Hat Private Equity als Instrument der Unternehmensnachfolge ausgedient?
Das Deutsche Institut für Unternehmensnachfolge e.V. (DIFU) stellt Dr. Jörn-Christian Schulze von
ARQIS die Frage, ob Private Equity als Instrument der Unternehmensnachfolge ausgedient hat. In einer Zeit ständigen Wandels und sich verändernder wirtschaftlicher Dynamiken stehen Unternehmen vor entscheidenden Herausforderungen, insbesondere wenn es um die Planung ihrer zukünftigen Geschicke geht.
Das Deutsche Institut für Unternehmensnachfolge e.V. (DIFU) stellt Dr. Jörn-Christian Schulze von
ARQIS die Frage, ob Private Equity als Instrument der Unternehmensnachfolge ausgedient hat. In einer Zeit ständigen Wandels und sich verändernder wirtschaftlicher Dynamiken stehen Unternehmen vor entscheidenden Herausforderungen, insbesondere wenn es um die Planung ihrer zukünftigen Geschicke geht.
Ein Gespräch mit Dr. Jörn-Christian Schulze, Leiter der Fokusgruppe Transactions bei ARQIS
DIFU: Welche Bedeutung spielen Finanzinvestoren in der Unternehmensnachfolge?
Schulze: Wenn Unternehmer ohne Nachfolger in der Familie zu uns kommen, dann ist der Preis meist gar nicht der Haupttreiber für einen Verkauf des Unternehmens. Häufig fallen Sätze wie „meinen Leuten muss es gut gehen“ oder „die Standorte sollen erhalten bleiben“. Gerade im Mittelstand sind der Dank an teilweise Jahrzehnte treue Mitarbeiter und der Erhalt der Unternehmenstradition wichtige Faktoren, die den Verkaufswunsch treiben. Und fünf Minuten später höre ich dann: „Und kaufen soll es mein größter Zulieferer“ oder schlimmer noch ein Wettbewerber.
DIFU: Was meinen Sie mit schlimm?
Schulze: Vollkommen ohne böse Absicht werden weder der Zulieferer noch der Wettbewerber die erwähnten Nebenziele bedienen können. Beide sind Unternehmen mit Stabsfunktionen, die – bis auf wenige Ausnahmen wie etwa Know-how-Träger in der Produktion, dem Spezialvertrieb oder im F&E – identische Positionen besetzen. Mitarbeiter in der Verwaltung, dem Vertrieb oder ggf. auch der Produktion werden abgebaut werden. Dieser Abbau wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Hauptverwaltung und unter Umständen ganze Standorte treffen. Das ist die nüchterne Wahrheit, die sich hinter dem Wort „Synergien“ verbirgt.
DIFU: Wieso wäre das bei Investoren anders? Gerade denen werden doch der Personalabbau und andere Strukturierungsmaßnahmen nachgesagt.
Schulze: Natürlich hat auch der Private-Equity-Investor Nachteile. Aber die eigentlich totgeglaubte und erst kürzlich durch Herrn Lauterbach er-neut aufgebrachte Heuschreckendebatte ist wirklich schlimmer Unsinn. Finanzinvestoren haben ihre Expertise in der Auswahl, Finanzierung und operativer Begleitung von Unternehmen. Sie sind Rat- und Ideengeber; aber sie führen keine Unternehmen. Das Management – also die Leute, denen der verkaufende Unternehmer mit Recht dankbar ist – wird regelmäßig zu großzügigen Konditionen am Unternehmen beteiligt. Vor allem aber ist die Wahrscheinlichkeit, dass im großen Stil Personal entlassen wird, sehr unwahrscheinlich. Der Investor hält kein operatives Personal, Produktionen oder Standorte vor. Diese werden voll übernommen.
Neben diesen strukturellen Vorteilen bieten Finanzinvestoren nicht zu unterschätzende prozessuale Vorteile. Im Bereich des Unternehmenskaufs ergibt eins plus eins aus simplen Gründen drei. Wenn es in einem Verkaufsprozess keinen Wettbewerb gibt, wird der Preis sinken. Zudem wächst mit jedem Bieter die Wahrscheinlichkeit, dass der Verkauf auch stattfindet. Es gibt also mehr Transaktionssicherheit. Daher wird bei der Westfalenfinanz – wie bei jedem anderen M&A-Berater auch – dafür Sorge getragen, dass möglichst ein oder zwei Investoren neben strategischen Käufern im Rennen bleiben. Selbst wenn sich der Unternehmer am Ende für diesen entscheidet, hat zumindest der Preis nicht gelitten.
DIFU: Das ist in der Tat Teil unserer Strategie. Aber Sie erwähnten auch Nachteile bei Investoren verglichen mit strategischen Käufern. Wo sehen Sie diese?
Schulze: Nun, zunächst wird auch ein Investor selbstverständlich das Unternehmen verändern. Neben strikten Finanzreportings wird er Prozesse optimieren, digitalisieren und Unternehmenszukäufe tätigen. Dies kann auch – ohne einen wirklich großen Kahlschlag – zu Optimierungen in der Personalstruktur führen. Das sehe ich aber nicht als Nachteil. Das ist gute Unternehmensführung, wie sie jeder andere Eigentümer auch vornehmen würde. Das Unternehmen wird im Erfolgsfall besser und widerstandsfähiger.
Anders als ein strategischer Käufer wird der Private-Equity-Investor das gekaufte Unternehmen aber zumindest in Teilen mit der Rückführung der zum Kauf aufgenommenen Finanzierung belasten. Dies geschieht nach meiner Erfahrung in einem Verschuldungsbewussten und wirtschaftlich vernünftigen Rahmen. Schließlich hat auch der Investor ein großes Interesse daran, sein Investment nicht unnötig zu gefährden. Aber dennoch wird das Unternehmen hierdurch einem zusätzlichen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Gerade in Zeiten, wie wir sie gerade erleben, werden fällig werdende Refinanzierungen durch die steigenden Zinsen herausfordernder. In allen größeren Krisen der jüngsten Vergangenheit haben wir Unternehmen daran auch scheitern sehen. Und zurzeit gibt es durchaus Drucksituationen, vor allem im Immobiliensektor und im Automobilzulieferbereich. Emotionslos gesprochen, ist dies aber nicht mehr das Problem des verkaufenden Unternehmers. Einmal gezahlte Kaufpreise sind in diesen Konstellationen nicht rückholbar.
DIFU: Sie erwähnen den herausfordernden Zinsmarkt. Welche Auswirkungen haben die Zinsen für Private-Equity-Fonds?
Schulze: Erfolgreiche Finanzinvestitionen fußen im Wesentlichen auf drei Säulen: Kaufpreissicherheit, zu investierendem Kapital und – wahrscheinlich am wichtigsten – billigem Geld.
Konkret heißt dies, dass wirtschaftliche Unsicherheiten für die Branche herausfordernd sind. Wenig ist für einen Investor unangenehmer, als einen Preis für ein Unternehmen zu zahlen, der zeitnah nach der Übernahme fällt, etwa weil der Markt insgesamt runtergeht. Das war beispielsweise 2007/2008 ein großes Thema. Zurzeit sehen wir zwar, dass sich Binnen- und Exportmarkt Herausforderungen zu stellen haben. Aber eine größere Preisinstabilität für Unternehmen sehen wir nicht; in den meisten Branchen sind die Ergebnisse zwar unter Druck, aber stabil genug.
Das ist also nicht so sehr das Problem. Auch Kapital ist in ausreichender Menge im Markt. Zwar wird 2024 sicherlich kein Traumjahr für die Fonds, frisches Kapital einzuwerben; aber es ist auch kein Desaster zu erwarten. Zurzeit sind die Kassen ohnehin noch prall gefüllt.
DIFU: Das Hauptproblem sind also die Zinsen?
Schulze: In der Tat; oder vielmehr die Finanzierungslage insgesamt. Durch die nachhaltige Inflation sind sowohl im äußerst relevanten US-Markt als auch hier bei uns in Europa die Basiszinssätze enorm gestiegen. Hieraus resultieren Zinsen, wie Deutschland sie seit Jahrzehnten nicht gesehen hat. Die Finanzierungskosten steigen entsprechend.
Natürlich ist das Zinsthema in aller Munde. Aber das Problem ist etwas vielschichtiger. Die zahlreichen internationalen Unsicherheiten, zuletzt die Gefahr der Ausweitung des jüngsten Nahostkonflikts, aber auch die allgemeine Unsicherheit betreffend die allgemeine wirtschaftliche Situation führen dazu, dass Fremdfinanzierungen für Unternehmenskäufe insgesamt schwerer zu bekommen sind. Im ersten Schritt ist die Frage also eher: „Bekomme ich Geld und wenn ja, wie viel.“ Erst im zweiten Schritt sind dann die Finanzierungskosten überhaupt erst relevant. Und ja, die sind zurzeit ein Problem. Der 3-Monats-Euribor steht heute bei 3,938%, Tendenz steigend. Mit der Marge der Banken ist man schnell bei sieben oder acht Prozent. Wenn ein Debt-Fonds finanziert, kann es auch zweistellig werden.
DIFU: Hat Private Equity also als Instrument der Unternehmensnachfolge ausgedient?
Schulze: Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Aber es gibt schon ein paar Dinge, die es insbesondere in Nachfolgeszenarien zu bedenken gilt.
Lassen Sie uns einleitend festhalten, dass der M&A-Markt seit jeher Schwankungen unterliegt. Nur erinnern sich gerade die Jüngeren nicht mehr so recht daran, da der letzte Bruch im Markt eigentlich die Finanzkrise von 2007/08 war. Und vielleicht sollte auch nicht ungesagt bleiben, dass die Situation heute kein Vergleich ist. Denn der Private-Equity-Markt ist zwar langsamer, aber keinesfalls zum Erliegen gekommen. 2008 war das anders, namhafte Experten haben damals den Finanzmarkt für Jahrzehnte für zerstört erklärt. Im Ergebnis begann schon Ende 2009 der längste M&A-Boom Deutschlands, der sich erst mit Russlands Überfall auf die Ukraine verlangsamt hat.
Wenn Sie mich fragen, wird diese Krise planbarer zu Ende gehen. Die Inflation ist bereits auf dem Rückmarsch. Vielleicht nicht ganz so schnell wie erhofft, doch aber absehbar. Sowohl die Fed als auch die EZB senden Signale, dass die Zinserhöhungen verlangsamt werden. Mitte/Ende 2024 könnten die Leitzinsen wieder fallen. Hoffentlich haben sich dann die erwähnten Krisenherde und unsere eher deutschen Themen, wie die Energiekrise, etwas beruhigt.
Wesentliche Konsequenz der höheren Zinsen und somit des steigenden Kapitaldienstes ist ja, dass entweder der Investor seine Renditeanforderungen absenken müsste oder weniger Kaufpreis bietet. Ersteres wird nicht passieren. Wie bei Immobilien auch, sind (und werden) Bewertungen also sinken. Gerade in Nachfolgeszenarien mag es sich daher anbieten, den Sturm ein wenig auszusitzen. Dies ist in geordneten Nachfolgeplanungen ja auch kein Problem, denn diese sind langfristig angelegt. Herausfordernder wird es in Fällen wie plötzlichem Versterben. Aber auch in so tragischen Konstellationen werden sich vernünftige Verkaufsprozesse mit guten Lösungen darstellen lassen.