03.05.2022 | Dr. Marco Niehaus

KI-Joint-Ventures, um ESG-Kriterien zu erreichen

KI-Lösungen werden die ESG-Beratung in Zukunft dominieren, und man wird hier ein Wettrennen der Beratungslösungen sehen. Das Aufsetzen einer entsprechend effizienten rechtlichen Plattform kann dort für entscheidenden Vorsprung sorgen.

Allgemein, optional, Standpunkt, Special Topic

Die Wahrscheinlichkeit, dass ESG in der Schlagwortphase steckenbleibt, ist in den vergangenen Monaten erheblich gesunken. In keinem Bereich der Corporate Responsibility hat sich derart viel getan wie zuletzt bei der Analyse der Umsetzungsmechaniken von ESG-Themen. Man kann schlussfolgern, dass das allseits zu hörende Murren um die fehlende Griffigkeit des Themas bei gleichzeitigem Fortschreiten der Diskussionsfrequenz („keine Woche ohne mindestens drei ESG-Webinare“) auch angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Europa leerläuft. Und in der Tat: ESG war und ist das große Schlagwort in der Wirtschaft, aber selten war ein solches besser im Rang der Diskussionsrelevanz platziert. Die Ukraine-Krise zeigt auf schmerzhafte Weise, dass nun kein sinnvolles Management mehr an der Priorisierung von ESG-Kriterien vorbeikommen wird.

Wenn nun etwa eine schnelle Energiewende, veränderte Lieferkettenstrategien oder der Umgang mit Sanktionen die Wirtschaft in Zukunft nachhaltig prägen werden, schließt sich nahtlos die Frage nach einer effizienten Umsetzung dieser Kriterien in den Unternehmen an. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Umsetzung von ESG-Kriterien der langfristigen Schaffung von Werten und der Absicherung gegen Werterisiken dient. Wenngleich auch und gerade deshalb Reputationsthemen eine Rolle für die Umsetzung von ESG-Kriterien spielen, wird es aufgrund der unmittelbar auf Wertzuwachs gerichteten Unternehmensstrategie zur Umsetzung dieser Kriterien vor allem auf Effizienz und Geeignetheit ankommen. Ganz entscheidend sind hierbei die Themen Daten, Datenprozesse und Modellierung. Es verwundert nicht, dass im selben Atemzug meist der Einsatz künstlicher Intelligenz als essenzieller Baustein des unternehmensspezifischen ESG-Grundgerüsts genannt wird. Der Einsatz künstlicher Intelligenz ist im Grunde die einzige Möglichkeit, der extremen Datenflut Herr zu werden und dafür zu sorgen, dass Datensätze sinnvoll anhand von Kriterien geordnet und verarbeitet werden können. Kein ESG-Beauftragter wird daher in Zukunft ohne solche Tools auskommen.

Woran es bislang noch immer mangelt, sind etablierte KI-Gemeinschaftsunternehmen, die sich gezielt auf die Beratung der Umsetzung von ESG-Kriterien etwa vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise spezialisieren. Dies erklärt sich u.a. auch mit Einstiegshürden bei der Zusammenführung von KI-Entwicklern und Investoren. Die Beratungspraxis wird nun zunehmend mit Joint-Venture-Gründungen in diesem Bereich befasst. Dass hier erhebliches Wachstumspotenzial und echte Marktlücken bestehen, verwundert nicht, denn der Einsatz künstlicher Intelligenz bei Modulierungsfragen war bereits bei Covid-19 ein großes Thema. Nun ist mit der Ukraine-Krise eine weitere Disruption globalen Ausmaßes hinzugekommen. Gleichwohl sind die Gründungshürden für Joint Ventures im Bereich der künstlichen Intelligenz erheblich tiefer, man hat also dazugelernt. Worauf es bei der Gründung eines KI-Joint-Ventures vor allem ankommt, sind klare Businesspläne und effiziente Rollenverteilungen. Gibt es auf der einen Seite den Kapitalgeber, hat der Entwickler des KI-Tools freie Bahn und muss sich nicht parallel mit Finanzierungsthemen und der Vermarktung der Tools beschäftigen. Zugleich sollte früh festgelegt werden, welche kurz- und langfristigen Milestones die Entwickler leisten und wie diese mit den individuellen Kapitaleinsätzen korrelieren. In jedem Fall hat sich die Joint-Venture-Lösung bei KI bereits bewährt und kann ein sinnvolles Tool sein, um die klassischen Gründungs- und Marketingthemen sinnvoll zu kanalisieren und den Entwicklern den nötigen Entwicklungsfreiraum zu geben. KI-Lösungen werden die ESG-Beratung in Zukunft dominieren, und man wird hier ein Wettrennen der Beratungslösungen sehen. Das Aufsetzen einer entsprechend effizienten rechtlichen Plattform kann dort für entscheidenden Vorsprung sorgen.

Dr. Marco Niehaus
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Dr. Marco Niehaus

Dr. Marco Niehaus ist Geschäftsführer und Head of M&A DACH bei Acquinex.

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