SPEZIAL: Coronavirus trifft auf Investitionskontrolle: deutsche Impfstoffhersteller im Fokus internationaler Investoren
Im Zuge der weltweiten Suche nach Impfstoffen und Medikamenten gegen die neuartige Lungenkrankheit Covid-19 sind Unternehmen aus den Bereichen Pharma, Biotechnologie und Life Science bei internationalen Investoren besonders begehrt. Zwei jüngste Meldungen lassen ein weltweites Tauziehen um Unternehmen befürchten, die erfolgreich an der Entwicklung von Wirk- und Impfstoffen gegen das Coronavirus arbeiten. Laut Medienberichten steht das in Tübingen ansässige biopharmazeutische Unternehmen CureVac bereits im Fokus der US-Regierung, die sich den exklusiven Zugriff auf den durch CureVac entwickelten Impfstoff sichern wollte. Neben dem Abwerben der maßgeblichen Wissenschaftler durch hohe finanzielle Zuwendungen oder Zugriff auf den Impfstoff durch eine Exklusivlizenz stand wohl auch eine Übernahme der CureVac im Raum, dem das Unternehmen jedoch eine klare Absage erteilt hat. Einen Schritt weiter ist der chinesische Arzneimittelhersteller Fosun Pharma, der wie berichtet mit 120 Millionen Euro Forschungsgeldern beim Mainzer Biotech-Startup BioNTech eingestiegen ist und sich die Vertriebsrechte für den chinesischen Markt gesichert hat. Vor diesem Hintergrund bekommt die Corona-Pandemie plötzlich auch eine außenwirtschaftsrechtliche Dimension und die in Deutschland wie in vielen anderen Ländern bestehende nationale Investitionskontrolle rückt in den Blickpunkt bei M&A-Transaktionen. Zugleich zeigt sich immer klarer, dass auch Deutschland nicht immun ist gegen den weltweit grassierenden Virus des Protektionismus.
Investitionskontrolle nach dem AWG
Nach dem geltenden Außenwirtschaftsrecht unterfallen Direktinvestitionen in deutsche Unternehmen aus dem Nicht-EU-Ausland der Investitionskontrolle durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Die Investitionskontrolle ermöglicht dem BMWi die Überprüfung des Erwerbs inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren auf Bedenken im Hinblick auf nationale Sicherheitsinteressen. Grundlage für die Investitionskontrolle sind das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Ein US-amerikanischer oder chinesischer Käufer eines deutschen Pharmaunternehmens unterliegt unter bestimmten Voraussetzungen der sog. sektorübergreifenden Investitionsprüfung nach den §§ 55 – 59 AWV. Da Hersteller von Arzneimitteln dem Gesundheitssektor angehören und infolgedessen als Betreiber einer kritischen Infrastruktur im Sinne des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) gelten, ist eine Prüfung seit Ende 2018 bereits ab einem Erwerb von mindestens 10 Prozent der Stimmrechte möglich. Gelangt das BMWi zu der Einschätzung, der Erwerb bedeute eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, kann es den Erwerb mit Zustimmung der Bundesregierung durch Anordnungen beschränken oder vollständig untersagen. Der chinesische Arzneimittelhersteller Fosun Pharma hat Berichten zufolge allerdings lediglich einen Anteil von 0,7 Prozent an dem deutschen Biotech-Unternehmen BioNTech übernommen, womit die Prüfschwelle von 10 Prozent bei weitem nicht überschritten ist. Auf die angeblichen US-amerikanischen Avancen an CureVac hat die Bundesregierung scharf reagiert und zugleich auf das Instrumentarium der Investitionskontrolle hingewiesen. Zwischenzeitlich hat das durch SAP-Gründer Dietmar Hopp finanzierte Tübinger Pharmaunternehmen aber klargestellt, dass es keine Exklusivverträge mit den USA geben wird. Ähnlich heikle Fälle sind denkbar mit Blick auf mögliche Versorgungsengpässe, wenn einzelne Länder den Export von Medikamenten und Inhaltsstoffen beschränken oder untersagen. Da die Erhaltung funktionsfähiger Gesundheitssysteme in Zeiten der Corona-Pandemie weltweit herausragende Bedeutung hat, wird auch das Interesse ausländischer Investoren an Herstellern von bereits am Markt vorhandenen Medikamenten und Inhaltsstoffen für die Produktion von Medikamenten steigen.
Forschung an Impfstoffen gegen Sars-CoV-2
Weltweit gibt es aktuell rund 40 Forschungsprojekte von Pharma-Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die mit Hochdruck an der Entwicklung eines neuen Impfstoffes gegen Sars-CoV-2 arbeiten. So entwickelt BioNTech gemeinsam mit dem US-amerikanischen Pharmakonzern Pfizer einen Impfstoff, der bereits Ende April mit Freiwilligen in Deutschland, den USA und China getestet werden soll. CureVac arbeitet Medienberichten zufolge ebenfalls an der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus und hofft, im Sommer schon einen experimentellen Impfstoff zu präsentieren, der dann an Menschen erprobt werden könne. Aktuell scheint es aber eher unwahrscheinlich, dass ein Impfstoff gegen Sars-CoV-2 zeitnah zur Verfügung stehen wird, weshalb sich viele Unternehmen darauf konzentrieren, Medikamente zur Behandlung der Infizierten zu finden, die zu einer schnellen Heilung beitragen. So werden beispielsweise für andere Krankheiten wie HIV, Ebola, SARS, Grippe, etc. bereits zugelassene oder zumindest entwickelte antivirale Medikamente, Immunmodulatoren und Arzneimittel für Lungenkranke auf eine entsprechende Eignung hinsichtlich der Atemwegsinfektion Covid-19 getestet. Neben verschiedenen großen Pharmakonzernen wie Roche, Novartis und Pfizer prüft zum Beispiel auch das Tübinger Unternehmen Atriva Therapeutics, ob ein ursprünglich gegen Grippe entwickelter Wirkstoff gegen das neuartige Coronavirus eingesetzt werden kann.
Geplante Verschärfung der Investitionskontrolle
Unabhängig von diesen aktuellen Entwicklungen wird die Bedeutung der Investitionskontrolle auch in Deutschland weiter zunehmen und ausländische Direktinvestitionen werden künftig noch strengeren regulatorischen Hürden ausgesetzt sein. Dies verdeutlicht die bevorstehende nochmalige Verschärfung des Außenwirtschaftsrechts. Das BMWi hat im Januar dieses Jahres einen Referentenentwurf zur Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes vorgelegt, um die nationale Investitionskontrolle an aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen anzupassen. Zentrale Neuerungen sind eine Ausweitung des Prüfungsmaßstabes und des Katalogs der kritischen Infrastruktur. Bisher musste eine „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland“ vorliegen, künftig soll schon eine „voraussichtliche Beeinträchtigung“ genügen und zudem über eine am 11. Oktober 2020 in Kraft tretende EU-Verordnung auch die Auswirkungen auf die anderen EU-Mitgliedsstaaten berücksichtigen. Potentiell noch gravierender dürfte die Erweiterung bei der Definition kritischer Infrastruktur sein, wozu bald auch die Sektoren Künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Quantentechnologie und auch Biotechnologie zählen sollen. Nachdem mit den AWV-Novellen 2017 und 2018 bereits eine Meldepflicht ab einem Erwerb von 10 % an bestimmten Betreibern von Energie, Wasser, Ernährung, Informationstechnik und Telekommunikation, Gesundheit, Finanz- und Versicherungswesen, Transport und Verkehr sowie Software- und bestimmten Medienunternehmen eingeführt wurde, unterfallen Transaktionen in immer mehr Industriebereichen einer Meldepflicht nach dem AWG bzw. der AWV. Wenn diese Änderungen so kommen – und daran bestehen angesichts der jüngsten Entwicklungen wohl leider wenig Zweifel – wird dies die Transaktionssicherheit weiter verringern und insgesamt zu mehr Komplexität bei grenzüberschreitenden Akquisitionen führen. Eine Abschottung vor ausländischem Investment wird langfristig Gift sein für die exportorientierte deutsche Wirtschaft und könnte auch kurzfristig zum Bumerang werden, wenn China als Reaktion seine Medikamentenexporte in den Westen einschränkt: Deutschland und die EU beziehen einen Großteil der aktiven pharmazeutischen Wirkstoffe aus China und auch viele anderen Medizinprodukte werden in China hergestellt. Für M&A-Transaktionen ist das Gebot der Stunde weltweite Kooperation und nicht Isolation.