Die massiven Maßnahmen der chinesischen Regierung zur Eindämmung der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus sind ohne Beispiel und haben das öffentliche Leben in weiten Teilen Chinas fast zum Stillstand gebracht. Noch kann niemand verlässlich einschätzen, welchen weiteren Verlauf die Epidemie nehmen wird – die Prognosen reichen von einer schnellen Eindämmung im ersten Quartal bis hin zu einer weltweiten Pandemie bis ins Jahr 2021. Viele Beobachter gehen inzwischen jedenfalls davon aus, dass es nicht vor Jahresmitte zu einer Normalisierung der Geschäftsbeziehungen in und mit China kommen wird. Bereits jetzt sind auch in Deutschland viele Unternehmen von den Auswirkungen betroffen und mit einer Vielzahl rechtlicher Fragen konfrontiert. Für die Transaktionspraxis bringt die Epidemie einen weiteren globalen Unsicherheitsfaktor, der nicht an den Grenzen Chinas halt macht.
Viele Meetings, Roadshows und auch ganze Großveranstaltungen wurden bereits abgesagt, und das nicht nur in Asien. Arbeitgeber stehen vor der Frage, ob sie Mitarbeiter derzeit auf Geschäftsreisen nach China schicken dürfen oder umgekehrt Mitarbeiter gegebenenfalls sogar aus China zurückholen müssen. Anders als in China hält das deutsche Recht hier keine speziellen Regelungen vor, aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergeben sich aber doch bestimmte Pflichten. So muss der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen bei Dienstreisen beachten. Generell gilt, dass sich kein Arbeitnehmer einer Lebensgefahr aussetzen muss. Im Moment sollten am besten nur noch unvermeidliche Reisen nach China angeordnet werden und geprüft werden, wie gefährlich die aktuelle Situation für entsandte Mitarbeiter vor Ort in China ist. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die Provinz Hubei und rät von nicht notwendigen Reisen in das übrige Staatsgebiet der Volksrepublik China, mit Ausnahme von Hongkong und Macao, ab.
Im Tagesgeschäft müssen sich viele Unternehmen momentan mit Produktionsausfällen in China und Unterbrechungen der Lieferketten befassen. Unter dem Stichwort „Force Majeure“ stellen sich zum Teil schwierige rechtliche Fragen zu Lieferpflichten und Schadensersatzansprüchen. Die Transaktionspraxis wiederum hat ihre eigenen Herausforderungen. Bei fast allen Projekten mit chinesischer Beteiligung verschieben sich die Zeitfenster aktuell, in Bieterverfahren werden teilweise die Fristen verlängert. In den Vertragsdokumenten kommen die Regelungen zum Kaufpreis, Anpassungen zum Closing sowie MAC-Klauseln und allgemein Szenarien hinsichtlich Kündigung oder Rücktritt auf den Prüfstand.
Der Ausbruch des Coronavirus wird sich zwangsläufig negativ auf Dealmeldungen auswirken, wie erste Zahlen für 2020 auch bestätigen. Dealogic zufolge ist die Anzahl der Transaktionen mit chinesischer Beteiligung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Drittel niedriger und das Transaktionsvolumen sogar um 70% eingebrochen. Allerdings wird dieser Trend wohl nicht alle Bereiche betreffen, insbesondere Distressed Deals könnten zunehmen, und im Bereich Healthcare kann durchaus ein Anstieg der M&A-Transaktionen erwartet werden. Viel wird sicherlich davon abhängen, wie schnell die Maßnahmen der chinesischen Behörden greifen. Wir gehen davon aus, dass Unternehmen aufgrund der Beeinträchtigungen der Epidemie auch über eine stärkere Diversifizierung nachdenken werden. Die Tendenz, Produktionskapazitäten aus China zu verlagern, könnte sich ebenfalls verstärken. Eine Normalisierung der zuletzt überhöhten Bewertungen sowie eine gegebenenfalls erzwungene Lockerung der staatlichen Investitionskontrolle könnte dem M&A-Geschehen in China jedoch mittelfristig durchaus neuen Schub geben.