03.08.2023 | Martin Kanatschnig, Felix Kampen

M&A– von Dermatologen getestet

FotoFinder, ein Hidden Champion im Bereich dermatologischer Bildsysteme zur Hautkrebs-Früherkennung, holt sich einen Finanzinvestor an Bord. Doch was waren die Gründe?

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FotoFinder, ein Hidden Champion im Bereich dermatologischer Bildsysteme zur Hautkrebs-Früherkennung, holt sich einen Finanzinvestor an Bord

Vater und Sohn feiern 30 Jahre gemeinsames Unternehmertum

Im Herbst 2021 findet im niederbayerischen Bad Birnbach eine ausgelassene Jubiläumsfeier statt. Mit eigens gebrautem Weißbier wird auf erheiternde Anekdoten aus der Gründungszeit und eine preisgekrönte Unternehmensentwicklung angestoßen. Man ist stolz aufeinander, tritt dies aber nicht in selbstbeweihräuchernden Reden breit, sondern genießt still den durch das gemeinschaftliche Erleben verursachten Gänsehautmoment.

30 Jahre zuvor haben Rudolf und Sohn Andreas Mayer die FotoFinder Systems GmbH gegründet. Aus dem Zweimannbetrieb von damals ist der führende Anbieter von Visualisierungstechnologie in Kombination mit AI-Software (Artificial Intelligence) für die Untersuchung von Muttermalen zur Hautkrebsvorsorge entstanden. Das rund 100 Mitarbeiter beschäftigende Familien-unternehmen bietet Produkte und Dienstleistungen für Dermatologen, dermatologische Kliniken, Krankenhäuser, Screeningzentren und Forschungsinstitute an. Der Kernmarkt liegt zwar in Deutschland und der DACH-Region, aber das Unternehmen ist mit Niederlassungen in den USA, Italien und Großbritannien sowie Vertriebspartnern rund um den Globus weltweit präsent, und seine lebensrettende Technologie wird in über 90 Ländern eingesetzt.

Zur Zeit der Feierlichkeiten steht das Unternehmen jedoch vor einer besonderen Herausforderung. Rudolf Mayer plant, sich aus Altersgründen – nach der bereits vor Jahren erfolgten stark reduzierten operativen Mitwirkung im Unternehmen – auch als Gesellschafter zurückzuziehen.

Die bevorstehende Familiennachfolge löst einen Denkprozess aus

Für Andreas Mayer ist dies eine Zeit intensiver Selbstreflexion, aber auch zahlreicher Gespräche im Kreise der Familie. Im Falle von FotoFinder besteht Familie nicht nur aus Eltern, Geschwistern und Partnern, die ebenfalls im Unternehmen tätig sind, aber nur zum Teil Interesse an einer Gesellschafterrolle zeigen, sondern auch aus den wichtigsten Mitarbeitenden, die über Jahre das Unternehmen mit aufgebaut haben.

Zugleich klopfen an die Tür von FotoFinder immer wieder Investoren, für die der Erfolg des Unternehmens nicht unbemerkt blieb. Nur sehr vereinzelt reagiert Andreas Mayer auf die Anfragen, lässt sich aus Neugier die Ansätze der Investoren erklären, in zwei Fällen auch eine indikative Bewertung des Unternehmens geben. Dazu später mehr.

Eines wird klar: Als geschäftsführender Gesellschafter eines Familienunternehmens gilt es, Unternehmen, Familie und Eigentum neu zu organisieren – mit Blick auf das Wohl aller Beteiligten.

Die Führung des Unternehmens bereitet Andreas Mayer immer noch große Freude, es gibt keinen Anlass zur Veränderung. Der altersbedingte Rückzug des Vaters jedoch verändert die Konstellation in der Familie und schafft Handlungsbedarf. Der Gedanke an einen familienexternen Investor gewinnt an Attraktivität. Dieser könnte nicht nur eine möglichst gerechte Verteilung im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge ermöglichen, sondern auch eine für das weitere Wachstum notwendige Weiterentwicklung der Organisation begleiten.

Aus dem Blickwinkel eines Eigentümers hat Andreas Mayer keine Zweifel: Die zunehmende Geschwindigkeit von Veränderungen des makroökonomischen Umfeldes (Finanzkrise, Pandemie etc.), aber auch des Marktumfeldes in der eigenen Branche (Regulatorik, Technologiesprünge und Wettbewerbsintensität), schafft neue Chancen und Risiken. Wahrscheinlich würde ihm niemand raten, den bei weitem größten Teil seines Vermögens in ein einziges mittelständisches Unternehmen zu investieren, ganz unabhängig davon, wie begeistert er davon auch sein mag. Er möchte als Geschäftsführer tätig und auch am Unternehmen beteiligt bleiben, aber er möchte auch einen Teil der aufgebauten Werte „hinter die Brandmauer“ bringen. Das würde sich gut anfühlen.

Abgesehen von der persönlichen Situation der Familie Mayer wurde immer klarer, dass auch das Unter-nehmen selbst von einem externen Partner auf Gesellschafterebene profitieren würde.

Die Digitalisierung erfasst das Geschäftsmodell, nicht nur die Produkte

Die Medizintechnikbranche wird von mittelständischen Familienunternehmen geprägt, die aufgrund ihres einzigartigen Wertekanons und ihres starken Engagements für Innovation in einer sich ständig weiterentwickelnden Branche erfolgreich sind.

Dieser stetige Einsatz, mit Spitzentechnologie dazu beizutragen, dass Menschen weltweit Zugang zu modernster Hautkrebsvorsorge erhalten, hat FotoFinder zum Hersteller von digitalen Spezialkameras (Videodermatoskope) zur Aufnahme von Hautläsionen mit der weltweit besten Bildqualität werden lassen.

In weiterer Folge wurde mit der ATBM-Technologie ein Ganzkörperscreening zur hochauflösenden Erfassung der gesamten Hautoberfläche entwickelt. Dieses ermöglicht einen Überblick über alle Muttermale, mit Fokus auf die Kriterien neu, verändert und unverändert. 70% der bösartigen Hauttumoren entstehen de novo, d.h. nicht als Veränderung eines bestehenden Muttermals, sondern als neu auftauchende, oft winzig kleine Läsion. Wer dies weiß und einmal mittels Automatischen Total Body Mappings von FotoFinder untersucht wurde, möchte nicht mehr zur traditionellen Untersuchungsmethode mit der Handlupe zurückkehren.

Als Marktführer mit tausenden Anwendern weltweit konnte FotoFinder jahrelang histologisch befundete Bilddaten sammeln und damit eine AI-Software entwickeln, die Dermatologen in der Diagnose unterstützt. In mehreren klinischen Studien wurde die enorme Leistungsfähigkeit des Deep-Learning-Algorithmus validiert. Hinsichtlich Sensitivität und Spezifität bietet die FotoFinder-AI den zahlreichen neu auftauchenden und mit viel Risikokapital ausgestatteten Start-ups erfolgreich die Stirn.

Dieser beachtenswerte Erfolg und der zunehmende Wettbewerb aus der Softwarebranche werfen jedoch automatisch Fragen zum zukünftigen Geschäftsmodell auf. Die Software von FotoFinder ist bereits ein wichtiger Teil des Geschäfts, aber die meisten Kunden kaufen sie immer noch zusammen mit der Hardware. Es könnte jedoch eine Entwicklung hin zu einem Software-as-a-Service-Modell geben, bei dem Lizenzmodelle die Hardwareverkäufe substituieren. Diese Veränderung erfordert Investitionen und birgt Risiken, aber bietet auch die Chance, AI-Start-ups einen Schritt voraus zu sein und talentierte Software-Entwickler anzuziehen. Eine solche Veränderung des Geschäftsmodells lässt sich leichter mit einem Investor stemmen.

Diese vielfältigen Überlegungen lassen schlussendlich die Entscheidung reifen, sich den Rat von Menschen einzuholen, die tagtäglich mit Unternehmenstransaktionen und Wachstumsstrategien zu tun haben.

Der erfolgreiche Verkauf ist oft komplexer als die einstige Gründung

Andreas Mayer berichtet aus heutiger Sicht: „Wir hatten bereits Angebote von zwei Investoren vorliegen und wussten nicht, wie wir diese einschätzen sollten. Zum Glück haben wir dann mit Aquin professionelle Unterstützung gefunden, die uns im ersten Schritt davor bewahrt haben, mit einem der beiden Interessenten alleine weiterzusprechen. Nach Präsentation der Wertanalyse von Aquin ahnten wir bereits, was durch die eingeholten Angebote im Zuge des professionell aufgesetzten M&A-Prozesses auch bestätigt wurde: Die beiden Interessenten hatten versucht, ein Schnäppchen zu machen.“

Die detaillierte Herausarbeitung einer Transaktionsstruktur, die alle Inter-essen der beteiligten Personen berücksichtigt, ist stets einer der wichtigsten vorbereitenden Schritte. Der Wunsch der Familie war, die Marke zu erhalten, beteiligt zu bleiben und den Unternehmensgeist zu bewahren. Finanzinvestoren konnten hierfür im Vergleich zu Medtech-Konzernen ein attraktiveres Paket bieten.

„Unser M&A-Berater konnte uns den Rücken freihalten, sodass wir uns auf unser operatives Geschäft fokussieren konnten. Aquin hat uns geholfen, unser Familienunternehmen mit breiterem Gesellschafter-Team und einem Investor zukunftssicher umzugestalten. Auch die Beteiligung unseres hoch talentierten Vertriebsleiters ist gelungen. Aquin zeigte sich dabei nicht nur meisterhaft sattelfest in allen Phasen des Prozesses, sondern auch feinsinnig und mit viel Gespür für unsere Situation als Familienbetrieb und die besondere Unternehmenskultur. So fanden wir aus rund fünfzig Bewerbern einen Investor, der zu uns passt und unsere Werte teilt“, so Andreas Mayer.

Der letztlich ausgewählte Investor ist EMZ Partners, ein Private-Equity-Haus mit französischen Wurzeln. Neben dem sehr wettbewerbsfähigen Angebot überzeugte das Team um Klaus Maurer durch eine offene, direkte und wertschätzende Art. EMZ hat trotz der Verhandlungsintensität einer Transaktion den Menschen im Auge behalten und sich so als kompatibel mit der Firmenkultur von FotoFinder gezeigt. Ein Telefonat mit dem Unternehmer eines Portfoliounternehmens von EMZ hatte Andreas Mayer zuversichtlich gestimmt, dass die unternehmerische Gestaltungsfreiheit im täglichen Tun mit diesem Investor weitgehend erhalten bleibt.

Das erste Jahr mit dem Investor – was hat sich verändert?

FotoFinder hat sich im ersten Jahr nach dem Einstieg von EMZ weiterhin positiv entwickelt. Als wesentlichste Veränderung ist die Professionalisierung des Controllings zu nennen. Obwohl dies im ersten Jahr nach dem Einstieg von EMZ einigen Implementierungsaufwand verursacht hat, hat es zu einer erheblichen Verbesserung der faktenbasierten Berichterstattung des Unternehmens beigetragen.

„Mir persönlich würde zwar eine Aufbereitung der Zahlen pro Quartal ausreichen, ich sehe aber das berechtigte Informationsbedürfnis von EMZ sowie die zunehmende Eingespieltheit im Erstellen der Monatsreports. Außerdem, ich gebe es zu, fühlt es sich gut an, das Reporting sauber dastehen zu haben und auf Knopfdruck ein Bauchgefühl überprüfen zu können“, resümiert Andreas Mayer.

„EMZ vertraut uns als Management-Team und mischt sich nicht in das Tagesgeschäft ein. Durch das entgegengebrachte Vertrauen haben wir die Freiheit, FotoFinder weiterhin erfolgreich in unserem Sinne zu führen.“

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