28.09.2021 | Julian Riedlbauer

Das Zeitalter europäischer Fintechs

Sieht man die Zeit der Pandemie aus der Linse der europäischen Tech-Branche, repräsentiert sie den stärksten Wertzuwachs ihrer Geschichte. Innerhalb nur eines Jahres hat sich ihr Wert auf weit mehr als 800 Mrd. USD verdoppelt. Ein Segment ist dabei gerade aus der M&A-Perspektive besonders interessant: Fintechs.

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Sieht man die Zeit der Pandemie aus der Linse der europäischen Tech-Branche, repräsentiert sie den stärksten Wertzuwachs ihrer Geschichte. Innerhalb nur eines Jahres hat sich ihr Wert auf weit mehr als 800 Mrd. USD verdoppelt. Ein Segment ist dabei gerade aus der M&A-Perspektive besonders interessant: Fintechs.

M&A-Fintech-Boom

Fintechs arbeiten seit zwei Jahrzehnten intensiv daran, den Finanzsektor zu revolutionieren, und bringen traditionelle Player in starke Bedrängnis. Doch auch untereinander herrscht große Konkurrenz. Die M&A-Aktivitäten im Bereich der Fintechs erreichen immer neue Höhen, während immer mehr Marktteilnehmer um die interessantesten Ziele konkurrieren. Die gestiegene Bedeutung digitaler Finanzdienstleistungen drückt sich auch unmittelbar im Interesse von Investoren und strategischen Käufern aus: Das Gesamtvolumen durch IPO-Deals, SPACs und M&A-Deals von Fintechs in den bisherigen Monaten des Jahres liegt bei 22,6 Mrd. EUR (vs.11,62 Mrd. EUR im Jahr 2019), davon alleine 4,16 Mrd. EUR in Form von Übernahmen. Beispielhaft dafür ist die 900-Mio.-USD-Finanzierungs-runde von Trade Republic oder der Kauf der Banking-as-a-Service-Plattform Contis durch Solarisbank.

Interessant ist hierbei, dass die Finanzindustrie das größte Interesse an Softwarefirmen hat, die quasi die Infrastruktur für digitale Zahlungsdienstleistungen oder Online-Banking bereitstellen. Zum einen eignen sich ältere Firmen durch Übernahmen digitales Know-how und Kapazitäten an, zum anderen konsolidiert sich der Markt durch das Heranreifen größerer Marktteilnehmer, die sich neue Ländermärkte oder zusätzliche Geschäftsfelder erschließen. Relativ zögerlich verläuft die Konsolidierung in Europa dagegen bisher im Banking-Sektor. Unterm Strich gibt es eine große Zahl von Fintechs, die teils sogar im selben Markt mit einem nahezu identischen Angebot an den Start gehen, was ein ideales Umfeld für zukünftige Konsolidierungsaktivitäten bietet.

Finanzökosystem der Zukunft

Trotz Konsolidierungen wachsen viele Unternehmen so stark, dass ein eigener Börsengang oder ein IPO via SPAC immer wahrscheinlicher wird. Sehr viele US-amerikanische SPACs, aber auch europäische wie der EFIC1 sind in Europa auf der Suche nach potenziellen Übernahmezielen. Gerüchten zufolge spielt beispielsweise Schwergewicht Klarna mit dem Gedanken an einen Börsengang. Gleichzeitig werden große traditionelle Finanzinstitutionen wie Visa oder Mastercard ihre M&A-Budgets weiter erhöhen. Auch chinesische Investoren zeigen vermehrt Interesse an europäischen Fintechs. Zusätzlich gibt es strategische Käufer wie Unzer, die im Private-Equity-Besitz sind, oder von Growth-Equity-Investoren unterstützt werden, so etwa IDnow, und ebenfalls an der Marktkonsolidierung mitwirken.

Global bildet sich seit den frühen 2000er-Jahren allmählich das digitale Finanzökosystem der Zukunft heraus. Diese Entwicklung wurde in den letzten Jahren noch einmal massiv durch die Börsen und verschiedenste Investorengruppen befeuert. Es ist als sehr positiv zu bewerten, dass Europa als Wirtschaftsraum durch seine innovativen Unternehmen an dieser Wertschöpfung zunehmend beteiligt ist und Verbraucher:innen und Unternehmen moderne Finanzdienstleistungen nach hiesigen Standards bieten kann. Die M&A-Szene kann dabei einen wertvollen Beitrag leisten, indem sie die richtigen Partner zusammenbringt, um zu einem gesunden und nachhaltigen Wachstum des europäischen Fintech-Sektors beizutragen.

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Autor
Julian Riedlbauer

Partner und Leiter des Deutschlandbüros der globalen Tech-Investmentbank GP Bullhound

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