21.11.2023 | Philipp Neumann

Nachfolge im Mittelstand – Drum prüfe, wer sich ewig bindet…

Jährlich befinden sich tausende Mittelständler in Deutschland vor einer schwierigen Frage: Wie kann eine Nachfolge gelingen, wenn die Übergabe innerhalb der Familie nicht möglich oder gewollt ist? Die Beispiele der Firmen Schulz-Electronic und Endegs zeigen, wie eine Lösung aussehen kann.

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Jährlich befinden sich tausende Mittelständler in Deutschland vor einer schwierigen Frage: Wie kann eine Nachfolge gelingen, wenn die Übergabe innerhalb der Familie nicht möglich oder gewollt ist? Die Beispiele der Firmen Schulz-Electronic und Endegs zeigen, wie eine Lösung aussehen kann.

Das Thema Nachfolge ist und bleibt im Mittelstand von großer Bedeutung. So schätzt die KfW in ihrem jüngsten „Nachfolge-Monitoring“, dass bis zum Ende des Jahres 2026 rund 560.000 der insgesamt etwa 3,8 Millionen klein- und mittelständischen Unternehmen eine Nachfolge suchen. Ein wesentlicher Treiber hierfür ist der demographische Wandel. Ein Drittel der Firmeninhaber ist demnach über 60 Jahre alt, in etwa dreimal so viel wie vor 20 Jahren.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass sich um das Thema Nachfolge eine ganze Industrie an professionellen Firmenkäufern gebildet hat, die Eigentümer in regelmäßigen Abständen per Brief oder E-Mail umwerben. Der Verkauf an externe Interessenten, zum Teil unter Einbindung bestehender Mitarbeiter, stellt sicherlich eine geeignete Option dar. Bei der Wahl des passenden Investors spielen jedoch neben rein finanziellen Gesichtspunkten auch „weiche“ Faktoren eine entscheidende Rolle. So ist ein Großteil der Eigentümer in der Region verwurzelt und über die Wahrnehmung des Verkaufs vor Ort besorgt. Darüber hinaus ist ein Unternehmensverkauf in der Regel eine sehr emotionale Angelegenheit, geht es doch um nicht weniger als den Verkauf des eigenen Lebenswerks. Dieses will man in guten Händen wissen.

Die Ausgangssituation

Im Rahmen seiner Unternehmensnachfolge suchte der Eigentümer der Schulz-Electronic, Hubert Maier, nach einem Investor, der die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens gemeinsam mit dem Management und den Mitarbeitern fortführt und die Stabilität des Standortes in Baden-Baden sichert.

Bei Endegs wurde ein Partner gesucht, um das Wachstumspotenzial des Unternehmens in vollem Umfang zu heben und zugleich die unternehmerische Nachfolge von Eigentümer Kai Sievers sowie ein zeitnahes Ausscheiden der Eigentümerfamilie zu realisieren. Der Partner sollte nicht nur zu der mittelständischen Identität des Unternehmens passen, sondern auch Technologie und Kunden verstehen.

Beide Unternehmen wurden bereits von interessierten Investoren kontaktiert und hatten konkrete Angebote vorliegen. In beiden Fällen hat sich gezeigt, dass ein strukturierter Verkaufsprozess dennoch von Vorteil sein kann, nicht nur um den höchsten Preis zu erzielen (die finalen Angebote lagen bis zu 100% über den anfänglichen) und die Arbeitslast zu stemmen (ein Verkaufsprozess kann bis zu 2.000 zusätzliche Arbeitsstunden bedeuten), sondern vor allem, um ein möglichst breites Spektrum an Investoren kennenzulernen und sich sicher zu sein, den besten Käufer gefunden zu haben.

Welcher Investor kommt in Frage?

Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Investoren unterscheiden: Finanz- und strategische Investoren. Zu den Finanzinvestoren zählen Private-Equity-Investoren, Family Offices und Industrieholdings. Private-Equity-Investoren sammeln von institutionellen Investoren (z.B. Pensionsfonds, Banken, Versicherungen) oder vermögenden Privatpersonen Geld für einzelne Fonds ein, um dieses für einen gewissen Zeitraum (in der Regel fünf bis sieben Jahre) zu investieren. Das Ziel dieser Investoren ist grundsätzlich, die Unternehmen gewinnbringend weiterzuverkaufen.

Family Offices verwalten das Geld einer oder mehrerer vermögender Familien. Im Unterschied zu klassischen Private-Equity-Investoren haben Family Offices in der Regel keinen festen Anlagehorizont und können Unternehmen auch für einen prinzipiell unbegrenzten Zeitraum halten.

Gleiches gilt für Industrieholdings, die ebenfalls nicht fondsgetrieben und somit ohne festen Anlagehorizont agieren. Anders als Family Offices haben Industrieholdings meist einen speziellen Branchenfokus.

Bei strategischen Investoren handelt es sich um klassische Unternehmen, zum Beispiel Wettbewerber. In der Regel wird das gekaufte Unternehmen deutlich stärker integriert, als dies bei Finanzinvestoren der Fall ist, was auch zur Umbenennung des bestehenden Unternehmens und Wegfall der Marke führen kann.

Die Standardlösung gibt es nicht

Welcher Investorentyp der passende ist, hängt von der jeweiligen Situation ab. Im Falle von Schulz-Electronic war früh klar, dass der langjährige Vertriebsleiter im Rahmen der Nachfolgelösung die Möglichkeit erhalten soll, sich am Unternehmen zu beteiligen. Eine solche Lösung, auch Management-Buy-out genannt, ist in der Regel nur mit einem Finanzinvestor umsetzbar. Die Vorgabe war zudem, dass der Investor möglichst langfristig orientiert sein sollte und das neue Management bei der Weiterentwicklung der Gesellschaft unternehmerisch unterstützt. Hierdurch konnte das Investorenfeld schon deutlich eingegrenzt werden. Bei der Vorauswahl der Investoren hilft es, auf einen erfahrenen Berater, der die potenziellen Kandidaten bereits aus anderen Projekten kennt, zurückzugreifen. Unerlässlich ist es trotzdem, sich ein eigenes Bild vom jeweiligen Investor zu machen. Dies kann im Rahmen von Management-Präsentationen erfolgen. Diese persönlichen Treffen zwischen den Eigentümern und potenziellen Käufern bieten nicht nur den Interessenten die Möglichkeit, das Unternehmen und die beteiligten Personen besser kennenzulernen, sondern sollten unbedingt auch von den Verkäufern und dem zukünftigen Management (sofern bereits in den Prozess eingebunden) genutzt werden, die Pläne der Investoren zu erfragen und zu prüfen, ob eine Zusammenarbeit auf menschlicher Ebene generell in Frage kommt. Im Rahmen dieser Gespräche hat sich bei Schulz-Electronic die Haspa BGM, eine Tochtergesellschaft der Hamburger Sparkasse, als favorisierte Käuferin herauskristallisiert.

Im Fall von Endegs kamen neben Finanz- auch strategische Investoren als Käufer in Frage. Naheliegend war insbesondere ein Zusammenschluss mit dem einzigen direkten Wettbewerber im europäischen Raum, der SIS GmbH. Aufgrund der guten Marktkenntnis verfügte SIS zum einen über ein besseres Verständnis des Geschäftsmodells und der notwendigen Vorabinvestitionen, zum anderen ermöglichte der Zusammenschluss ein zeitnahes Ausscheiden der Eigentümerfamilie aus dem operativen Geschäft. Die direkte Wettbewerbssituation erforderte jedoch ein behutsames Aussteuern des M&A-Prozesses.

Wie können Unternehmer sich vorbereiten? Was gilt es zu beachten?

Um möglichst viele Optionen offenzuhalten, sollten sich Unternehmer frühzeitig Gedanken über ihre Nachfolge machen. Sollte der Unternehmer zeitnah aus dem operativen Geschäft ausscheiden wollen und insbesondere Finanzinvestoren als potenzielle Käufer in Betracht ziehen, empfiehlt es sich zum Beispiel, rechtzeitig einen unternehmensinternen Nachfolger aufzubauen. Idealerweise ist dieser bereits mehrere Jahre in einer ge-schäftsführenden Position tätig, statt im Rahmen der Nachfolgelösung erst auf eine solche befördert zu werden. Auch können Präferenzen hinsichtlich der jeweiligen Transaktionsstruktur Einfluss auf das Investorenfeld haben. Eine Beteiligung des Managements im Rahmen eines Management-Buy-outs oder eine Rückbeteiligung der Verkäufer am Unternehmen ist in der Regel nur mit einem Finanzinvestor umsetzbar. Der richtige Zeitpunkt zur Einbindung von Schlüsselpersonen im Unternehmen in den Verkaufsprozess ist dabei fallabhängig und kann meist vom Verkäufer selbst am besten eingeschätzt werden. Grundsätzlich empfiehlt es sich aber, dies frühestens mit Beginn der Due Diligence, die mit nicht unerheblichen Kosten für den Käufer verbunden ist, zu tun. Zu diesem Zeitpunkt ist die Abschlusswahrscheinlichkeit des Verkaufs bereits relativ hoch. Ein finanzielles Aufhübschen, z.B. durch das Unterlassen von Investitionen oder die großzügige Auslegung von Bilanzierungsmethoden, ist nicht ratsam, da dies spätestens im Rahmen der Due Diligence identifiziert wird. Hier gilt der Grundsatz: Das Unternehmen so führen, als würde kein Unternehmensverkauf anstehen.

Über die Schulz-Electronic GmbH

Die Schulz-Electronic GmbH ist ein Value-Add-Distributor von professionellen Stromversorgungen für Entwicklungs- und Testeinrichtungen anspruchsvoller Industriekunden unterschiedlicher Branchen. Das Unternehmen hat mit seinen Lösungen bei Trendthemen wie der Batterieentwicklung für die Elektromobilität sowie der Photovoltaik
im Markt eine herausragende Position erreicht. Im Jahr 1998 übernahm der bisherige Inhaber Hubert Maier das Geschäft ebenfalls im Rahmen einer Unternehmensnachfolge und hat es seitdem auf einen mittleren zweistelligen Umsatz und ca. 50 Mitarbeiter ausgebaut.

Über die Endegs GmbH

Die Endegs GmbH mit Sitz in Pförring und Niederlassungen in Frankreich und den Niederlanden ist ein führendes Umwelttechnikunternehmen und Experte für die mobile, zeit- und kosteneffiziente Verbrennung von giftigen, gefährlichen und klimaschädlichen Gasen, Gasgemischen und Dämpfen. Endegs wurde 2007 von Kai Sievers gegründet und wuchs seitdem kontinuierlich auf heute 40 Mitarbeiter an.

Autor
Philipp Neumann

Philipp Neumann ist Principal bei AQUIN und betreut in dieser Funktion vor allem Wachstums- und Nachfolgelösungen im Bereich GreenTech, z.B. nachhaltige Mobilität, Speichertechnologien und Schadstoffreduktion. Er ist seit 2017 bei AQUIN tätig und verfügt über einen Master in Accounting & Finance der Universität St. Gallen.

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