05.03.2021 | Oliver Matovu

Herausforderungen im Umgang mit Industrieversicherungen im Rahmen eines Carve-outs

Aus Sicht des Verkäufers ist der Carve-out mit weniger versicherungstechnischen Risiken verbunden. Dennoch sollte der Verkäufer potenzielle Altlastenproblematiken klar abgrenzen.

Special Topic

1. Einleitung

Aus verschiedenen Gründen sind Carve-out-Transaktionen für Käufer und Verkäufer herausfordernd. Carve-outs bringen eine versicherungstechnische Komplexität mit sich, die nicht unwesentliche, oft unterschätzte Risiken birgt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Problemstellungen, die sich im Rahmen eines Carve-outs für die Vertragsparteien im Umgang mit Industrieversicherungen ergeben können. Hierbei werden unter anderem Aspekte wie Wegfall und Neuplatzierung des Versicherungsprogramms zum Closing, Spätschadenrisiken und die Verhärtung des Versicherungsmarkts näher beleuchtet.

 

2. Versicherungstechnischer Carve-out

Grundsätzlich schließen Unternehmen Versicherungsprogramme auf der höchsten operativen Unternehmens-, manchmal aber auch Holdingebene ab. Die darunterliegenden Tochtergesellschaften sind dann im Rahmen des Versicherungsprogramms mitversichert. Ein versicherungstechnischer Carve-out bedeutet, dass im Zuge des Herauslösens eines mitversicherten Unternehmensteils aus einer Muttergesellschaft der Versicherungsnehmer („VN“) beim Verkäufer verbleibt. Beispiel hierfür ist die Veräußerung von Tochtergesellschaften oder einzelner Geschäftsbereiche aus einer Muttergesellschaft.

Die auf der Ebene der Muttergesellschaft (die VN) aufgehängten Versicherungspolicen sehen häufig vor, dass mitversicherte Gesellschaften nach Beendigung des beherrschenden Einflusses zum Vollzug der Transaktion (Closing) aus der Police und damit dem Versicherungsschutz ausscheiden. Dies hat zur Folge, dass ab Closing für den herausgelösten Unternehmensteil („Target“) ein neues Versicherungsprogramm platziert werden muss.

 

3. Implikationen für das Target

3.1 Asset Deal versus Share Deal

Die gesellschaftsrechtliche Struktur der Transaktion, das heißt die Differenzierung zwischen Asset Deal und Share Deal, kann Auswirkungen auf den Fortbestand des Versicherungsschutzes haben. Werden einzelne Vermögensgegenstände im Rahmen der Transaktion veräußert (Asset Deal), sieht § 95 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz („VVG“) einen gesetzlichen Übergang der Sachversicherung, welche sich auf materielle Vermögensgegenstände bezieht, auf den Käufer vor. Dies gilt analog zu § 95 VVG für die an die Sachversicherung anschließende Betriebsunterbrechungsversicherung sowie für sachbezogene Haftpflichtversicherungen (beispielsweise Vermieterhaftpflichtversicherung) und Versicherungen für Kraftfahrzeuge. Ein gesetzlicher Übergang der Sachversicherung nach § 95 VVG setzt allerdings immer einen Sachbezug voraus.

Ausnahmsweise findet ein gesetzlicher Übergang der Betriebshaftpflichtversicherung analog über die §§ 102 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 95 VVG Anwendung, sofern im Rahmen des Asset Deals das Target als Ganzes veräußert wird. Dieser Fall ist in der Praxis jedoch eher selten. Der häufigste Fall des gesetzlichen Übergangs einer Versicherung im Zuge eines Asset Deals ist bei der Sachversicherung für Vermögensgegenstände, die aus einem Unternehmen herausgelöst werden, anzutreffen.

Werden Geschäftsanteile an einer Gesellschaft übertragen (Share Deal), finden die §§ 95 VVG und 102 VVG nach herrschender Meinung indes keine Anwendung. Ferner bleiben alle Versicherungspolicen bestehen, es sei denn, eine Police enthält eine Change-of-Control („CoC“)-Klausel, die je nach Ausgestaltung dazu führen kann, dass die jeweilige Police per Closing endet.

In den meisten Fällen eines Carve-outs per Share Deal ist das Target über die Muttergesellschaft mitversichert mit der Folge, dass das Zielunternehmen aus den Policen per Closing herausfällt und neuen Versicherungsschutz einkaufen muss.

 

3.2 Neuer Versicherungsschutz ab Closing

Der neue Versicherungsschutz muss ab dem Zeitpunkt des Closings für das Target platziert sein. Die Platzierung des neuen Versicherungsschutzes stellt den Käufer und das Management des Targets regelmäßig vor große Herausforderungen, dies schon allein wegen des typischen Zeitdrucks und bestehender Vertraulichkeitsvereinbarungen bei einer Unternehmenstransaktion.

(1) Maßgeschneidertes Versicherungsprogramm

Grundsätzlich ist das Versicherungsprogramm des Verkäufers auf das Risiko des Mutterkonzerns zugeschnitten. Dies bezieht sich insbesondere auf das Risikoprofil. Darunter fallen unter anderem die Betriebstätigkeit, die globale Präsenz und Risikophilosophie des Unternehmens. Je nach Größe des Mutterkonzerns im Verhältnis zum Target kann das individuelle Risikoprofil des Targets stark von dem Risikoprofil des Mutterkonzerns abweichen (z.B. wenn ein globaler Chemie-/Pharmakonzern mit Produktionsstandorten in Europa und Asien sein Farben und Lack herstellendes Unternehmsteil mit nur einem Produktionsstandort in Deutschland veräußert).

Ein passender Versicherungsschutz hinsichtlich Deckungsqualität und Kosteneffizienz kann nur über ein für das Target zugeschnittenes Versicherungsprogramm hergestellt werden. Erforderlich ist dafür eine fundierte Analyse des Risikos des Targets, unter anderem auch, um im Rahmen der Ausschreibung des Risikos die richtigen Versicherer („VR“) als potenzielle Risikoträger anzusprechen. Die Betriebstätigkeit, das Industriesegment und die globale Präsenz spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl der VR, da deren Risikopräferenz und interne (Risiko-) Zeichnungsbefugnis sehr unterschiedlich sind. Bei der Bestimmung des adäquaten Versicherungsschutzes ist zudem die Risikophilosophie des Targets und des neuen Eigentümers mit einzubeziehen. Nicht selten weicht die Risikoaffinität der Muttergesellschaft stark von der des Targets ab.

Zudem operieren große Konzerne meist mit integrierten Risiko-Eigentragungsmodellen (z.B. Captives) und vereinbaren hohe Selbstbehalte. Für das Target ist dies grundsätzlich keine zweckmäßige Option. Aus diesem Grund ist eine spezifische Ermittlung des Risikoprofils des Targets und eine darauf basierende Marktanfrage unerlässlich. Das richtige Timing ist hierbei ein wesentlicher Baustein.

(2) Vorbereitung der Platzierung und Timing

Eine besondere Schwierigkeit des Carve-outs ist der Platzierungsprozess des neuen Versicherungsprogramms. Meist beschäftigt sich der Käufer erst kurz vor Signing mit der Platzierung der neuen Deckung. Zwischen Signing und Closing liegen bei Carve-outs meist einige Wochen bis mehrere Monate. Dies scheint zunächst ein relativ langer Zeitraum zu sein, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass abhängig vom jeweiligen Risiko der Platzierungsprozess etwa zwei bis drei Monate in Anspruch nimmt.

Nachdem das Risikomanagement vor Closing meist von einem Riskmanager oder Inhouse-Broker der bisherigen Muttergesellschaft geleitet wurde, ist das Target nach Closing für das eigene Risikomanagement verantwortlich, wenn wie so häufig ein Finanzinvestor das Target übernimmt. Oftmals fehlt nicht nur die Erfahrung beim Target, sondern vielmehr die risikorelevanten Informationen, die für eine Neuplatzierung des Versicherungsprogramms elementar sind. Diese Risikoinformationen (z.B. Sachwerte und Schadenstatistiken) liegen der Muttergesellschaft normalerweise vor. In der Transaktion werden diese jedoch meist nicht vollumfänglich offengelegt, da sie oft auch vertrauliche Daten der bisherigen Muttergesellschaft beinhalten.

Sobald die Informationen vorliegen, können die VRs angesprochen werden. Bis ein verbindliches Angebot zur Risikotragung durch einen VR vorliegt, können mehrere Wochen vergehen. Die Dauer dieses Prozesses hängt stark von der Datenlage und letztlich der Unterstützung des Verkäufers bei der Datenbeschaffung ab. Das Thema der Platzierung sollte deshalb proaktiv rechtzeitig vom Käufer mit ausreichend Vorlauf zum Closing aufgenommen werden, um ab Closing einen lückenlosen Versicherungsschutz sicherzustellen.

 

3.3 Spätschadenrisiko durch Altlasten

Speziell für Carve-outs besteht ein signifikantes Spätschadenrisiko durch Altlasten. Altlasten im versicherungstechnischen Sinne sind insbesondere Schäden, die ihren Ursprung, das heißt Herstellung eines fehlerhaften Produktes oder Pflichtverletzung, vor Closing haben, aber erst nach Closing eintreten oder bekannt werden. Es gibt zahlreiche Umstände, die für das Target ein potenzielles Spätschadenrisiko darstellen; die wichtigsten Fälle sind im Folgenden dargestellt:

(1) Pflichtverletzungen des Managements

Pflichtverletzungen, die das Management (z.B. Vorstand, Geschäftsführer, Beiräte, leitende Angestellte) im Rahmen seiner Tätigkeit begeht, können über eine Directors‘ & Officers‘ Liability („D&O“)-Police versichert werden. D&O-Policen haben einen sogenannten „Claims-Made“-Trigger, was bedeutet, dass der Versicherungsschutz durch die Anspruchserhebung gegenüber dem VN ausgelöst wird (im Gegensatz zu einer „Occurrence“-Deckung, bei der der Versicherungsschutz im Zeitpunkt des Eintritts des Schadens ausgelöst wird). Dies hat zur Folge, dass Pflichtverletzungen vom Management des Targets vor Closing begangen worden sein können, diese jedoch erst nach Closing bekannt werden und das Management nach Closing in Anspruch genommen wird (z.B. fehlerhafte Bilanzierung oder Nicht-Abführung von Unternehmenssteuer). Die Versicherungspolice der Muttergesellschaft bietet nach dem Closing keinen Versicherungsschutz für die Inanspruchnahme des Managements des Targets. Um Versicherungsschutz für derartige Pflichtverletzungen sicherzustellen, gibt es zwei Optionen. Unter der neu platzierten D&O-Police kann eine in die Vergangenheit gerichtete Rückwärtsversicherung (Retro-active Cover) eingekauft werden. Um das Risiko des VR zu begrenzen, kann dieser den rückwirkenden Versicherungsschutz über ein sogenanntes Rückwirkungsdatum (Retro-active Date) begrenzen. Des Weiteren kann eine sogenannte Run-off-Deckung („Run-off“) platziert werden. Die Run-off stellt faktisch eine Nachmeldevereinbarung im Rahmen der Verkäufer-D&O-Police dar, jedoch unter einer separaten Police mit einer separaten Deckungssumme. Diesem Vorgehen muss der Verkäufer zustimmen.

Grundsätzlich ist für Carve-outs die Run-off-Deckung die zweckmäßigere Option, denn sie bietet den Vorteil, dass der Käufer beziehungsweise neue Eigentümer Altlasten klar von dem nun rechtlich eigenständigen Unternehmen abgrenzen kann. Auch lässt sich die Run-off grundsätzlich mit weniger Aufwand installieren, weil sie ein Annex zur D&O-Police der Muttergesellschaft darstellt und der VR somit keine neue Risikoanalyse vornehmen muss.

(2) Fehlerhafte Produkte

Fehlerhafte Produkte sind ein signifikantes Risiko, denn die Fehlerhaftigkeit eines Produkts wird regelmäßig erst lange nach Herstellung und Inverkehrbringen des Produkts festgestellt (z.B. durch Schadeneintritt). Schäden durch fehlerhafte Produkte werden über die Produkthaftpflichtversicherung („ProdHV“) abgedeckt. Die ProdHV basiert auf einem Occurrence-Trigger, das heißt der Versicherungsschutz wird in dem Zeitpunkt ausgelöst, in dem das Schadenereignis eintritt. Für Personenschäden ist dies der Zeitpunkt, in dem die Verletzung eintritt. Bei Sachschäden ist dies der Zeitpunkt, in dem die Sache eines Dritten beschädigt wird. In diesem Zusammenhang ist auch die Vermischung und Vermengung eines fehlerhaften Produkts mit der Sache eines Dritten als Sachschaden zu definieren. Das Spätschadenrisiko kann man über eine sogenannte IBNR-Deckung (Incurred But Not Reported) versichern. Die IBNR-Deckung bietet Versicherungsschutz für Produktschäden, die ihren Ursprung vor Closing haben, aber erst nach Closing eintreten. Alternativ hierzu kann mit dem VR bei der Neuplatzierung des Versicherungsschutzes zum Closing auch bei der ProdHV eine Rückwärtsdeckung verhandelt werden. Um Altlasten vom Target abzugrenzen und zu verhindern, dass Spätschäden die Deckungssumme der neu für das Target platzierten ProdHV erodiert, ist die IBNR-Deckung grundsätzlich die vorteilhaftere Variante.

(3) Umweltschäden

Spätschäden durch Umweltschäden beziehungsweise Umweltaltlasten spielen für viele Industriebranchen eine wesentliche Rolle (z.B. Chemie, produzierendes Gewerbe, Real Estate). Bei Umweltschäden handelt es sich in der Praxis meist um unbekannte Boden- und Wasserverunreinigungen. Umweltschäden, die nach Closing bekannt werden, stellen für den Käufer ein großes Risiko dar, insbesondere wenn im Falle eines bekannt werdenden Umweltschadens die zuständige Behörde die Sanierung anordnet, was für den Käufer oft signifikante finanzielle Folgen hat. Um dieses Risiko abzudecken, kann eine spezielle Umweltversicherung zum Closing platziert werden, die sogenannte Pollution Legal Liability („PLL“). Diese deckt sowohl unbekannte Schäden als auch bereits identifizierte Umweltbelastungen, bei denen der Schwellenwert, der ein Handeln erfordern würde, noch nicht überschritten ist.

Zwar bietet die klassische Umwelthaftpflicht- und Umweltschadenversicherung grundsätzlich auch einen gewissen, jedoch limitierten Versicherungsschutz für Altlasten. Die PLL hingegen gewährt einen erweiterten Umweltversicherungsschutz und versichert Umweltrisiken bis weit in die Vergangenheit zurück.

 

3.4 Kosten

Die Gesamtkosten für die Neuplatzierung des Versicherungsprogramms zu identifizieren, ist für den Käufer stets eine der größten Herausforderungen. Hierfür gibt es mehrere Gründe:

(1) Wegfall von Synergien

Häufig stellt das individuelle Risiko des Targets im Verbund mit der Muttergesellschaft im Rahmen des Versicherungsprogramms der Muttergesellschaft ein relativ moderates Risiko dar, das insofern auch kostenseitig nicht besonders ins Gewicht fällt. Mit dem Ausscheiden aus der Muttergesellschaft fallen Synergieeffekte weg, und eine separate Betrachtung des Risikos des Targets ist vorzunehmen. Die Folge ist in der Regel ein Anstieg der Prämie.

(2) Nicht risikoadäquate Prämienallokation des Verkäufers

Im Zuge der Verkaufsverhandlungen stellt der Verkäufer dem Käufer häufig eine Gesamtprämieneinschätzung für das Versicherungsprogramm des Targets nach Closing zur Verfügung. Diese Gesamtkosten können häufig auch der Financial Due Diligence entnommen werden. Eine individuelle Risikobewertung des Targets wird für die Gesamtkostenaufstellung grundsätzlich nicht vorgenommen, so dass die vom Verkäufer allokierte Gesamtprämie in den meisten Fällen wesentlich geringer ist als die tatsächliche Gesamtprämie, die VRs bei Neuplatzierung des Versicherungsprogramms fordern werden.

 

4. Implikationen für den Verkäufer

Im Gegensatz zum Käufer sind die Implikationen für den Verkäufer des Unternehmensteils aus versicherungstechnischer Perspektive weniger erheblich. Folglich ist das Interesse des Verkäufers an dem ausscheidenden Unternehmen begrenzt. Dennoch sollte auch der Verkäufer einige Aspekte beachten.

 

4.1 Spätschadenrisiken auch für den Verkäufer

Entsprechend der obigen Ausführungen können sich im Zuge eines Carve-outs Spätschadenrisiken ergeben. Diese können auch für die Muttergesellschaft beziehungsweise den Verkäufer von Relevanz sein. Auch hier spielen Spätschadenrisiken aufgrund von Pflichtverletzungen des Managements oder wegen fehlerhafter Produkte eine Rolle.

(1) Pflichtverletzungen des Managements

Der Verkäufer sollte im Rahmen der Verkaufsverhandlungen mit dem Käufer klarstellen, dass Spätschadenrisiken aufgrund einer Pflichtverletzung eines Managers des Targets nicht über die D&O-Police des Verkäufers abgewickelt werden können. Auch wenn gegebenenfalls eine Inanspruchnahme des Versicherungsschutzes durch die Verkäuferpolice versicherungsrechtlich nicht möglich wäre, sollte dies klar im Kaufvertrag geregelt werden, um Missverständnissen vorzubeugen. Schäden sollten – wie oben dargestellt – über eine Run-off-Police abgewickelt werden. Die Kostenverteilung für die Run-off-Police zwischen Käufer und Verkäufer kann individuell vertraglich vereinbart werden.

(2) Fehlerhafte Produkte

Der Verkäufer sollte im Kaufvertrag auch klarstellen, wer für fehlerhafte Produkte nach Closing haftet. Zwar ist die Thematik für die ProdHV vergleichsweise klar, da die ProdHV auf dem Occurrence-Trigger basiert und damit Schadenereignisse nach Closing nicht mehr vom Versicherungsschutz der Verkäuferpolice gedeckt sind. Da fehlerhafte Produkte jedoch ein signifikantes Schadenrisiko darstellen, sollte auch dies zuvor geklärt werden.

 

4.2 Verkäuferprozess

Durch den ab Closing eintretenden Wegfall des Versicherungsschutzes für das Target stellen sich für den Käufer neue Probleme, die er ohne die Unterstützung des Verkäufers kaum bewältigen kann. Für den Platzierungsprozess brauchen VRs detaillierte Informationen über das Target (Underwriting Information), welche der Käufer über den Q&A-Prozess im Rahmen seiner Due Diligence abfragt. Oft gestaltet sich die Informationsabfrage allerdings sehr komplex und mühsam. Um diesen Prozess sowohl für die Verkäufer- als auch Käuferseite zu vereinfachen und zu beschleunigen, kann der aktuelle Versicherungsbroker, Inhouse-Broker oder Riskmanager bereits im Zuge der Vorbereitung des Verkaufsprozesses diese Daten zusammenstellen und im Datenraum zur Verfügung stellen.

Insbesondere bei global aufgestellten Unternehmen ist es notwendig, dass der Käufer auch die Risikoinformationen der Gesellschaften im Ausland evaluiert. Der Broker oder Risikomanager kann hierbei frühzeitig unterstützen und damit das Management und das M&A-Team des Verkäufers entlasten.

 

5. Harter Versicherungsmarkt

Nach über einem Jahrzehnt des „soften“ Versicherungsmarktes, geprägt von stetig sinkenden Prämien und ausreichend Kapazitäten zur Platzierung von Risiken, ist in den letzten Jahren ein Trend zu stark steigenden Prämien zu beobachten. Kennzeichnend für diese Phase, die globale Auswirkungen hat und einige Versicherungssparten betrifft, sind neben steigenden Prämien auch limitierte Kapazitäten. Die Entwicklung des globalen Versicherungsmarktes und dessen Ursachen sind komplex. Als einer der Hauptgründe für die Trendumkehr des Marktes können Naturkatastrophen der letzten Jahre (z.B. Buschfeuer in Australien und Hurricanes in den USA) angeführt werden, die signifikante Schadenzahlungen der Versicherungswirtschaft und hier insbesondere der Rückversicherer auslösten. In der Folge mussten die Erst- und Rückversicherer ihre Portfolien neu bewerten und haben dann für den gewährten Versicherungsschutz erhöhte Prämien verlangt. Vor dem Hintergrund der Unauskömmlichkeit des gezeichneten Geschäfts und der anhaltend niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten sehen sich die Direktversicherer gezwungen, versicherungstechnische Erträge zu erwirtschaften, was mit teilweise erheblichen Prämienerhöhungen einhergeht. 2020 hat die Pandemie die Situation weiter verschärft. Für den Käufer stellt diese Marktphase eine besondere Schwierigkeit dar, denn das Risiko des Targets, das zuvor unter dem Versicherungsprogramm der Muttergesellschaft mitversichert wurde, wird nun im Verlauf des Platzierungsprozesses in einem höchst angespannten und restriktiven Versicherungsmarkt neu bewertet. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass nur unter großer Anstrengung und unter Einbeziehung der globalen Versicherungsmärkte Versicherungsschutz bereit gestellt werden kann.

 

6. Fazit

Carve-out Deals werden auch weiterhin beziehungsweise gerade jetzt in Zeiten der Pandemie eine häufige Deal-Variante sein. Die momentane wirtschaftliche Situation wird viele Unternehmen dazu zwingen, Unternehmensteile zu veräußern. Aus versicherungstechnischer Perspektive ist die große Herausforderung für den Käufer sicherzustellen, dass zum Closing ein neues, auf das Target zugeschnittenes Versicherungsprogramm installiert wird. Klarheit über potenzielle Spätschadenrisiken und ein Verständnis dafür, wie Risiken durch fehlerhafte Produkte, unbekannte Pflichtverletzungen des Managements oder Umweltverunreinigungen, über Versicherungslösungen oder Klarstellungen im Kaufvertrag minimiert beziehungsweise ausgeschlossen werden können, ist aus Käufersicht elementar.

Des Weiteren sollte der Käufer Transparenz hinsichtlich der ab Closing entstehenden Gesamtkosten für das neue Versicherungsprogramm haben. Um sicherzustellen, dass das neue Versicherungsprogramm zum Closing installiert wird, ist es außerdem notwendig, rechtzeitig mit dem Ausschreibungs- beziehungsweise Platzierungsprozess zu beginnen.

Aus Sicht des Verkäufers ist der Carve-out mit weniger versicherungstechnischen Risiken verbunden. Dennoch sollte der Verkäufer im Rahmen der Verhandlungen mit dem Käufer potenzielle Altlastenproblematiken klar abgrenzen. Ein strukturierter Verkaufsprozess auch hinsichtlich der Versicherungsthemen erspart dem Verkäufer unnötigen Aufwand und beschleunigt den Prozess.

Oliver Matovu
Autor
Oliver Matovu

Oliver Matovu leitet bei Marsh im Geschäftsbereich Private Equity und M&A den Bereich Insurance Due Diligence für Deutschland und Kontinentaleuropa. Er berät u.a. Private Equity und Konzernkunden im Rahmen von Carve-outs und unterstützt diese bei der Platzierung von lokalen und globalen Versicherungsprogrammen für deren Targets.

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