06.04.2022 | Dmitrij Hristodorov

Wie die Krise Life-Sciences- Investoren beeinflusst und den M&A-Markt beflügelt

Spätestens seit dem neuen Covid-19-Zeitalter sind auch für den Otto Normalverbraucher Begriffe wie Wirkstoffentwicklung und klinische Studien keine Fremdwörter mehr. Firmen wie BioNTech und AstraZeneca, die als erste die Zulassung für einen Covid-19-Impfstoff erhielten, haben ihren Bärenanteil dazu beigetragen, dass die breite Öffentlichkeit, Regierungen, Investoren und andere Finanzmarktteilnehmer das aktuelle Geschehen der Biotech-Branche deutlich aufmerksamer verfolgen.

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Spätestens seit dem neuen Covid-19-Zeitalter sind auch für den Otto Normalverbraucher Begriffe wie Wirkstoffentwicklung und klinische Studien keine Fremdwörter mehr. Firmen wie BioNTech und AstraZeneca, die als erste die Zulassung für einen Covid-19-Impfstoff erhielten, haben ihren Bärenanteil dazu beigetragen, dass die breite Öffentlichkeit, Regierungen, Investoren und andere Finanzmarktteilnehmer das aktuelle Geschehen der Biotech-Branche deutlich aufmerksamer verfolgen. Es ist eine gesteigerte Sensibilität dafür entstanden, dass letztendlich Innovation über Rezession und Wirtschaftswachstum, über Pandemie und Normalität, ja schlussendlich über Leben und Tod entscheiden kann. Die Auswirkungen dieses Umdenkens wurden vor allem auf dem Finanzmarkt sehr schnell spürbar: Es entstanden viele neue Biotech-Start-ups, es gab große Finanzierungsrunden von Biotechs, die noch in Kinderschuhen (Präklinik) steckten, viele Biotechs fanden sogar den Weg zur US-amerikanischen Börse NASDAQ, und das unabhängig davon, ob sie noch im Labor in Teströhrchen pipettierten oder bereits Patienten in klinischen Studien behandelten. Auf der anderen Seite erlebten auch Institutionen wie Venture-Capital-Firmen einen enormen Zufluss an Finanzmitteln, die sie nun in neue Biotech-Ideen investieren können, um zukünftige Pandemien, aber auch bereits seit Jahrzehnten bekannte Volkskrankheiten zu erforschen, zu behandeln oder gar ganz zu verhindern.

Ein weiterer „Gewinner“ dieser Aufschwungbewegung sind große Pharmafirmen. Ihre eigenen Forschungspipelines sind nach wie vor spärlich gefüllt, und der neue Boom in der Biotech-Branche ist eine willkommene Entwicklung für das Business Development. Pharmafirmen können nun aus einem größeren Pool an innovativen Biotechs ihre Auswahl treffen. Und genau hier kommt es bereits trotz des jungen Alters der neuen Covid-19-Ära zu einer zyklischen Bewegung, was Firmenbewertungen betrifft. Zu Beginn der Pandemie schossen Bewertungen von sowohl privaten als auch neu gelisteten Unternehmen in die Höhe und Pharmafirmen standen vor der Entscheidung, entweder jetzt teuer einzukaufen oder zu warten und in Zukunft entweder noch teurer kaufen zu müssen, falls der Trend anhält, oder günstiger wegzukommen, falls die Börsen wieder eine negative Richtung einschlagen würden und dadurch Bewertungsdruck für die Biotechs entstehen würde.

Heute wissen wir, dass genau diese negative Zyklusphase eingetreten ist, und retrospektiv betrachtet war man aus Investorsicht gut beraten, wenn man bei seiner Investitionsauswahl stringent auf realistische Bewertungen von privaten Unternehmen geachtet hat, sodass auch heute noch genug Cashreserven verfügbar sind, um die Firmen bis zum nächsten Wertsteigerungspunkt zu bringen. Ebenfalls scheint man heute als Investor im Vorteil zu sein, wenn man nicht zu viele frühe Firmen ins NASDAQ-Rennen geschickt hat, sondern auch hier eher reifere Firmen, die bereits klinische Studien durchführen und schon bald ein signifikantes Wertsteigerungspotenzial erfahren könnten, an die Börse gebracht hat.

Beide Investmentstrategien funktionieren vor allem auf europäischem Boden gut, da man hierzulande häufiger niedriger bewertete Firmen vorfindet, die man als ein gut vernetzter, aktiver Investor nicht nur finanziell auf solide Beine stellen, sondern auch operativ professionalisieren und auf ein globales Qualitätslevel bringen kann.

Die Akquisition der Gentherapiefirma Gyroscope Therapeutics im Dezember 2021 für bis zu 1,5 Mrd. USD vom Pharmagiganten Novartis ist ein gelungenes Beispiel dafür, welche Qualitäten man als Investor in Europa bieten sollte: interne Biotech-Expertise, die Bereitwilligkeit, als Investor aktiv und operativ bei den Biotechs mitzugestalten, und nicht zuletzt benötigt man eine sinnvolle Fondsstruktur, die es ermöglicht, einerseits frühe Innovation im Labor zu fördern und andererseits bereits fortgeschrittene klinische Programme mit teilweise dreistelligen Millionenbeträgen zu finanzieren.

Mit diesen Entwicklungen ist der M&A-Tisch 2022 bestens gedeckt: Pharmafirmen haben mit Konsolidierungsaktivitäten hohe finanzielle Kapazitäten freigeschaufelt, um dem M&A-Volumen von 1,2 Bio. USD im Jahre 2021 einen Zuwachs von weiteren 0,5 Bio. USD zu bescheren. Größere Zusammenschlüsse von Pharmafirmen werden strategisch neu ausgerichetete Marktteilnehmer und damit Synergien innerhalb der Produktportfolien kreieren, die weiter wachsen können, müssen und werden.

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Dmitrij Hristodorov

Dmitrij Hristodorov, PhD, Partner, Forbion

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