14.11.2022 | Dr. Claudia Schrimpf-Dörges, Jana Höfer, Christoph Kayser, Laura Motschmann, Dr. Stefan Hannen

Herausforderungen bei Einführung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Mittelstand

Allgemein, optional, Small & Midcaps

Spätestens seit die Europäische Union (EU) die Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) angekündigt hat, ist auch jenseits des Kapitalmarkts eine bedeutende Anzahl an Unternehmen mit den Herausforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung konfrontiert.

Ab dem Geschäftsjahr 2025 werden alle großen Unternehmen1 verpflichtet sein, nach den Anforderungen der CSRD beziehungsweise der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) über Nachhaltigkeitsthemen zu berichten. Das betrifft auch weite Teile des Mittelstands. Schon heute setzen sich viele Unternehmen mit der Einführung von Nachhaltigkeitsstrategien, -strukturen und -reportings auseinander, um den bevorstehenden Anforderungen mit dem nötigen Vorlauf begegnen zu können. Dieser Artikel skizziert die notwendigen Schritte auf dem nicht immer ganz einfachen Weg. Er schildert dabei ausgewählte Herausforderungen, mit denen Unternehmen bei der Umsetzung konfrontiert sind.

Nachhaltigkeit im Unternehmen einführen – systematischer Weg zur Berichterstattung

Nicht nur die aufkommenden Berichtspflichten aus CSRD und ESRS, sondern auch die Anforderungen verschiedener Stakeholder-Gruppen sind aktuell starke Treiber für Unternehmen, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen und auch dazu zu berichten. In einem systematischen Ansatz (vereinfachte Darstellung siehe Abb. 1) gilt es zunächst, diese Treiber zu identifizieren und zu bündeln – ebenso wie bereits bestehende Ansätze im Unternehmen zu aggregieren. Mit einer Wesentlichkeitsanalyse lassen sich die relevanten Nachhaltigkeitsthemen des Unternehmens ermitteln und priorisieren. Das dient als Grundlage für eine Nachhaltigkeitsstrategie, die Handlungsfelder, Ziele, Maßnahmen und Kennzahlen umfasst. Ein Nachhaltigkeitsmanagement legt die organisatorischen Strukturen und Prozesse fest – inklusive steuerungsrelevanter Kennzahlen und Daten. Letztere können zugleich auch Basis für die externe Berichterstattung sein, die sich meist an freiwilligen oder verpflichtenden Standards orientiert – künftig insbesondere an den ESRS.

Alle diese Schritte bringen in der Umsetzung Herausforderungen mit sich. Zwei zentrale Themen, die wir in der Beratungspraxis als herausfordernd für die Unternehmen wahrnehmen, sind die Zielentwicklung im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie sowie die Datenerhebung für Steuerung und Berichterstattung.

Nachhaltigkeitsziele setzen – im Spannungsfeld von externen Erwartungen, eigenen Ambitionen und Realisierbarkeit

Bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitszielen müssen die Unternehmen verschiedene Interessen abwägen. Hier sind zum einen externe Erwartungen verschiedener Stakeholdergruppen zu nennen, darunter Investoren, Vertragspartner, Kunden und Mitarbeiter oder die Gesellschaft. Dazu kommen die eigenen Ambitionen des Unternehmens – zum Teil getrieben durch die angestrebte Vorreiterrolle in der Branche. Dem gegenüber steht die Realisierbarkeit. Denn Maßnahmen zur Zielerreichung, beispielsweise zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks, können mit größeren Investitionen verbunden sein. Nicht immer gehen damit kurzfristige wirtschaftliche Vorteile einher, sodass es sowohl die Fähigkeit als auch den Willen braucht, die nötigen Investitionen zu tätigen. Unter diesen Rahmenbedingungen müssen die Unternehmen eine Balance finden: das richtige Maß an Ambition, ohne sich damit zu überfordern.

Orientierung können externe Referenzpunkte bieten. Im Bereich der CO2-Emissionen ist hier etwa die Science Based Targets Initiative (SBTi) zu nennen. Sie zeigt Unternehmen einen Weg zur Erreichung von Emissionszielen auf, die konform mit den globalen 1,5 °C- bzw. 2 °C-Zielen des Abkommens von Paris sind, und validiert die so gesetzten Unternehmensziele. Unsere Erfahrung zeigt, dass diese Ziele je nach Ausgangssituation für die Unternehmen sehr ambitioniert sein können. Das bedingt entsprechendes Commitment und geht mit Transparenzanforderungen einher. Einmal öffentlich kommuniziert, lassen sich Ziele schwer zurückschrauben.

Die gesetzten Ziele wollen also gut geplant und berechnet sein, was entsprechendes Know-how voraussetzt. Beispielsweise ist vielen Unternehmen nicht bewusst, dass eine externe Kompensation von Emissionen für die Erreichung von Reduktionszielen nicht berücksichtigt werden kann. Für Nachhaltigkeitsziele braucht es eine ähnlich systematische Auseinandersetzung wie für die Ermittlung finanzieller Ziele. Dazu passt, dass nach Einschätzung der EU künftig Finanzberichterstattung und Nachhaltigkeitsberichterstattung als gleichrangig anzusehen sind.

Nachhaltigkeitsdaten erheben – konsistent und anforderungskonform

Eine weitere wichtige Herausforderung ist die Datenerhebung für die Steuerung und Berichterstattung. Auch hier spielen die Daten zur CO2-Bilanzierung eine zentrale Rolle. Sie richten sich meist nach den Anforderungen des GHG-Protokolls. Treibhausgasemissionen lassen sich in Scope 1 (direkte Emissionen aus vom Unternehmen kontrollierten Quellen, bspw. aus dem Betrieb von Maschinen oder dem eigenen Fuhrpark), Scope 2 (indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie) und Scope 3 (indirekte Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette) kategorisieren. Rund um die Konformität mit den Anforderungen des Protokolls und die überschneidungsfreie Zuordnung zu den verschiedenen Scopes begegnen uns zahlreiche Anwendungsfragen – verbunden mit entsprechendem Umsetzungsaufwand. Dasselbe gilt für die Berechnung von CO2-Äquivalenten. Dazu müssen Verbräuche erhoben und mit den zugehörigen Emissionsfaktoren multipliziert werden. Nicht immer sind beispielsweise Rohdaten verfügbar, sodass man Schätzungen heranziehen muss. Diese müssen plausibel und nachvollziehbar dokumentiert sein, vor allem mit Blick auf die künftige Prüfungspflicht der Berichte.

Wichtig ist zudem eine konsistente Datenerhebung und -verarbeitung – auch über Ländergrenzen hinweg. Bei international tätigen Unternehmen können Kommunikation und Datenerfassung erfahrungsgemäß schnell komplex werden. In der Praxis zeigen sich nicht selten Unterschiede in der Dokumentation und Pflege der Daten. Softwarelösungen können zu einheitlichen Standards in der Verarbeitung, Aggregation und Validierung der Daten beitragen. Nicht minder wichtig sind jedoch Mechanismen bei der Erhebung und Bereitstellung – etwa durch eindeutige Anleitungen und Unternehmensrichtlinien für die verantwortlichen Personen.

Fazit und Handlungsempfehlung

Unsere Erfahrung aus der Beratung zur Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung zeigt uns, an welchen Stellen Unternehmen auf Herausforderungen stoßen, etwa im Rahmen der Zieldefinition oder der Datenerhebung. Angesichts dieser Hürden empfiehlt sich zur Vorbereitung der Berichterstattung eine Auseinandersetzung mit den notwendigen Schritten und Anforderungen – frühzeitig vor der anstehenden Berichtspflicht zum Geschäftsjahr 2025. Da Nachhaltigkeitsthemen in fast alle Unternehmensbereiche hineinreichen, ist es zudem ratsam, das gesamte Unternehmen in den Prozess einzubeziehen und das Thema auf höchster Ebene zu verankern.

1 Unternehmen, die zwei der drei folgenden Größenkriterien erfüllen: mehr als 250 Beschäftigte, mehr als 20 Mio. EUR Bilanzsumme und mehr als 40 Mio. EUR Umsatz.
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