„Ein Abschied schmerzt immer, auch wenn man sich schon lange darauf freut.“ Die Worte des österreichischen Erzählers Arthur Schnitzler gelten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die meisten Unternehmer, die sich in den Ruhestand verabschieden.
Die Firma, das eigene LEBENSWERK, muss verlassen und vielleicht sogar in mehr oder weniger fremde Hände gegeben werden. Damit dieser Prozess eine reelle Chance auf Erfolg hat und sich neben dem Abschiedsschmerz auch das Gefühl einstellt, das Unternehmen gut versorgt zu haben, braucht es eine optimale Nachfolgeregelung – keine einfache Aufgabe.
Das dritte Panel des Mittelstandstags M&A 2022 war denn auch das emotionalste des Tages, schließlich will sich kein Unternehmer mit dem eigenen Abschied auseinandersetzen. Moderator Dr. Hans-Josef Vogel, Partner bei ADVANT Beiten, tastete sich vorsichtig heran und unterhielt sich mit denjenigen, die den unangenehmen, aber nötigen Prozess von außen begleiten: M&A-Beratern und Rechtsanwälten. Von Andre Wassmann, Mitglied der Geschäftsführung bei Helbling Business Advisors, wollte er zunächst wissen, wann der richtige Zeitpunkt sei, um die eigene Nachfolge anzugehen. Etwa zwölf Monate, so der Experte, brauche es, um einen optimierten Prozess zu erreichen, der es dem Verkäufer ermöglicht, zu verhandeln und Optionen abzuwägen.
Damit der initiierte Transaktionsprozess dann erfolgreich ist, erklärte Dr. Marcus Wittner, Geschäftsführer der contagi Group, sei es essenziell, alle Gesellschafter einzubeziehen, transparent und offen zu kommunizieren. Dr. Martin Rappert, Partner bei ADVANT Beiten und weiterer Diskussionsteilnehmer, ergänzte: „Die Kommunikation des eigenen Exits gegenüber Mitarbeitern, aber auch Kunden und Lieferanten, ist im Mittelstand zum gegebenen Zeitpunkt sehr wichtig.“ Es herrsche oft eine besonders starke Bindung an die Unternehmerpersönlichkeit. Damit gehen auch Herausforderungen einher: Dezentrale Verwaltung, veraltete Aufzeichnungen und verworrene, über Jahre um den Firmeneigentümer gewachsene Strukturen müssen entflochten werden – ohne den Unternehmer zu überfordern.
Deutlich schwieriger und um ein Vielfaches emotionaler wird die Regelung der Nachfolge, wenn der Unternehmer plötzlich stirbt – das musste Panelteilnehmerin Dr. Kirsten Schubert erleben. Ihr Vater, Eigentümer des Familienbetriebs, in dem auch Schubert tätig war, konnte seine Nachfolge nicht mehr regeln. Nach seinem Tod war die Familie nicht nur mit dem Verlust konfrontiert, sondern auch mit der Notwendigkeit, innerhalb von vier Wochen den Verkaufsprozess der Firma anzustoßen – ansonsten wäre für 30 Jahre ein Dauertestamentsvollstrecker eingesetzt worden. „Eine schnelle Entscheidung war nötig“, erklärt Schubert. Letztlich vertrauten Schubert und ihre Mutter sowie Schwester den Prozess M&A-Beratern an, die Erfahrung mitbrachten und die Übergabe moderieren konnten.
Diese Fähigkeit ist gerade bei Familienunternehmen extrem wichtig – mitunter besteht unter den Gesellschaftern keine komplette Einigkeit, und die Meinungen sind emotional aufgeladen. Wassmann: „Es ist entscheidend, noch vor Beginn des Transaktionsprozesses die Treiber der Uneinigkeit zu finden und zu beseitigen.“ Sonst sei kein sinnvoller Deal anzustoßen. Helfen können laut Wassmann objektive Kriterienkataloge und Argumente. Wittner ergänzt: „Die Nachfolge ist ein hochemotionales Thema und erfordert immer Verständnis für die Sorgen und Ängste der Unternehmer oder ihrer Hinterbliebenen.“
Schubert bestätigt denn auch, dass neben Beratern auch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers grundsätzlich sinnvoll sein kann – im Rahmen einer klassischen Abwicklung als Moderator, allerdings nicht dauerhaft. Hat, anders als in Schuberts Familie, der Eigentümer selbst die Option, den Prozess der Übergabe zu gestalten, dann sollte ein Berater zur Unterstützung gefunden werden, der ein ähnliches Mindset mitbringt und sich die Mühe macht, die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens zu verstehen. Dann – so zumindest die berechtigte Hoffnung – schmerzt der Abschied vielleicht dennoch, bereitet der wohlverdiente Ruhestand aber durchaus auch Freude.