvorschriften über die Kontrolle von Zusammenschlüssen.

Dagegen wird unter dem Erwerb einer bedeutenden Beteiligung (i) der Erwerb oder die Übernahme von mindestens 20% Anteilen oder Aktien an einem Unter-nehmen, (ii) das Erreichen einer Schwelle von 20% oder Überschreiten einer weiteren Schwelle von 40% aller Stimmen in seinem entscheidungsbefugten Organ, (iii) das Erreichen eines entsprechenden Anteils an seinen Gewinnen sowie (iii) der Erwerb oder die Verpachtung des Gesamtgeschäfts des geschützten Unternehmens oder seines Teilbetriebs verstanden.

Demzufolge können außer sogenannten Share-Deal-Geschäften auch in manchen Fällen Asset-Deal-Transaktionen der Kontrollpflicht unterliegen. Ähnlich kann der Erwerb eines Gewinnanteils an einem geschützten Unternehmen als kontrollpflichtige Transaktion eingestuft werden.

Darüber hinaus sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass nicht nur der direkte Erwerb von Anteilen, sondern auch der indirekte Erwerb über eine Tochtergesellschaft, Transaktionen mit Vermögenswerten und alle Arten indirekter Möglichkeiten der Kontrollübernahme oder Einflussnahme auf ein anderes Unternehmen (z.B. Fusionen, Spaltungen, Satzungsänderungen, Einziehung von Anteilen sowie alle anderen Transaktionen oder Aktivitäten, die zum indirekten Erwerb oder zum Erwerb einer bedeutenden Beteiligung oder einer beherrschenden Stellung führen, auch auf der Grundlage von ausländischen Transaktionen, die ausländischem Recht unterliegen) betroffen sind.

Im Unterschied zum Gesetz über den Wettbewerbs- und Verbraucherschutz, welches die Kontrolle der Zusammenschlüsse regelt, sehen die Regelungen betreffend Investitionskontrolle keine ausdrückliche Ausnahme für konzerninterne Umstrukturierungen, was zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Kontrollpflicht von solchen Transaktionen führt.

Ferner wird der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz mit der Befugnis ausgestattet, auch Transaktionen zu prüfen, die darauf abzielen, die Kontrollpflicht zu umgehen. Damit der Präsident eine Kontrolle von Amts wegen einleiten kann, müssen Umstände vorliegen, welche auf einen Missbrauch beziehungsweise eine Umgehung hindeuten, darunter eine Vermeidung der Anmeldepflicht bezwecken. Übt der Investor faktisch keine Geschäftstätigkeit in eigenem Namen aus oder hat er kein festes Unternehmen, Büro oder Personal in einem der EU-, EWG- oder OECD-Mitgliedstaaten, so werden diese Umstände als Indizien für Rechtsmissbrauch beziehungsweise Gesetzumgehung eingestuft.

2.3 Verfahren

Für die Kontrolle von Auslandsinvestitionen nach den neuen FDI Screening-Regelungen ist der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz zuständig, das heißt dieselbe Behörde, die die Zusammenschlusskontrolle nach den Bestimmungen des bereits geltenden Gesetzes über den Wettbewerbs- und Verbraucherschutz ausübt.

Eine Transaktion ist grundsätzlich dem Präsidenten des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz vor deren Vornahme und Abwicklung anzuzeigen. Das Gesetz schreibt vor, dass die Anzeige vor dem Abschluss „eines jeden Vertrages, der eine Erwerbsverpflichtung begründet” zu erfolgen hat, allerdings im Falle börsennotierter Gesellschaften vor der öffentlichen Aufforderung zur Zeichnung der Aktien.

Eine Transaktion darf nicht vollzogen werden, bevor die einschlägige Zustimmung vorliegt beziehungsweise die gesetzliche Frist für die Erteilung eines Zustimmungsbescheids abgelaufen ist.

Der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz kann einer Transaktion widersprechen, wenn zumindest potenzielle Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit der Republik Polen oder die öffentliche Gesundheit in der Republik Polen vorliegt. Die Bewertung wird daher auf sehr allgemeinen Überlegungen beruhen. Dadurch werden dem Präsidenten des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz weitgehende Zuständigkeiten eingeräumt.

Die Zustimmung kann ferner verweigert werden, wenn der Antragsteller nicht alle erforderlichen Informationen übermittelt hat und wenn nicht feststellbar ist, ob das in der EU ansässige Unternehmen, das die Kontrolle oder die bedeutende Beteiligung übernimmt, diese Ansässigkeitsvoraussetzung zumindest in den letzten zwei Jahren erfüllt hat.

Die Freigabe einer Transaktion, die keine Zweifel erweckt, oder die Bestätigung, dass eine Transaktion nicht kontrollpflichtig ist, soll binnen 30 Werktagen erfolgen.

Fälle, in denen ein Kontrollverfahren wegen der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung einzuleiten ist, werden binnen 120 Kalendertagen beendet (die Wartezeit für die Beantwortung zusätzlicher Fragen des Präsidenten des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz wird nicht mitgerechnet).

Ähnlich wie bei der Zusammenschlusskontrolle hat der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz die Möglichkeit, ein Verfahren von Amts wegen einzuleiten, wenn der ausländische Investor die Anzeige unterlassen hat. Nach Ablauf von fünf Jahren ab Vornahme der Transaktion darf kein Verfahren mehr eingeleitet werden.

Gegen die Entscheidung des Präsidenten des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz in Sachen der Investitionskontrolle ist eine Klage an das zuständige Verwaltungsgericht statthaft.

2.4 Sanktionen

Meldepflichtige Transaktionen, die ohne die erforderliche Anmeldung an den Präsidenten des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz beziehungs-weise entgegen seinem Widerspruch vorgenommen wurden, sind nichtig.

Darüber hinaus steht dem Präsidenten des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz das Recht zu, Beschlüsse einer Gesellschafterversammlung anzufechten, die unter Verletzung der Regelungen über die Kontrolle von Investitionen gefasst wurden.

Laut Gesetz sind ferner für Verstöße gegen die neuen Regelungen sehr rigide Strafen vorgesehen. Diese können sowohl finanziell wie Geldstrafen bis zu 50.000.000 PLN (ca. 10.000.000 EUR) als auch strafrechtlich (bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) sein. Die Strafen können sowohl dem Investor als auch natürlichen Personen, die in seinem Namen handeln, auferlegt werden.

3. Auswirkungen auf M&A-Transaktionen

Wegen der gegebenenfalls weitreichenden Kontrollpflicht bei Auslandsinvestitionen wirkt sich die neue Regelung auf M&A-Transaktionen erheblich aus. Das Gesetz schützt zahlreiche Unternehmen aus vielen in dem Gesetz genannten Wirtschaftssektoren. Die Vorbereitungsphase und der Zeitrahmen bei inter-nationalen Transaktionen werden durch den weiten Anwendungsbereich des neuen Gesetzes deutlich beeinflusst. Zugleich können sehr unterschiedliche Transaktionsstrukturen der Kontrollpflicht unterliegen, zum Beispiel indirekte Kontrollübernahmen über ein geschütztes Unternehmen oder ausländische Transaktionen, die ausländischem Recht unterliegen. Unklar ist die Betrachtung von konzerninternen Umstrukturierungen, da eine ausdrückliche Ausnahme für derartige Transaktionen nicht vorgesehen wurde. Die Beantragung einer Entscheidung, dass keine Gründe für das Einleiten des Verfahrens bestehen, könnte hier erwogen werden, und die Behörde hat solche Entscheidungen bereits erlassen.

Die zuständige Behörde, das heißt der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz, wurde mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Seine Zustimmung kann auch dann verweigert wer-den, wenn eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit beziehungsweise die öffentliche Gesundheit vorliegt. Dies hat eine Rechtsunsicherheit zur Folge, da die Entscheidungen der Behörde nur schwer absehbar sind. Die bisherige Entscheidungspraxis und positiven Ergebnisse der Investitionskontrolle sind zwar erfreulich, allerdings noch nicht ausreichend, um von einer stabilen und vorhersehbaren Rechtspraxis zu sprechen.

Die Ausstattung des Präsidenten des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz mit den neuen Kompetenzen hat ferner zur Folge, dass die Unternehmen oft mit einer Situation konfrontiert sein werden, in der bei einer Transaktion praktisch zwei Genehmigungen derselben Staatsbehörde erforderlich sein werden, allerdings basierend auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, das heißt aufgrund der Regelungen über die Zusammenschlusskontrolle einerseits und andererseits aufgrund der Kontrolle von Auslandsinvestitionen.

Bei Abgabe dieses Artikels war es noch nicht bekannt, ob ein weiteres Verlängerungsgesetz erlassen wird, um die Geltungsdauer der neuen FDI Screening-Regelungen in Polen zu verlängern. Ohne dieses Gesetz treten die neuen Regelungen am 24. Juli 2025 außer Kraft. Die Investitionskontrolle würde dann lediglich aufgrund der „älteren“ Regelungen des Gesetzes über die Kontrolle mancher Investitionen aus dem Jahre 2015 wahrgenommen.

4. Rechtsvergleich Österreich & Polen

Rückblickend auf den Beitrag von Christopher Jünger zu den österreichischen Regelungen schließt dieser Beitrag mit einem kurzem Rechtsvergleich.

In beiden Ländern bestanden Regelungen zur Kontrolle von Auslandsinvestitionen bereits vor dem Erlass der FDI Screening-VO. Deren Anwendungsbereich war jedoch sehr viel enger.

In Polen gibt es derzeit zwei parallele Kontrollmechanismen, die unabhängig voneinander bestehen, eines nach den bisher geltenden Regelungen und das zweite durch die Gesetzesnovelle eingeführt und ab dem 24. Juli 2020 in Kraft. In Österreich dagegen besteht ein einheitliches Kontrollverfahren nach dem geltenden Investitionskontrollgesetz, das am 24. Juli 2020 erlassen wurde.

Besonderheit der polnischen Umsetzungsvorschriften ist ihre beschränkte Geltungsdauer. Die neuen Regelungen wurden erst einmal nur bis zum 24. Juli 2022 eingeführt und danach bis zum 24. Juli 2025 verlängert. Eine weitere Verlängerung ihrer Geltungsdauer ist unsicher. Eine derartige Lösung war durch die Covid-19-Pandemie sowie eine unsichere internationale Lage bedingt, welche sich negativ auf den Markt und auf den Wettbewerb auswirken kann.

Anders als Österreich hat sich Polen dafür entschieden, nicht nur Investoren aus den EU- und EWR-Staaten beziehungsweise der Schweiz, sondern auch Investoren aus den OECD-Staaten vom Anwendungsbereich des Screenings auszunehmen. Vor dem Hintergrund der Vielzahl an Investitionen insbesondere aus den USA kann dies als bedeutender Unterschied angesehen werden.

Wichtig für die Praxis ist, dass in Österreich zwingend bei jedem Genehmigungsverfahren der EU-Kooperationsmechanismus eingeleitet wird, sodass andere Mitgliedstaaten von einer Transaktion erfahren, sobald in Österreich eine Genehmigung erforderlich ist. Da im Formblatt für den EU-Kooperationsmechanismus Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen des Zielunternehmens in anderen Mitgliedstaaten anzugeben sind, ist nicht auszuschließen, dass andere Staaten daraufhin selbst amtswegig ein (nationales) Prüfungs-verfahren einleiten. In Österreich gab es bereits derartige Fälle. In Polen sind dagegen keine Fälle bekannt, in denen die zuständige Behörde von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet hätte.

Beide Rechtssysteme weisen weitgehende Gemeinsamkeiten im Hinblick auf den gegenständlichen Anwendungsbereich des Screenings auf. Umfasst sind verschiedene Transaktionsstrukturen wie Share Deals, Asset Deals sowie unmittelbare und mittelbare Erwerbe. Es wurde bedauerlicherweise keine ausdrückliche Ausnahme für konzerninterne Umstrukturierungen vorgesehen.

Des Weiteren wurden in beiden Ländern ähnliche Verfahrensdauern vor der jeweiligen nationalen Behörde wie auch ähnlich drastische Strafen, eine Freiheits-strafe bis zu fünf Jahren in Polen und bis zu drei Jahren in bestimmten Fällen in Österreich, vorgesehen.

1 Gesetz vom 24. Juli 2015 zur Kontrolle mancher Investitionen, Gesetzesblatt vom Jahre 2015, Pos. 1272, bereinigte Fassung vom 27. Oktober 2020, Gesetzblatt vom Jahre 2020, Pos. 2145, mit Änderungen. 2 Verordnung des Ministerrates vom 16. Dezember 2022 betreffend Auflistung geschützter Unternehmen und der für sie zuständigen Kontrollbehörden, Gesetzesblatt vom Jahre 2022, Pos. 2838. Die Verordnung trat am 1. Januar 2023 in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 2023. 3 Polnisch: „Urząd Ochrony Konkurencji i Konsumentów“, Abkürzung: „UOKiK“ 4 Gesetz vom 19. Juni 2020 über Subventionen zur Verzinsung von Bankdarlehen, die den durch COVID-19 betroffenen Unternehmern gewährt werden, und über vereinfachtes Verfahren zur Genehmigung eines Vergleiches im Zusammenhang mit COVID-19 (Gesetzesblatt vom 23 Juni 2020, Pos. 1086), geändert u.a. durch das Gesetz vom 12. Mai 2022 über Änderungen des Gesetzes über die Steuer auf Waren und Dienstleistungen sowie bestimmter anderer Gesetze (Gesetzesblatt von 2022, Pos. 1137). 5 Die Novelle tritt am 24. Juli 2025 außer Kraft, es sei denn, ihre Geltungsdauer wird verlängert. 6 „Investitionskontrolle – Verfahrenstechnische Erläuterungen betreffend Anmeldung und Führung des Verfahrens, welche in den Anwendungsbereich des Gesetzes über die Investitionskontrolle fallen“, polnische Kartellbehörde, veröffentlicht: https://uokik.gov.pl/wyjasnienia_i_wytyczne.php 7 Veröffentlichung der polnischen Kartellbehörde: https://uokik.gov.pl/aktualnosci.php?news_id=18278 8 Bericht der polnischen Kartellbehörde, veröffentlicht: https://uokik.gov.pl/download.php?plik=25581 9 Presseartikel, u.a.: https://businessinsider.com.pl/gospodarka/przepisy/ustawa-o-kontroli-inwestycji-uokik-od-roku-nie-skorzystal-z-tej-mozliwosci/rjcjven 10 Bereinigte Fassung vom 17. November 2021, Gesetzesblatt vom Jahr 2022, Pos. 261
Autor
Anna Wojciechowska

Anna Wojciechowska, LL.M., ist Rechtsanwältin (radca prawny) und Partnerin bei der Rechtsanwaltssozietät WKB Wierciński Kwieciński Baehr sp.k. mit Sitz in Warschau, Polen. Sie leitet das Fachteam für Gesellschaftsrecht und zugleich den German Desk. Anna Wojciechowska ist Absolventin des Jurastudiums an der Universität Poznań, Polen (polnisches Recht) und zugleich der Europäischen Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder (deutsches Recht). Mit über 20 Jahren Erfahrung im Gesellschafts- und Handelsrecht berät sie internationale Mandanten, vornehmlich aus dem deutschsprachigen Raum, bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen sowie bei M&A-Transaktionen.

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