22.03.2023

„Investition in die eigene Zukunftsfähigkeit“

Wie kann ein Unternehmen durch Investitionen und Innovationen rund um den Bereich ESG resilienter werden? Diese Frage beantwortet Prof. Oliver Herkommer, Managing Partner der Ingenics AG, im Interview.

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Wie kann ein Unternehmen durch Investitionen und Innovationen rund um den Bereich ESG resilienter werden? Diese Frage beantwortet Prof. Oliver Herkommer, Managing Partner der Ingenics AG, im Interview.

LEBENSWERK: Herr Herkommer, erklären Sie uns bitte kurz, was Ingenics macht.

Prof. Oliver Herkommer: Wir beraten seit über 40 Jahren Unter-nehmen aller Branchen in den Bereichen Strategie, Prozess und Organisation. Unser Fokus liegt auf den Themen ganzheitliche Transformation und Digitalisierung von Geschäftsmodellen, Produkten und Prozessen. Ziel ist die Konzeption und Realisierung intelligenter Lösungen für eine nachhaltige Produktion und Fabrik der Zukunft. Unsere Kunden profitieren von einer ganzheitlichen End-to-End-Beratung und einer punktgenauen Umsetzung. Wir sind an mehreren Standorten in Deutschland, aber auch weltweit – in Großbritannien, Tschechien, Frankreich, China, den USA und Mexiko – vertreten.

LEBENSWERK: Nachhaltigkeit wird zunehmend ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, Unternehmen resilient und zukunftsfähig aufzustellen. Wie sollte ein Unternehmen vorgehen, will es sich in Sachen ESG optimal positionieren?

Prof. Oliver Herkommer: Eines muss von vornherein klar sein: Unternehmen können nicht von heute auf morgen treibhausgasneutral und nachhaltig werden. Dazu bedarf es einer langfristigen Strategie, die über Jahrzehnte umgesetzt werden muss. Klimaziele müssen deshalb im strategischen Management verankert werden. Wichtig ist dabei ein energetischer Masterplan, mit dem zielführende Maßnahmen identifiziert, in kleine Teilschritte heruntergebrochen und in den kommenden Jahren bearbeitet werden. Wer die eigenen Umwelteinwirkungen bilanziert, hat bereits eine gute Basis für eine zielgerichtete Optimierung. Mit dem Prinzip Vermeiden, Reduzieren und Kompensieren wird eine Treibhausgasneutralitätsbilanz nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch zum Erfolg für ein Unternehmen. Nachhaltigkeit wird damit zum wettbewerbsentscheidenden Faktor. Allerdings agieren die meisten Unter-nehmen, das ist zumindest unsere Beobachtung, dabei leider noch viel zu zögerlich.

Häufig wird der Schwerpunkt bei nachhaltigen Transformationsbemühungen auf den ökologischen Aspekt gelegt. Das greift allerdings zu kurz. Wie der Begriff schon nahelegt, ist ESG ein gleichwertiges Zusammen-spiel der drei Bereiche Environment, Social und Governance. Nachhaltigkeit darf nicht von oben verordnet, sondern muss glaubhaft vorgelebt werden. Transparenz ist hier der Erfolgsfaktor, um die Mitarbeitenden im Prozess mitzunehmen. Das Management muss das große Ganze vordenken, damit die Mitarbeitenden im Rahmen dieser Gesamtstrategie agieren können. Der Einsatz jeder und jedes Einzelnen im Unternehmen ist gefragt, um sich nachhaltig zu transformieren.

Zukunftsfähige Unternehmen schauen über den Tellerrand hinaus und tauschen sich mit anderen Unternehmen und der Wissenschaft aus. Denn gerade nachhaltiges Wirtschaften gelingt nur gemeinsam. Die Motivation von Unternehmen zur nachhaltigen Veränderung sollte nicht der Druck von außen, sondern Eigeninteresse sein. Die Wirtschaft ist hier als Vorreiter gefragt und sollte proaktiv statt reaktiv handeln. Eine nachhaltige Transformation muss aus meiner Sicht zwei Versprechen erfüllen: Die Veränderung muss zum einen selbst nachhaltig sein und zum anderen auch nachhaltig Bestand haben. Wir brauchen keinen blanken Aktionismus, sondern eine ganzheitliche und vor allem glaubhafte Transformation. Nachhaltigkeit muss Teil einer jeden Unternehmens-DNA werden. Nur so kann es funktionieren.

LEBENSWERK: Ein Schwerpunkt Ihrer Beratungstätigkeit liegt auf dem Bereich ESG. Wie gut sind produzierende Unternehmen hier aufgestellt?

Prof. Oliver Herkommer: Grundsätzlich stehen die produzierenden Unternehmen recht gut da. Bei den meisten ist das Bewusstsein bereits vorhanden und die ersten Schritte sind gegangen. Vor allem die Konzerne haben in den letzten Jahren ihre ESG-Bemühungen deutlich verstärkt und sich konkrete Ziele gesetzt. Das zeigt sich auch unter anderem auch darin, dass mittlerweile zahlreiche Vorstandsgehälter an soziale Ziele und Umweltziele geknüpft sind. Genau vor diesem Hintergrund haben wir im vergangenen Jahr eine Studie zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA durchgeführt. Darin haben 80 Prozent der Befragten angegeben, dass in ihrem Unternehmen Nachhaltigkeitsziele definiert seien. Allerdings gibt es teils deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen und auch bei den Umsatzklassen. Generell lässt sich sagen, je höher der Umsatz, desto eher sind auch konkrete Klima-ziele definiert. Nun gilt es, diese Ziele nachzuverfolgen und zu erreichen. Es gaben jedoch rund 30 Prozent unserer Studienteilnehmer an, dass sie noch am Beginn ihrer Bemühungen sind.

LEBENSWERK: Wo liegen die größten Herausforderungen auf dem Weg?

Prof. Oliver Herkommer: Gestiegene Energiekosten, instabile Lieferketten und ein durchgängiger Fachkräftemangel – das sind nur einige Themen, auf die Unternehmen akut reagieren müssen. Angesichts der steigenden Komplexität und Veränderungsgeschwindigkeit gilt es, sich neu zu positionieren, um effektiv und zugleich nachhaltig durch diese unsicheren Zeiten zu navigieren. Das fängt bei den Themen Materialbeschaffung und Produktdesign an und geht über die Fabrikplanung bis hin zur nachgelagerten Logistik und Recycling. Die Industrie steht hauptsächlich vor der Herausforderung, erreichbare und gleichzeitig ambitionierte Ziele zu definieren und diese durch gezielte Maßnahmen zur Emissionsreduktion anzugehen. In unserer Studie wurde vor allem die Investitionshöhe entsprechender Maßnahmen als hemmender Faktor genannt. Dies lässt vermuten, dass ganzheitliche Kostenmanagement-Methoden wie beispielsweise das Life-Cycle-Costing im verarbeitenden Gewerbe derzeit noch keine breite Anwendung finden. Die Emissionsverringerung in der vor- und nachgelagerten Lieferkette ist insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine derzeit nahezu unlösbare Aufgabe.

LEBENSWERK: Wie kann ein Unternehmen die Investitionen stemmen, die für eine sinnvolle ESG-Strategie nötig sind?

Prof. Oliver Herkommer: Die größten Investitionen sind zur Optimierung der eigenen Wertschöpfung erforderlich. Um diese Optimierung zu erreichen, gilt es im ersten Schritt, die Unternehmensstrategie mit der ESG-Strategie zu verknüpfen. Auf dieser Basis kann dann eine Roadmap erstellt und daraus ein auf zehn Jahre entwickelter Masterplan abgeleitet werden. Somit sind Neuinvestitionen mit den Ersatzinvestitionen verknüpft und in machbare Schritte aufgeteilt. Unternehmen müssen anfangen, Nachhaltigkeit nicht als Kostenfaktor zu definieren, sondern als Investition in ihre eigene Zukunftsfähigkeit. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet nicht zwangsläufig höhere Kosten, sondern birgt in vielen Fällen ökonomisches Potenzial. Aus der Erfahrung in unseren Kundenprojekten können wir sagen, dass Maßnahmen in Richtung Nachhaltigkeit immer langfristig wirken.

LEBENSWERK: Wie kann eine Beratung wie Ingenics auf diesem Weg unterstützen?

Prof. Oliver Herkommer: Die Themen Nachhaltigkeit und Reduzierung von CO2-Emissionen stehen für uns vor allem in den Bereichen Produktion, Logistik und Wertschöpfung im Fokus. Hier verfügen wir aus unseren Projekten über zahlreiche Use-Cases und Best Practices. Zudem unterstützen wir unsere Kunden auch dahingehend, in der vorgelagerten Prozesskette die Supply Chain zu optimieren. In diesem Bereichen verfügen wir über das Know-how und die entsprechenden technologischen Lösungen, um Kosten und CO2-Emissionen gegenüberzustellen. Generell zeigt sich: Unternehmen wünschen sich Unterstützung und sind teilweise sogar auf diese angewiesen. Wir verstehen uns in erster Linie als Transformationspartner, der Nachhaltigkeit in allen Bereichen mitdenkt und umsetzt.

LEBENSWERK: Herr Herkommer, danke für die spannenden Anregungen.

Zum Interviewpartner:
Prof. Oliver Herkommer ist Inhaber und Managing Partner der Unternehmensberatung Ingenics. Eine besondere Expertise von Ingenics ist die Transformation und Digitalisierung von Geschäftsmodellen, Produkten und Prozessen. Seit über 40 Jahren ist das Unternehmen branchenübergreifender Partner mit Expertise in Strategie-, Prozess- und Organisationsberatung sowie Umsetzung und Softwarelösungen. Im Fokus steht ein nachhaltiger Ansatz für den Erfolg der Kunden. Das Thema Nachhaltigkeit ist Prof. Herkommer auf beruflicher wie persönlicher Ebene ein großes Anliegen. Seine Vision: die Zero Emission Company.

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